Die Länderspielpause hat die Wogen in der Debatte um die Zukunft von Thomas Müller ein wenig geglättet. Ungewöhnlich öffentlich waren der Publikumsliebling und sein Trainer Niko Kovac zuvor aneinandergeraten. Sogar von einem Abschied im Winter war in manchen Medien die Rede. Müller selbst wählte dabei den Weg über die Öffentlichkeit und bekannte ungewöhnlich offen: "Wenn das Trainerteam mich in Zukunft nur noch in der Rolle des Ersatzspielers sieht, muss ich mir meine Gedanken machen. Dafür bin ich einfach zu ehrgeizig.“

Steffen Meyer
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Steffen Meyer dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

"Müller spielt immer“ – so lautete der legendäre Satz von Louis van Gaal. Dieser Satz gilt in München schon lange nicht mehr. Es ist eine neue Situation für den Champions-League-Sieger und Weltmeister. Normalerweise kommt es vor allem bei den Münchner Anhängern überhaupt nicht gut an, wenn ein Bayern-Profi öffentlich mehr Einsatzzeiten fordert. Doch Müllers Standing im Club und bei den Anhängern ist eben ein besonderes – wohl auch deshalb zeigen derzeit viele Verständnis für seinen Unmut uns seine schwierige Situation.

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Chance für Thomas Müller gegen FC Augsburg?

Dass Niko Kovac' Wortwahl ("Wenn Not am Mann sein sollte, wird er mit Sicherheit auch seine Minuten bekommen“) alles andere als geschickt war, wird er mittlerweile selbst wissen. Doch es ist vor allem Müller, der in den kommenden Wochen unter Druck steht. Kovac wird ihm schon bald Bewährungschancen geben. Vielleicht schon am Wochenende gegen den FC Augsburg. Konkurrent Philippe Coutinho kommt mit ordentlich Reisestrapazen zurück aus Südamerika. Vieles spricht also dafür, dass Müller nach längerer Zeit mal wieder von Anfang an ran darf. Doch dann muss er liefern.

In der Tat hat Müllers aktuelle Bank-Rolle sehr viel mit Neuzugang Coutinho zu tun. Der Brasilianer war der Königstransfer des Sommers. Es ist nur logisch, dass Kovac ihm viel Spielzeit verschafft, um sich ans Team zu gewöhnen.

Coutinho und Müller könnten vom Spielertyp unterschiedlicher kaum sein, obwohl sich beide auf der 10 besonders wohlfühlen. Coutinho ist klein und wendig, Müller ist gross und drahtig. Coutinho ist ein Techniker, ein Ballstreichler – mit wenig weiten Läufen und viel Klein-Klein. Müller ist dagegen als Raumdeuter zur Legende geworden. Er sucht sich seine Räume selbst und überrascht damit immer wieder Gegner und Mitspieler. Er läuft viel und ist ein echter Unruheherd in Strafraumnähe. Im allerbesten besten Sinne.

Müller verunsichert die gegnerische Hintermannschaft durch schwer berechenbaren Positionierungen. Er hält seine Füsse dorthin, wo keiner damit rechnet, und er hat immer den Kopf oben in Richtung Tor, falls sich irgendwo eine Chance auftut. Einen speziellen Spieler wie Müller findet man nicht häufig.

Als Joker ziemlich wertvoll

Coutinho hat bisher nicht restlos überzeugt. Er spielte gut, wenn das Team insgesamt gut spielte. Und schwächer, wenn das Team schwach spielte. Von einem, der den Unterschied machen soll, darf man durchaus noch ein Stück mehr erwarten. Doch seine Anpassung ist weiter in vollem Gange und Kovac hat ein klares Interesse seinen Zehner dauerhaft einzubinden.

Lange Zeit hat Müller davon profitiert, dass er auf allen vier Offensivpositionen einsetzbar ist. Doch Kovac setzt aktuell auf dribbelstärkere Flügelspieler und Lewandowski ist einfach nie verletzt. Für Müller sind die Optionen deshalb eingeschränkt. Und der 30-Jährige hat noch ein "Problem“. Er ist ein ziemlich perfekter Einwechselspieler, der kaum Anpassungszeit benötigt. Zu sehen zum Beispiel bei der 1:2-Niederlage gegen Hoffenheim als Müller in gerade mal 30 Minuten mit drei Torschussbeteiligungen und einem Assist mehr Torgefahr ausstrahlte als die gesamte Offensive über weite Strecken der 60 Minuten zuvor. Kein Wunder also, dass Kovac sich mit dieser Option von der Bank durchaus wohlfühlt.

Wenig Rotation ein Grund für Unmut

Insgesamt zeigt die Debatte der letzten Tage jedoch auch, dass die Rotation des Bayern-Coaches noch nicht ausgereift ist. Eigentlich sollte der verhältnismässig kleine Kader dafür sorgen, dass Unmut und Unzufriedenheit klein gehalten werden. Doch Kovac tauscht meist nur verletzungsbedingt durch und ist noch auf der Suche nach einer stabilen Formation. Die erste Saisonniederlage gegen Hoffenheim wird diesen Trend möglicherweise noch verstärken.

Für Thomas Müller brechen so oder so wichtige Wochen an. Er hat sich mit seinen öffentlichen Aussagen recht weit aus dem Fenster gelehnt. Jetzt muss er diesen Worten auf dem Platz Taten folgen lassen. Wenn er eine Chance von Anfang an bekommt, muss er da sein. Denn der FC Bayern braucht einen Unruheherd auf dem Platz, nicht daneben.

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