In Freiburg entscheidet der Referee zunächst auf Elfmeter für den VfB Stuttgart. Doch nachdem er sich das vermeintliche Foul noch einmal angesehen hat, korrigiert er sich. Diese Überprüfung geschieht auf eigene Initiative, was eher selten vorkommt.

Alex Feuerherdt, Schiedsrichter
Eine Kolumne
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Nach dem Ende der Begegnung zwischen dem SC Freiburg und dem VfB Stuttgart (2:0) wurde vor allem über eine Szene aus der 34. Minute diskutiert. Als es noch torlos stand, lief der Stuttgarter Alexis Tibidi mit dem Ball am Fuss in den Strafraum der Gastgeber.

Er wollte links am Freiburger Lukas Kübler vorbeiziehen, doch er blieb am rechten Fuss seines Kontrahenten hängen und ging zu Boden. Schiedsrichter Tobias Stieler erkannte ohne zu zögern auf Strafstoss für den VfB.

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Doch dabei blieb es nicht. Denn nach einer Absprache mit dem Video-Assistenten Sven Jablonski lief Stieler zum Spielfeldrand und schaute sich die Szene auf dem Monitor an. Nach kurzer Zeit kehrte der Unparteiische auf den Platz zurück und änderte seine Entscheidung.

Statt mit einem Elfmeter für die Gäste ging es mit einem Schiedsrichterball weiter. Das verärgerte die Stuttgarter sehr. "Den zurückzunehmen, ist unfassbar, völlig irrsinnig", schimpfte Sportdirektor Sven Mislintat. Es habe keine klare Fehlentscheidung vorgelegen.

Die Argumente gegen einen Strafstoss wiegen schwerer…

VfB-Trainer Pellegrino Materazzo sah es ähnlich. "Nichts gesagt" hätte er, wenn der Elfmeterpfiff in erster Instanz ausgeblieben wäre, wie er beteuerte. Schliesslich sei es nur zu "30 bis 35 Prozent ein Elfmeter" gewesen – damit aber auf jeden Fall genug, um die Entscheidung nicht ändern zu müssen.

Das war der Kern der Stuttgarter Argumentation: Dass man den Fusskontakt zwischen Kübler und Tibidi nicht unbedingt als strafbar bewerten musste, mochte schon sein. So abwegig, dass sich der VAR einschalten musste, war der Elfmeterpfiff aber auch wieder nicht, fand man bei den Schwaben.

Tatsächlich kann man über die Entscheidung trefflich diskutieren. Kübler hatte seinen Fuss schon vor dem Kontakt abgestellt, sein Bein nicht ausgefahren und Tibidi nicht attackiert. Ein typisches Beinstellen war damit nicht gegeben.

Auf der anderen Seite hatte sich der Freiburger ein wenig in Tibidis Laufweg begeben und den Ball nicht gespielt. Ob man das für ausreichend hält, um Kübler für den Fusskontakt verantwortlich zu machen, durch den der Stuttgarter zu Fall kam, ist letztlich eine Frage des Ermessens. Insgesamt wiegen die Argumente gegen einen Strafstoss schwerer, weil Kübler nicht aktiv den Sturz von Tibidi herbeigeführt hatte.

… trotzdem war der Elfmeterpfiff nicht klar falsch

Keinen Elfmeter zu geben, war damit die bessere Entscheidung. Dass Materazzo die Elfmeterberechtigung auf 30 bis 35 Prozent taxierte, war insoweit angemessen.

Der VAR ist nun mal nicht dazu da, dem Referee zur besseren von zwei möglichen Entscheidungen zu verhelfen. Daher ist es verständlich, dass die Stuttgarter sich über das On-Field-Review beklagten, das zur Rücknahme des Elfmeterpfiffs führte.

Zumal es vonseiten der sportlichen Leitung der Unparteiischen die Anweisung an die VAR gibt, die Eingriffsschwelle hoch zu halten. Wann ein eindeutiger Fehler vorliegt, ist bei Entscheidungen zu Zweikämpfen und Handspielen zwar oft subjektiv. Wenn eine bewusst getroffene Entscheidung aber wenigstens mit Bauchschmerzen noch zu vertreten ist, also kein völliger Wahrnehmungsfehler vorliegt, soll es keine Intervention geben.

Ausnahmsweise ging das Review vom Referee selbst aus

Gemessen daran wäre die Eingriffsschwelle beim Spiel in Freiburg eher niedrig gewesen – wenn das On-Field-Review denn wirklich vom Video-Assistenten ausgegangen wäre. Doch anscheinend lagen die Dinge anders, wie Schiedsrichter Deniz Aytekin am Sonntag in der Talksendung "Sky90" erklärte.

Er berichtete, sein Kollege Tobias Stieler habe ihm bei einem Telefonat gesagt, er selbst habe das Review initiiert, weil ihn nach seiner Elfmeterentscheidung Zweifel überkommen hätten. Nach einem Gespräch mit VAR Sven Jablonski lief Stieler demnach aus eigenem Antrieb zum Monitor.

Ein solches Vorgehen gestattet das VAR-Protokoll. Der Schiedsrichter kann in reviewfähigen Situationen – Tor, Strafstoss, Rote Karte oder Spielerverwechslung – von sich aus ein On-Field-Review durchführen, beispielsweise wenn er vermutet, etwas Wesentliches übersehen oder falsch wahrgenommen zu haben.

Allerdings kommt es dazu eher selten. In der vergangenen Saison wurden, so hatte es die sportliche Leitung der Bundesliga-Schiedsrichter bei einem Medien-Workshop im Oktober 2021 verkündet, lediglich etwa fünf Prozent der On-Field-Reviews vom Unparteiischen selbst eingeleitet.

Transparenz hätte den Ärger eindämmen können

In rund 95 Prozent der Fälle war es hingegen der VAR selbst, der dem Referee zum Review riet. Diese äusserst ungleiche Verteilung ist logisch, denn gerade spielrelevante Entscheidungen – und dazu gehört der Elfmeter – treffen die Schiedsrichter prinzipiell nur dann, wenn sie sich absolut sicher sind.

Wenn einen Unparteiischen nach einer solchen Entscheidung ausnahmsweise doch einmal Zweifel plagen, dann kann er den Video-Assistenten aus eigener Initiative bitten, ihm die Szene zu zeigen. Der Schiedsrichter bewertet sie am Monitor noch einmal neu. Seine ursprüngliche Entscheidung wird er dabei nur ändern, wenn er davon überzeugt ist, sich geirrt zu haben.

Das hat Tobias Stieler getan und dabei eine in mehrerlei Hinsicht mit Zweifeln behaftete, aber noch hinnehmbare Entscheidung durch eine bessere ersetzt. Vielleicht wäre es angesichts des eher ungewöhnlichen Vorgehens in dieser Situation zweckmässig gewesen, den Ablauf transparent zu machen.

Es hätte womöglich auf Stuttgarter Seite die Akzeptanz für die Entscheidungsänderung erhöht. Und den Ärger eingedämmt.

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