In seiner dritten Saison beim FC Bayern München wird Ersatzkeeper Sven Ulreich zum zweiten Mal langfristig gebraucht. Nach der erneuten Fussverletzung von Manuel Neuer avancierte er mittlerweile zum Leistungsträger. In einigen Statistiken schneidet er sogar besser ab als der Nationaltorwart. Zu verdanken hat Ulreich seinen Aufstieg vor allem einem Mann: Jupp Heynckes.

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Nummer zwei beim FC Bayern hinter Manuel Neuer - der wahrscheinlich undankbarste Torwartjob der Welt. Sven Ulreich hat ihn seit drei Jahren inne und hat dabei das geschafft, was eigentlich gar nicht möglich ist: Er hat sich auf höchstem Niveau zurück ins Schaufenster gespielt.

Seit Neuer in München ist (Juli 2011), hat der Nationaltorwart 22 Bundesligaspiele verpasst, 17 Mal wurde er dabei von Ulreich ersetzt und der schickt sich derzeit vorsichtig an, den übermächtigen Rivalen - zumindest vorübergehend - vergessen zu machen.

Matchwinner gegen Anderlecht

Im Champions-League-Gruppenspiel gegen RSC Anderlecht zeigte Ulreich, warum er derzeit von allen Seiten gelobt wird.

Gleich drei Mal rettete er vor der Pause in höchster Not. Zwei Mal gewann er im Eins-gegen-eins-Duell gegen Łukasz Teodorczyk, der frei vor seinem Kasten auftauchte, ein weiteres Mal klärte er einen Schuss des freistehenden Stephen Appiah zum Eckball.

Ulreich ist zum echten Rückhalt geworden, das sah noch vor wenigen Wochen anders aus. Erinnern wir uns an seinen Auftritt beim 0:3 gegen Paris Saint-Germain: Ulreich sah bei zwei Gegentoren nicht gut aus und musste anschliessend von diversen TV-Experten harsche Kritik einstecken.

Oliver Kahn monierte nach dem zwischenzeitlichen 0:2: "Auf diesem Niveau kann man so einen Ball auch mal halten." Lothar Matthäus attestierte ihm sogar Sehprobleme.

Ulreich stichelt gegen Lothar Matthäus

Davon redet aktuell niemand mehr - im Gegenteil. Nach Ulreichs Leistungsanstieg "sieht" ihn ausgerechnet Matthäus im erweiterten Kreis der Nationalmannschaft. Für den Torwart etwas zu viel des Guten.

Auf der Abschluss-PK vor dem Spiel in Anderlecht konnte sich Ulreich eine kleine Retourkutsche in Richtung Matthäus daher nicht verkneifen: "Vor ein paar Wochen hat Lothar Matthäus noch gesagt, ich hätte ein Augenproblem, jetzt sagt er sowas. Das ist für mich nicht ernst zu nehmen."

Für die plötzliche Leistungsexplosion hat Ulreich eine simple Erklärung: "Am Anfang stimmten ein paar Abläufe nicht, weil das Training kein Spielersatz ist. Man hat dann ein besseres Gefühl, wenn man alle drei Tage spielt. Besonders beim Torwart müssen die Abläufe einfach sitzen."

Dass die Abläufe mittlerweile sitzen, hat Ulreich nach anfänglichen Schwierigkeiten bewiesen. Erheblichen Anteil daran hat laut Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge Trainer Heynckes: "Mit dem Aufschwung und der Rückkehr von Jupp Heynckes ist er stabiler geworden."

Ulreichs persönlicher Heynckes-Effekt

Dass Rummenigge mit seiner Analyse goldrichtig liegt, beweisen folgende Statistiken: Seit Heynckes’ Rückkehr bekommt Ulreich nur alle 450 Minuten ein Gegentor, unter Carlo Ancelotti geschah das noch alle 72 Minuten. Zum Vergleich: Neuers Wert in der Saison 2016/17 lag bei einem Gegentor alle 180 Minuten.

Des Weiteren wehrt Ulreich unter Heynckes 92,3 Prozent aller Torschüsse ab, vereitelt 66 Prozent der Grosschancen. Neuer lag in der vergangenen Spielzeit bei 79,7 und 30,8 Prozent.

Besonders beeindruckend: Selbst hochgerechnet auf seine gesamte Bayern-Zeit liegt Ulreich (44,4 Prozent) bei den vereitelten Grosschancen vor Neuer (34,5 Prozent).

Anhand dieser Werte könnte man meinen, Heynckes hätte bei Ulreich einen geheimen Knopf gedrückt oder ihm Zaubertrank eingeflösst, doch der Trainer versichert auf der PK in Anderlecht, dass sein "Rezept" völlig banal ist: "Ich habe viel mit Sven gesprochen und habe ihm gesagt, dass ich meinen Spielern Vertrauen schenke, dass er Fehler machen kann und ein sehr guter Torwart ist."

Gespräche über Vertragsverlängerung geplant

Einen "sehr guten Torwart" lässt man ungern ziehen. Wenn Ulreichs Vertrag in München am Saisonende ausläuft, werden die Bosse sicherlich alles tun, um den 29-Jährigen an der Isar zu halten.

Bereits in der Winterpause soll es deshalb Gespräche über eine Vertragsverlängerung geben. Das Ergebnis jedoch ist vollkommen offen.

Vor der laufenden Saison wollte Ulreich eigentlich weg und die Leistungen der vergangenen Wochen könnten ihn in diesem Vorhaben erneut bestärken. Ulreich ist wieder im Schaufenster und definitiv gut genug für den Posten einer Nummer eins.

"Es ist nicht ausgeschlossen, dass ich bleibe. Natürlich ist es schwerer, sich auf die Bank zu setzen, wenn man gespielt hat", wird Ulreich vom "kicker" zitiert. Der Zusatz, dass er sich in München wohl fühle, darf in diesem Zusammenhang als reine Floskel abgetan werden.

Ähnlich wie sein Statement in Anderlecht: "Was im Sommer ist, das ist für mich noch in weiter Ferne, das beschäftigt mich momentan nicht."

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