Im Bundesliga-Spiel gegen Werder Bremen sitzt Thomas Müller mehr als 70 Minuten auf der Bank - und zeigt sich nach der Partie verärgert. Trotz guter Vorbereitung entscheidet sich Carlo Ancelotti am zweiten Spieltag für den zurückgekehrten Thiago. Wird das Ancelotti-System für Müller zum Verhängnis?

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17 Minuten. So lange stand Thomas Müller beim 2:0-Sieg des FC Bayern München gegen den Werder Bremen auf dem Platz. Ausgerechnet bei seinem Lieblingsgegner, gegen den er noch nie verloren hat.

Der Frust sitzt tief beim Weltmeister. "Ich weiss nicht genau, welche Qualitäten der Trainer sehen will. Meine sind scheinbar nicht hundertprozentig gefragt", sagte er nach dem Spiel dem "Bayerischen Rundfunk".

Statt auf Thomas Müller setzte Ancelotti auf Rückkehrer Thiago, der sich Mitte Juli eine Wadenverletzung zugezogen hatte.

Wenn alle Spieler fit sind, stehen dem Italiener im zentralen und offensiven Mittelfeld Arturo Vidal, Kingsley Coman und die Neuzugänge Corentin Tolisso und James Rodriguez zur Verfügung.

Wird Müller, dem Urgestein des FC Bayern, das System Carlo Ancelottis zum Verhängnis?

Auf welcher Position spielt Thomas Müller?

Bereits vergangene Saison spielte der 27-Jährige wettbewerbsübergreifend "nur" 3004 Minuten. In der Spielzeit 2015/16 waren es unter Pep Guardiola etwa 3800 Minuten.

Weshalb Müller gegen Werder nicht in der Startelf stand? "Das war eine rein taktische Entscheidung. Wir wollten den gesamten Raum des Spielfeldes ausnutzen", sagte Ancelotti hinterher und fügte hinzu: "Nach seiner Einwechslung hat er das richtig gut gemacht."

Fest steht: Eine klar definierte Position hat Müller nicht. In den Vorbereitungsspielen lief er hinter Mittelstürmer Robert Lewandowski auf, deckte die Räume bis zu den Flügelspielern ab, agierte weit vorne - eine Mischung aus zentraler Position auf der Zehn und hängender Spitze.

Müllers flexibles Spiel "unter Ancelotti nicht gefragt"

Lothar Matthäus nennt Müller im "kicker" einen "Freigeist" ohne genaue Position. "Müller ist kein Siebener, kein Neuner, kein Zehner. Er ist alles und zwischendrin."

Darin liege Ancelottis Problem mit Müller: "Carlo Ancelotti denkt und handelt streng positionsbezogen." Nach dem Motto: Lieber auf einer Position richtig gut, als einer, der alles kann.

James, Ancelottis Liebling aus Real-Madrid-Zeiten, und Thiago passen folglich besser in die Strategie des Trainers.

Auch Ex-Bayern-Profi Thomas Strunz erklärte im "Sport1-Doppelpass": "Müller scheint zum ersten Mal in seiner Karriere das Gefühl zu haben, dass der Trainer seine Qualitäten nicht braucht. Das überraschende und flexible Positionsspiel, das Thomas auszeichnet, ist unter Carlo Ancelotti nicht gefragt."

Verliert der FC Bayern seinen letzten Bajuwaren?

Ist der nächste logische Schritt ein Wechsel? Sicher ist: Verlässt der begehrte Müller den FC Bayern München, dann wechselt ein Ur-Bayer den Klub.

Nach Philipp Lahms Karriereende ist der Nationalspieler das einzige verbliebene "Gesicht" des FC Bayern in der Mannschaft. Matthias Sammer nannte ihn einst bei "Eurosport" "die Seele und die Zukunft des FC Bayern".

Diese Einstellung bekräftigt er gegenüber dem TV-Sender nach dem Werder-Spiel: "Man muss bei Thomas die Lebensleistung sehen. Er ist Weltmeister, Champions-League-Sieger, deutscher Meister, Pokalsieger. Das ist aktuell der Widerspruch, den man in einem Verein mit Identifikationsfiguren immer sehen muss."

Zusammen mit Franck Ribéry und Arjen Robben ist der aus Weilheim stammende Fussballprofi der dienstälteste Spieler im Kader. Die nachrückende Generation um Süle, Kimmich, Coman und Tolisso wurde in anderen Vereinen ausgebildet.

Mit Müllers Wechsel würde ein grosses Stück - an der Säbener Strasse so gross geschriebene - bayerische Tradition wegbrechen. Uli Hoeness und Karl-Heinz Rummenigge überlegen sich einen solchen Schritt sicher gut.

Salihamidzic: "Wissen, was wir an ihm haben"

Um keine Wechselgedanken entstehen zu lassen, braucht Müller "einen Trainer, der ihn in seiner Elf haben will, dann wird er ihn nicht enttäuschen", bringt es Matthäus im "kicker" auf den Punkt.

Daran hat der neue Sportdirektor Hasan Salihamidzic keine Zweifel: "Wir haben viele Spiele diese Saison und wir wissen, was wir an Thomas haben."

Vielleicht fällt das auch Ancelotti wieder ein? Schliesslich musste der Bayern-Trainer nach dem mühevollen Bremen-Sieg zugeben: "Wir haben eine Stunde lang Probleme gehabt, die nötigen Freiräume zu finden."

Müller kam ins Spiel und war prompt am 2:0 durch Robert Lewandowski beteiligt. Braucht es den Freigeist, der die Räume findet, vielleicht doch? "Das Thema wird weiter interessant bleiben", sagt Matthias Sammer - und dürfte damit Recht haben.

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