Sebastian Hoeness trägt einen grossen Nachnamen, musste seinen Job aber trotzdem an der Basis lernen. Mit dem FC Bayern II hat er zwei Fussball-Welten zusammengefügt und steht nun vor dem grössten Schritt seiner jungen Karriere.
Es streiten sich immer noch die Gelehrten, ob die Meisterschaft des FC Bayern II in der dritten Liga nun ein sportliches Husarenstück war oder doch das logische Ergebnis einer wirtschaftlichen Sonderstellung.
Die dritte Liga ist eine merkwürdige Spielklasse: Zwei Drittel der Klubs wollen unbedingt nach oben ins gelobte Land des "echten" Profi-Fussballs, der Rest wenigstens in dieser höchsten Liga unterhalb des DFL-Zugriffs bleiben. Die Ambitionen sind also durchaus hoch angesiedelt, die dafür benötigten Budgets aber sehr knapp.
Wenig überraschend tummeln sich in der dritten Liga zahlreiche Leihspieler aus der ersten und zweiten Bundesliga. Eben jene, die dort keinen Platz mehr finden in den Kadern und auf einem anderen Niveau Spielpraxis sammeln sollen. Und es gibt noch mehr von jenen Spielern, die ablösefrei zu bekommen sind.
Die dritte Liga - ein grosser Tauschbasar
Mehr als 80 Prozent der Transfers im Vorfeld der abgelaufenen Saison gingen ohne Geldfluss von Klub A an Klub B vonstatten. Selbst die damaligen Zweitliga-Absteiger Magdeburg und Duisburg holten nur Spieler, die keine Ablöse kosteten.
Die dritte Liga ist wie ein grosser Tauschbasar. Nur ein Klub ragte in jeglicher Hinsicht dabei deutlich heraus: Die U 23 des FC Bayern verkaufte für mehr als sechs Millionen Euro Spieler und kaufte im Gegenzug für rund 2,4 Millionen Euro neue Spieler zu.
Und das als Aufsteiger aus der Regionalliga Bayern. Allein die Transfersummen deuten darauf hin, dass es sich bei den Bayern Amateuren nicht um einen gewöhnlichen Neuling handeln konnte. Wer sonst hätte 1,5 Millionen Euro für einen A-Jugendspieler vom VfB Stuttgart zahlen können, wenn nicht die kleinen Bayern?
Schwierige Startphase mit der zweiten Mannschaft
Völlig kostenlos gab es für die Zweitvertretung des Rekordmeisters vor der letzten Saison einen neuen Trainer. Aufstiegstrainer Holger Seitz wechselte in den Führungsstab des Bayern Campus, also rückte U19-Trainer Sebastian Hoeness nach.
Mit dem grossen Namen im Gepäck wurde die erste Halbserie für den Cheftrainer zu einer wackeligen Angelegenheit. Die Amateure kämpften bis zur Winterpause gegen den Abstieg, die Probleme speziell in der Defensive waren enorm. Von Oktober bis Dezember kamen die Bayern in zehn Spielen nur auf zwei Siege, dafür setzte es fünf Niederlagen - unter anderem im eigenen Stadion gegen das abgeschlagene Schlusslicht Carl Zeiss Jena.
Es fühlten sich jene bestätigt, die von Anfang an ein etwas flaues Gefühl im Magen hatten mit dieser Besetzung für den Trainerposten der wichtigsten Nachwuchsmannschaft des Klubs. Hoeness hatte mit der A-Jugend eine durchschnittliche Saison hingelegt, landete in der Süd-Staffel nur auf Rang vier und wurde vom Meister VfB Stuttgart bei 14 Punkten Rückstand regelrecht deklassiert.
Allerdings sind Ergebnisse im Jugendfussball immer auch mit Vorsicht zu geniessen. Zum einen variiert die Stärke der einzelnen Jahrgänge teilweise extrem und zum anderen sollte ja ohnehin eher der Ausbildungscharakter im Vordergrund stehen.
Der eine oder andere Titel sollte im Idealfall lediglich schmückendes Beiwerk sein. Und in der Ausbildung der Spieler hat Hoeness seit seinem Wechsel von RB Leipzig zu den Bayern vor drei Jahren offenbar einen guten Job gemacht.
Leipzig als Glücksfall
Der 38-Jährige gehört nicht nur aufgrund seines Alters eher dem noch jungen Trainer-Typus an. Wie viele andere hat Hoeness seine aktive Spielerkarriere vergleichsweise früh beendet und sich einem alternativen Weg verschrieben.
Nach Stationen bei den zweiten Mannschaften von Hertha BSC und der TSG Hoffenheim, sowie einem kurzen Abstecher in Hoffenheims erste Mannschaft, damals mit Trainer Ralf Rangnick noch Regionalligist, orientierte sich Hoeness schon mit Ende 20 um.
