- Tasmania war 1965 überraschend in die Bundesliga aufgestiegen und ging dann sang- und klanglos unter.
- Schalke 04 könnte bald den Sieglosrekord von Tasmania brechen.
- Der Verein aus Berlin-Neukölln hat seinen Status als "schlechtester Bundesligist aller Zeiten" immer gepflegt.
Im Fussball werden Niederlagen gerne kleingeredet und sportliche Krisen heruntergespielt. Niemand möchte ein Verlierer sein. Bei Tasmania Berlin ist das anders. Der Hauptstadtclub rangiert seit nunmehr über fünf Jahrzehnten auf dem letzten Platz der ewigen Tabelle der Bundesliga und tut das mit Stolz.
In der Saison 1965/66 kam Tasmania überraschend ins deutsche Fussball-Oberhaus, als der Deutsche Fussball-Bund nach einem West-Berliner Vertreter suchte. Hertha BSC war zuvor das Spielrecht entzogen worden, weil bei der Prüfung der Kassenbücher ein Fehlbetrag von fast 200.000 DM festgestellt wurde.
Der DFB beförderte daraufhin Tasmania, damals Drittplatzierter der allenfalls semiprofessionellen Berliner Regionalliga, kurzerhand in die Bundesliga, weil andere Aufstiegskandidaten aus unterschiedlichsten Gründen das Spielrecht nicht erhielten.
An der Ostsee vom Aufstieg erfahren
Nach der Entscheidung des DFB ging alles ganz schnell. "Es war Sommerpause und da verreist natürlich ein Grossteil der Mannschaft", erinnert sich der damalige Kapitän Hans-Günter Becker. "Ich war mit der Familie an der Ostsee in Scharbeutz wie jedes Jahr. Ich komme eines Morgens zum Strand hin und da sagte mein Strandnachbar: 'Sag mal, du bist ja noch hier.'"
Da erfuhr Becker, dass Tasmania in knapp zwei Wochen zum Saisonauftakt der Bundesliga auf dem Rasen stehen musste. Für ihn selbst war das keine leichte Situation. Denn genau wie seine Mannschaftskollegen hatte Becker einen regulären Job – in seinem Fall als Verwaltungsbeamter in Charlottenburg.
Den wollte Becker auch nicht aufgeben, weil er wusste, wie schlecht die Chancen dieser Amateurtruppe standen. "Ich sagte dann, ich könnte meine Volltätigkeit auf Halbtagstätigkeit reduzieren – zumindest für ein Dreivierteljahr", erinnert sich der heute 82-Jährige. "Da fragten die Vereinsoberen: 'Wieso für ein Dreivierteljahr?' Ich sagte ihnen, weil wir die Bundesliga nach einem Spieljahr wieder verlassen werden. Da waren sie natürlich furchtbar enttäuscht."
Tasmania Berlin: Über 80.000 Fans beim ersten Spiel
Genau wie es Becker prophezeite, kam es am Ende auch. Zum Auftakt gegen den Karlsruher SC im August 1965 strömten noch über 81.000 Zuschauer ins Berliner Olympiastadion. Becker hielt zur Eröffnung eine dreiminütige Rede und bat alle Fans um ihre Unterstützung, auch wenn es mal nicht rundlaufen sollte.
Doch nach dem Sieg gegen Karlsruhe folgte Niederlage auf Niederlage. Das Zuschauerinteresse sank rapide. Beim Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach im Januar 1966 kamen nur noch 827 zahlende Gäste, was in der Bundesliga bis zur Corona-Pandemie ein Negativrekord war.
Negativrekorde waren ohnehin das Einzige, das Tasmania in jener Zeit für sich verzeichnen konnte. Die Mannschaft schoss die wenigsten Tore (15), kassierte die meisten Gegentore (108) und blieb die längste Serie am Stück ohne Sieg – genau 31 Spiele.
Der Rekord könnte fallen
Wegen dieses Sieglosrekords ist Tasmania momentan auch wieder im Gespräch. Denn Schalke könnte an diesem Samstag diesen Rekord einstellen und am darauffolgenden Sonntag sogar brechen. Die Königsblauen haben zuletzt am 17. Januar 2020 eine Partie gewonnen und somit bereits 30mal in Folge den Platz sieglos wieder verlassen.
Bei Tasmania wäre niemand glücklich, sollte der Sieglosrekord flöten gehen. "Diese Kultgeschichte ist für uns sehr wichtig – den Negativrekord zu halten. Für uns ist es ein positiver Rekord", sagt der heutige Vereinspräsident Almir Numic. Der Berliner Unternehmer hat vor kurzem den Verein übernommen und leistet starke Aufbauarbeit. Ein wichtiges Pfund bei der Sponsorensuche ist weiterhin der Ruf Tasmanias. "Ich bin noch nicht lange dabei, und mir war überhaupt nicht bewusst, wie bekannt Tasmania ist", erzählt Numic.
Selbst wenn Schalke den Rekord brechen sollte, zumal es die Königsblauen nur saisonübergreifend "schaffen" würden, kann Tasmania noch von weiteren Einträgen im Geschichtsbuch der Bundesliga zehren. Hans-Günter Becker empfindet unterdessen keine Schadenfreude und wünscht den Schalkern eine Rückkehr in die Erfolgsspur.
"Ich würde mich für Schalke freuen, weil ich weiss, dass es sehr, sehr bitter ist, in einer solchen Niederlagenserie zu spielen", sagt Becker. "Deshalb würde ich hoffen, dass Schalke tatsächlich gewinnt – weniger wegen unserem Rekord, sondern weil ich einfach mit Schalke mitfühle. Und ein kleiner Nebeneffekt wäre: Dann könnten die Leute vielleicht im nächsten Jahr wieder anrufen und nach Tasmania fragen. "
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.