Sebastian Rudys Wechsel zu den Bayern war im Winter allenfalls eine Randnotiz - jetzt soll der ehemalige Hoffenheimer die Mannschaft von Carlo Ancelotti in eine erfolgreiche Saison führen. Aber kann er das überhaupt?

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Mit Toni Kroos will er eigentlich nicht verglichen werden. Der Neuzugang des FC Bayern, Sebastian Rudy, ist trotz einer mittlerweile sehr stattlichen Karriere sportlich doch noch ein ganzes Stück vom mehrfachen Meister, Champions-League-Sieger, Weltmeister und Dirigenten bei Real Madrid entfernt.

Und trotzdem klangen jene Vergleiche in den letzten Monaten immer wieder mal durch, zumindest bei den Experten, die sich genauer mit Rudy und dessen Spiel befasst haben. Einer dieser Experten, der sich sehr lange mit dem 27-Jährigen beschäftigt hat, dürfte Michael Reschke sein.

Reschke ist in diesen Tagen vom FC Bayern zum VfB Stuttgart gewechselt. Eine überraschende Rochade war das, in etwa so überraschend wie der Wechsel von Rudy zu den Bayern. Den hatte Reschke bereits im Winter eingetütet und für die meisten Beobachter sah das so aus wie eine kleine Dreingabe zum eigentlich wichtigen Transfer, den von Niklas Süle zu den Bayern.

Rudy-Transfer wurde belächelt

Rudy und Süle kamen beide aus Hoffenheim, aber nur einem der beiden Nationalspieler wurden in München auch gute Chancen auf eine sinnvolle Weiterentwicklung der Karriere vorausgesagt. Und dieser Spieler war nicht Sebastian Rudy. Der wurde stattdessen in einem Atemzug genannt mit den vielen Gescheiterten bei den Bayern, wie Jan Schlaudraff, Alexander Baumjohann, Marcell Jansen oder Sebastian Rode.

Aber jetzt, wo die neue Saison vor der Tür steht und die Bayern gar nicht mehr so sauber und flüssig und erfolgreich spielen wie sonst, soll Rudy plötzlich das fehlende Mosaiksteinchen sein. Ein Eindruck, der sich beim Supercup-Sieg gegen Borussia Dortmund bereits verstärkt hat.

Nicht viele Mannschaften in der Liga spielen Fussball mit viel Ballbesitz und Positionsspiel. Die Bundesliga ist eine Pressing- und Gegenpressing-Liga, mit vielen Umschaltmomenten in beide Richtungen. So definiert sich das Gros der Mannschaften. Es gibt nur wenige Teams, die den Ball auch gerne länger behalten und den Gegner dominieren und auseinanderspielen wollen.

Sebastian Rudy bei Bayern München Setzt sich Sebastian Rudy bei Bayern München durch?
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Borussia Dortmund gehörte unter Thomas Tuchel zu diesen Teams, ebenso wie Rudys Ex-Klub TSG Hoffenheim und sein aktueller Arbeitgeber Bayern München. Insofern passt der Wechsel von einer Ballbesitzmannschaft zur nächsten ganz gut.

Der Herr der vielen Pässe

Rudy ist der Herr der vielen Pässe. Einer, der so ballsicher und resistent gegen Pressing ist, dass er den Gegner nah an sich herankommen lässt und ihm das Gefühl vermittelt, er selbst wäre ein leichtes Opfer. Dann dreht er sich einmal schnell oder spielt den Ball flink ab, läuft sich frei, bekommt den Ball zurück und hat den Gegner abgeschüttelt. Das ist Rudys eigentliche Stärke.

Sein Spiel wirkt manchmal etwas lethargisch und wenig explosiv. Sehr grazil und irgendwie auch fragil, Rudy ist schliesslich keiner dieser Kraftprotze auf der Sechs. Sein Körperbau und seine Physiognomie bringen nicht die besten Voraussetzungen mit für harte Zweikämpfe und beherzte Tacklings. Deshalb spielt er so vorausschauend. "Zweikampfstärke bedeutet auch schnelles und geschicktes Handeln", sagt Rudy selbst.

