Hat Anthony Modeste vom 1. FC Köln in Darmstadt seinen Gegenspieler ins Gesicht geschlagen oder nur unglücklich getroffen? Muss der Stürmer eine Sperre befürchten, obwohl der Schiedsrichter nicht einmal auf Foul entschied? Darüber wird der DFB in dieser Woche befinden. Der Schiedsrichter-Streitfall.
Für den 1. FC Köln war das 6:1 in Darmstadt der höchste Bundesligasieg seit mehr als 51 Jahren. Doch für beinahe ebenso viel Gesprächsstoff wie dieser geschichtsträchtige Sieg der Rheinländer sorgte eine unschöne Aktion ihres Torjägers Anthony Modeste.
Der nämlich hatte in der 38. Minute bei einem Angriff seiner Mannschaft den Darmstädter Kapitän Aytac Sulu unsanft aus dem Weg geräumt, als er ihn im Laufduell mit dem Arm im Gesicht traf.
Die Frage war und ist: Geschah das nur versehentlich aus der normalen Laufbewegung heraus? Oder doch mit voller, unsportlicher Absicht?
Frings: Klare Rote Karte für Modeste
Letzteres, meinte Darmstadts Trainer Torsten Frings. "Für mich eine ganz klare Rote Karte", sagte er. "Das war kein Losreissen, sondern ein rechter Schwinger."
Selbst der Kölner Sportdirektor Jörg Schmadtke räumte im "Sky"-Interview ein: "Das sieht schon sehr merkwürdig aus. Das ist nicht gut." Dominique Heintz, Innenverteidiger in Diensten der Domstädter, nahm seinen Mannschaftskollegen dagegen in Schutz: "Darmstadt wollte, dass Toni vom Platz fliegt. Sie haben ihn ständig provoziert."
Sieben Minuten vor der Pause hatte sich Modestes Gegenspieler Sulu allerdings nichts zuschulden kommen lassen, sondern lediglich vorgehabt, den Franzosen ein wenig abzudrängen.
Dessen anschliessender Armeinsatz wirkte gleichwohl nicht bloss wie der Versuch, einen lästigen Gegner mit fairen Mitteln auf Distanz zu halten, und er sah auch nicht nach einem Versehen aus, sondern roch vielmehr nach einer Tätlichkeit.
Schiedsrichter Robert Kampka liess jedoch weiterspielen und pfiff erst eine Sekunde später – aber für die Kölner, nämlich wegen eines Fouls an ihrem Spieler Christian Clemens.
Wird gegen Modeste ein DFB-Ermittlungsverfahren eingeleitet?
Anthony Modeste kam also ungeschoren davon. Viele fragen sich nun: Kann er nachträglich gesperrt werden? Die Antwort lautet: Theoretisch ja – wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.
Dafür müsste zunächst einmal die zuständige Instanz des Deutschen Fussball-Bundes (DFB), der Kontrollausschuss, ein Ermittlungsverfahren gegen den Kölner einleiten. Ob das geschieht, entscheidet sich dem Ausschussvorsitzenden Anton Nachreiner zufolge Anfang der Woche.
Zuvor wird der Unparteiische befragt, ob er die Szene überhaupt gesehen und bewusst beurteilt hat. Falls ja, ist keine Ermittlung möglich, denn dann gilt die sogenannte Tatsachenentscheidung des Schiedsrichters.
Diese ist unanfechtbar, weil Entscheidungen des Referees im Zusammenhang mit dem Spiel laut Regelwerk endgültig sind – selbst wenn sie sich im Nachhinein als falsch herausstellen.
Denn die Wahrheit soll grundsätzlich auf dem Platz liegen und nicht erst im Nachhinein von den Sportgerichten festgestellt werden.
Hat der Schiedsrichter den Zweikampf überhaupt beobachtet?
Eine Ausnahme kann gemacht werden, wenn der Schiedsrichter eine Tätlichkeit nicht mitbekommen hat. Sollte Robert Kampka also aussagen, dass ihm Modestes Einsatz gegen Sulu entgangen ist und er ihn dementsprechend gar nicht bewerten konnte, wäre der Weg frei für nachträgliche Ermittlungen.
Der Unparteiische befand sich zwar in der fraglichen Situation nahe am Geschehen, schien sich aber ganz auf den Ball zu konzentrieren, den Modeste abgespielt hatte, bevor es zum Kontakt mit Sulu kam. Möglich also, dass er diesen Kontakt gar nicht beobachtet hat.
Im Falle eines Verfahrens gegen den Kölner Stürmer würde der DFB-Kontrollausschuss auf der Grundlage der Fernsehbilder entscheiden, ob in Modestes Aktion eine Tätlichkeit zu sehen ist oder lediglich eine zwar ungeschickte, aber unabsichtliche und deshalb nicht strafwürdige Handlung.
Sollte der Ausschuss auf Ersteres erkennen, würde er ein Strafmass – also die Länge der Sperre – vorschlagen, das Gültigkeit erhielte, wenn der Spieler es akzeptieren würde. Andernfalls käme die Angelegenheit vors DFB-Sportgericht.
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