Mehr Polizei, mehr Kontrollen: Früher galten Derbys als das wohl grösste Sicherheitsrisiko im Profi-Fussball. Nun scheinen es Heimspiele sämtlicher Bundesligisten gegen RB Leipzig zu sein. In Augsburg droht sogar ein Zerwürfnis zwischen Fans und Verein.

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Heute herrscht in Augsburg eine extrem angespannte Stimmung: Die Anzahl der Polizisten und Sicherheitskräfte wurde hochgefahren.

Die Spruchbänder der Fans vom FC Augsburg werden zudem kontrolliert. Der Verein hat sogar den Kontakt zur aktiven Fanszene gesucht, um Ausschreitungen vorzubeugen. Und das alles nur, weil RB Leipzig zu Gast ist (20:30 Uhr, LIVE bei Sky und bei uns im Ticker).

Heimspiele gegen RB Leipzig entwickeln sich allmählich zu einem Sicherheitsrisiko. In Dortmund wurden vor dem Stadion Leipziger Fans angegriffen. Später sorgten beleidigende Spruchbänder für Entsetzen.

Letzteres geschah auch vor zwei Wochen in Gladbach. Die Befürchtung, dass in Augsburg ähnliches geschehen könnte, ist nicht völlig aus der Luft gegriffen.


"FCA gegen Bullenschweine!" - mit diesen Worten wurde das heutige Spiel im Augsburger Fan-Magazin "Supporter News" angekündigt. In der Hinrunde haben die Augsburger Fans das Spiel in Leipzig grösstenteils boykottiert.

FCA-Präsident Klaus Hofmann trägt zur Stimmungslage bei, wenn er sagt: "Seit Jahren freue ich mich über jede Leipziger Niederlage und trinke darauf ein Bier."

Disput zwischen Augsburger Fans und Verein

Dass die Fans nun ihre Spruchbänder autorisieren lassen sollen, stösst auf wenig Begeisterung. In einem offenen Brief werfen Augsburger Fans ihrem Verein vor, kein Rückgrat zu haben und rein populistische Entscheidungen zu treffen.

Die Kontrolle der Spruchbänder lehnen sie offenbar ab: "Eine geplante Choreografie wird von uns genauso durchgezogen wie es in Augsburg seit jeher üblich ist: Ohne vorherige Anmeldung oder Autorisierung." Das klingt nach einem Zerwürfnis zwischen Fans und Verein.

Jonas Gabler von der Kompetenzgruppe "Fankulturen und Sport bezogene soziale Arbeit" (KoFaS) in Hannover kann beide Seiten verstehen: "Was die Spruchbänder betrifft, befinden sich die Vereine in der Zwickmühle. Nach den Vorfällen von Dortmund müssen sie Vorkehrungen treffen, weil ihnen ansonsten auch eine Strafe drohen könnte."

Eine Autorisierung empfindet er trotzdem als kritisch: "Die Vereine müssten ihren Fans vielmehr klar machen, dass sie Kritik in Ordnung finden, aber keine Beleidigungen und Diskriminierungen respektieren. Noch hat kein Heimspiel vom FC Augsburg gegen RB Leipzig stattgefunden. Wir wissen also gar nicht, was die Fans planen."


Die Aufstockung der Sicherheitskräfte bezeichnet Gabler hingegen als angemessen: "Der FC Augsburg will hier als Veranstalter sichergehen, dass den Gästen aus Leipzig nichts passiert. Das ist legitim. Schliesslich geht es um die körperliche Unversehrtheit."

Dass viele Fans auf die Barrikaden gehen, wenn die "Roten Bullen" kommen, hat für Gabler folgende Ursache: "RB Leipzig steht als Symbol für eine ganze Reihe von Entwicklungen, die von Fussball-Fans abgelehnt werden. Und es ist immer einfacher, die Entwicklungen bei einem anderen Verein zu kritisieren als die Probleme im eigenen Verein zu benennen. Die Abhängigkeit von Sponsoren und der Entwicklung der Ökonomisierung existiert überall." Trotzdem blickt er zuversichtlich in die Zukunft: "Mein Gefühl sagt mir, dass sich das irgendwann abnutzen wird."

Sportwissenschaftler: "RB Leipzig wird rotes Tuch bleiben"

Dr. Gabriel Duttler vom Institut für Sportwissenschaft Würzburg schätzt die Situation dramatischer ein. "RB Leipzig wird auch in der Zukunft für die Fanszenen ein rotes Tuch bleiben", glaubt er. Die Vereine sieht er einer gewissen Mitschuld: "Einige Vereine nutzen die Spiele gegen RB Leipzig ganz gezielt, um sich als Traditionsverein zu positionieren."

Damit spielt er zum Beispiel auf den SV Darmstadt 98 an, der sein Heimspiel gegen Leipzig zum Traditionsspieltag erklärte. Oder auf den FC St. Pauli, der das Zeichen von RB Leipzig boykottierte. "Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit RB Leipzig und ein kritisches Hinterfragen des Engagements von Red Bull sind absolut in Ordnung und wichtig, aber die Grenze zwischen ernsthafter Kritik und Doppelmoral ist da sehr schmal", sagt er.

Der Fan-Forscher sieht nur eine Möglichkeit, um die Brisanz auf dem Thema RB Leipzig zu nehmen: "Langfristig wird vielleicht die Abneigung dann sinken, wenn die Verbände DFB und DFL über Lizenzauflagen sicherstellen, dass dieses Vereins-Modell keine Schule machen kann. Das wäre zumindest der Wunsch der Fanszenen."


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