Diese vornehme Zurückhaltung erinnert, mit Verlaub, sehr an Toni Kroos. Und dem weinen sie in München ja heute noch jeden Tag viele Tränen nach. Der Verkauf des lange Zeit nicht Verstandenen nach Madrid dürfte der grösste Fehler des letzten Jahrzehnts gewesen sein.

Trotz der starken Saison mit Hoffenheim, das sich von einem Abstiegskandidaten zu einem möglichen Teilnehmer an der Champions League entwickelt hat, flog Rudy bisher immer noch ein wenig unter dem Radar. Der Confed Cup in diesem Sommer, der in Deutschland oft nur mit einem Achselzucken registriert wurde, war sein erstes mittelgrosses Turnier überhaupt.

Zwei Enttäuschungen im Nationalteam

Klar, sagten die Kritiker, in eine 1B-Mannschaft des Weltmeisters passt so einer wie Rudy ganz gut: Besser als 90 Prozent der Liga, aber halt nicht gut genug für die Weltspitze. So war das vor drei Jahren und im letzten Sommer, als Rudy jeweils in die vorläufigen Kader für die Weltmeisterschaft und Europameisterschaft geholt, dann aber im letzten Moment noch gestrichen wurde.

Überhaupt plante Joachim Löw mit ihm lange als eine Art Backup für für die Rechtsverteidigerposition. Die Konkurrenzsituation im defensiven Mittelfeld, wo Löw lange die Wahl hatte zwischen Kroos, Sami Khedira, Bastian Schweinsteiger und selbst Joshua Kimmich, liess offenbar nichts anderes zu.

Die Stunde der grossen Enttäuschung, als Löw ihn erneut aus dem Aufgebot strich, sollte wie ein Wendepunkt sein. "Ich wollte mir und den anderen beweisen, dass es ein Fehler war und ich eigentlich in diese Mannschaft gehöre. Es war wie ein Schub, durch den ich mich auch als Persönlichkeit noch einmal weiterentwickelt habe", sagte er in einem Interview mit der "FAZ".

Jetzt scheint der Moment gekommen, um die nächsten Schritte der Entwicklung zu machen. Bei den Bayern sind Lahm und Alonso nicht mehr da, Thiago ist verletzt, Arturo Vidal, Corentin Tolisso und James Rodriguez sind andere Spielertypen.

Einkauf zum Nulltarif

"Ich habe vor, auch bei den Bayern im zentralen Mittelfeld zu spielen. Das ist meine Position, auf der ich am besten spielen kann. Wenn ich mir das nicht zutrauen würde, hätte ich diesen Schritt nicht gemacht." Das klingt selbstbewusst und so ein bisschen Protzen und Klappern kann in München ja auch nicht schaden.

"Solche Typen wie mich gibt es nicht oft. Ich bin manchmal auch zurückhaltend, aber im Spiel kann ich dann schon zeigen, was los ist. Ich bin mir zu einhundert Prozent sicher, dass es der richtige Weg ist", sagt Rudy deshalb.

Im Kreis der "Granaten", wie es Uli Hoeness wohl bildlich ausrücken wollte, war Rudy das kleinste Licht. Jeder einzelne Bayern-Zugang in diesem Sommer hat Geld gekostet, zwischen acht Millionen (Serge Gnabry) und 42 Millionen (Tolisso). Sebastian Rudy gab es zum Nulltarif.

Auch das ist eine Mini-Parallele zu Kroos, mit dem er doch eigentlich nicht verglichen werden will. Vor zehn Jahren ging das zum ersten Mal schon nicht anders. Bei der U-17-WM spielte die deutsche Auswahl ein starkes Turnier, die prägenden Figuren im Mittelfeld waren Toni Kroos und Sebastian Rudy.

Zur Belohnung gab es für die Mannschaft Platz drei im Turnier und später vom DFB die Fritz-Walter-Medaille in Gold für Kroos - die in Silber für Rudy.

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