Als Kapitän bei den Hertha-Amateuren übernahm Hoeness erstmals einen beträchtlichen Teil der Verantwortung für eine Mannschaft. Mit der Zeit reifte der Gedanke, selbst einmal als Trainer zu arbeiten. Also machte Hoeness seine Trainerscheine und fing dabei ganz unten an.
Anders als viele ehemalige Nationalspieler und andere Profis, die früher mit der A-Lizenz oder gleich mit dem Fussballlehrer einsteigen durften, lernte Hoeness seinen neuen Beruf an der Basis. Nach seinen Anfängen bei der A-Jugend von Hertha Zehlendorf erinnerte sich
Rangnick war mittlerweile Chef bei RB Leipzig und holte Hoeness an die nagelneue Akademie in Leipzig. Das Engagement beim Brause-Klub sollte sich ein paar Jahre später als Glücksfall erweisen.
In Leipzig war Hoeness zunächst nicht als Trainer, sondern als Scout aktiv. Aus diesem Lernumfeld und aus seinen hochkarätigen Hospitationen unter anderem bei Thomas Tuchel, Pep Guardiola und Huub Stevens nahm Hoeness jede Menge wertvoller Erfahrungen mit und bekam bei RB Leipzig noch einen vierjährigen Aufbau-Kurs in allen Bereichen des Defensivspiels.
Leipzigs Fussball war damals auch im Jugendfussball noch deutlich stärker vom Rangnick-Modell des permanenten Balljagens und höchster Intensität geprägt. Diesen Grundbaustein nahm Hoeness dann im Sommer 2017 mit zu den Bayern, wo der Ballbesitz und das Positionsspiel bei allen Jugendmannschaften höchste Priorität geniesst.
"Ich war vier Jahre in Leipzig und hatte das Gefühl, dass ich nach so einer verhältnismässig langen Zeit einen anderen Blickwinkel brauche. Die Trainer bei RB wurden vor allem im Spiel gegen den Ball ausgebildet. Das hat mir sehr viel gebracht, aber ich hatte Lust, auch mal die Gegenseite, nämlich das Spiel mit dem Ball, kennenzulernen", erinnerte sich Hoeness in einem Interview mit "goal.com".
Sensationelle Rückrunde
Die Vorbehalte waren trotzdem gross. Unter anderem auch von Hoeness‘ Onkel
Nach einigen Anpassungsproblemen in der ersten Saisonhälfte schaffte Hoeness den Spagat zwischen der offensiven Bayern-DNA und der dafür nötigen defensiven Absicherung nahezu perfekt. Er vereinte mit seiner Mannschaft aus Hochbegabten das Beste aus zwei Welten.
Die Bayern gingen als Fünfzehnter in die Winterpause, nur drei Punkte vom Abgrund entfernt. Der Rückstand auf die Spitze betrug damals 16 Punkte. Dann vollzog die Mannschaft eine fabelhafte Wandlung, drückte den Schnitt an Gegentoren von über zwei pro Spiel auf 1,0. Der Punkteschnitt stieg im neuen Kalenderjahr auf 2,33 und am Ende wurde aus 16 Punkten Rückstand ein Punkt Vorsprung.
Hoffenheim als logischer nächster Schritt?
Das hatte natürlich auch damit zu tun, dass der FC Bayern auch in der abgelaufenen Saison der dritten Liga der Krösus und als einzige Zweitvertretung überhaupt in der Lage war, zur Not auf Personal von der Lizenzspielermannschaft zwei Klassen höher zurückzugreifen. Fiete Arp, Alphonso Davies und Zehn-Millionen-Einkauf Michael Cuisance kreuzten früher oder später deshalb plötzlich in der dritten Liga auf.
Diese bunt zusammengewürfelte Mannschaft aber zu orchestrieren und mit ihr deutlich höher eingeschätzte, mit bewährten (ehemaligen) Bundesligakräften ausgestattete Teams auszustechen, war zu einem grossen Teil auch der Verdienst des Trainers. Nun ruft offenbar die Bundesliga, 1899 Hoffenheim sucht einen neuen Trainer.
Sebastian Hoeness ist dabei längst mehr als nur noch einer von mehreren Kandidaten. Hoffenheims Sportchef Alexander Rosen hat immer auch die Antennen in den Jugend- und Nachwuchsfussball ausgefahren und kennt auch Hoeness‘ Werdegang.
Dazu hat Hoffenheim in der Vergangenheit immer wieder bewiesen, auch mal unkonventionelle Ideen bei der Trainersuche umzusetzen. Marco Pezzaiuoli, Julian Nagelsmann, zuletzt auch Alfred Schreuder waren eher überraschende Lösungen.
Für Sebastian Hoeness wäre das eher beschauliche Hoffenheim für den durchaus grossen Schritt von der dritten in die erste Liga auf jeden Fall ein Vorteil. Der grosse Nachname polarisiert ohnehin schon genug, da könnte ein wenig Abgeschiedenheit nicht schaden.
Verwendete Quelle:
- goal.com: Sebastian Hoeness im Interview
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