Im kommenden Jahr will die Bundesliga die TV-Rechte für die Jahre 2025 bis 2029 vergeben. Die Situation auf dem deutschen Markt ist allerdings kompliziert, die Sender teilweise angeschlagen. Wir haben uns mit Sebastian Uhrich vom Institut für Sportökonomie und Sportmanagement an der Sporthochschule in Köln über die schwierige Situation unterhalten.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Andreas Reiners sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfliessen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Die Bundesliga nähert sich mit schnellen Schritten einem Scheideweg. Nachdem der milliardenschwere Investorendeal zuletzt geplatzt ist, werden 2024 die TV-Rechte für die Jahre 2025 bis 2029 vergeben. Eine wichtige Einnahmequelle für die Liga, die Erlöse machen in der Vermarktung rund 65 Prozent aus, dazu sind die Ergebnisse auch weitreichend.

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Doch die aktuellen Rechteinhaber Sky und DAZN haben mit Problemen zu kämpfen, stehen vor einem Umbruch und der Frage der Rentabilität ihres Pay-TV-Konzepts. Und damit steht wiederum die Liga vor einer teilweise ungewissen Zukunft, vor einem echten Dilemma.

Für die letzte Rechte-Periode kassierte die Liga 4,4 Milliarden Euro, also 1,1 Milliarden pro Saison. Doch eine Steigerung ist nicht mehr zu erwarten, eher ist mit einem erneuten Rückgang zu rechnen.

"Bei den TV-Rechten sehen wir die Grenze", sagt Sebastian Uhrich vom Institut für Sportökonomie und Sportmanagement an der Sporthochschule in Köln im Gespräch mit unserer Redaktion: "Die Marktsättigung scheint erreicht zu sein, auf dem deutschen Markt kann man mit den TV-Rechten nicht so viel Geld verdienen, wie es einige hoffen."

Der neue DFL-Geschäftsführer Steffen Merkel gibt zu, dass man" für die Ausschreibung nicht das allereinfachste Marktumfeld" vorfindet: "Bei einigen Partnern gibt es personelle, organisatorische, strukturelle Neuordnungen, die ein Jahr vor der Ausschreibung noch nicht komplett absehbar sind für uns."

Investorendeal wäre nötig gewesen

Der Investorendeal, der bei den 36 Klubs aus Bundesliga und 2. Bundesliga nicht die nötige Mehrheit fand, hängt der Liga nach, womöglich noch Jahre. Mit den kolportierten zwei Milliarden Euro sollte unter anderem der sportliche Rückstand zur Premier League verkürzt werden.

"Selbst wenn die TV-Rechte jetzt wider Erwarten besonders gut verkauft werden würden, würde das Loch, das dieser geplatzte Investorendeal hinterlassen hat, nicht gestopft werden", sagt Uhrich. Die Bundesliga sei längst ein Medienunternehmen, das im globalen Unterhaltungsmarkt mitspielen wolle, erläutert der Experte: "Und wenn man das will und seine Konkurrenz in der Premier League sieht, dann wäre ein Investorendeal notwendig, um mitspielen zu können."

Stattdessen ist der heimische TV-Markt nicht nur gesättigt, sondern auch angeschlagen und kompliziert. Die Fans sind anspruchsvoll, ein wenig eigen, in grossen Teilen konservativ, was die Aufbereitung und den Zugang angeht. Denn während in anderen Ländern die Zuschauer bereit sind, hohe Preise für Live-Fussball zu zahlen, herrscht in Deutschland eine "Kostenlos-Mentalität, und es dauert Ewigkeiten, das aus den Köpfen zu bekommen. Der Konsument ist es gewohnt, Sportereignisse kostenlos gezeigt zu bekommen und tut sich deswegen schwer, plötzlich Geld zu bezahlen", sagt Uhrich.

Ausserdem sind die Zuschauer in Deutschland in einem Markt mit mehreren Anbietern, "in dem sich ständig die Preise ändern. Dass ich, wenn ich alle Spiele sehen will, drei, vier Abos brauche - das verschärft das Problem", erklärt Uhrich.

Immerhin: Für die neue Rechte-Periode sieht die DFL - sofern kartellrechtlich gestattet - laut dem Branchenmagazin Spobis vor, die Übertragungsrechte aller Erstliga-Partien wieder an nur einen Sender zu verkaufen.

Barrieren bei den Konsumenten

Trotzdem: Die grundsätzlichen Barrieren der Konsumenten, ein Abo abzuschliessen und Geld zu bezahlen, sind da. "Die Situation in Deutschland wird sich auch nicht über Nacht grundlegend ändern", sagt Uhrich. Er sagt aber auch: Perspektivisch werde sich auch der deutsche Markt ein bisschen mehr daran gewöhnen, dass man für ein Sport-Unterhaltungsprodukt zahlen müsse: "Aus Sicht der Pay-TV-Sender ist die aktuelle Situation sicherlich in gewisser Weise alarmierend." In Italien stockt das Verfahren, weil DAZN und Sky sich angeblich beim Bieten zurückhalten.

In Deutschland hält sich hartnäckig das Gerücht, ProSiebenSat.1 könnte den angeblich angeschlagenen Sender Sky übernehmen, in welcher Form auch immer. "Letztlich ist den Konsumenten egal, wer der Eigentümer ist. Er schaut sich an, was er bekommt und was er dafür zahlen muss", sagt Uhrich. Ob es - wenn man über das Format spekuliert - bei den Fans besser ankommt, die Inhalte über Werbung zu finanzieren, ist die Frage. "Dann haben wir Sendungen über drei Stunden, von denen anderthalb Stunden Werbung sind", sagt Uhrich.

Was bietet der internationale Markt?

Ein Topf, der der Bundesliga allerdings noch finanzielles Entfaltungspotenzial bietet, ist der internationale Markt. Ein Schwachpunkt der Liga ist seit Jahren die Auslandsvermarktung; vor allem in diesem Bereich hängt man Konkurrenten wie der Premier League meilenweit hinterher.

Was vor allem auch an fehlenden Flagschiffen neben dem FC Bayern und Borussia Dortmund liegt, oder an zu wenigen internationalen Superstars. Medienberichten zufolge soll Apple ein Gesprächspartner für den US-Markt sein. "Doch der US-amerikanische Sport-Markt ist keiner, der darauf wartet, dass es neue Angebote gibt. Ich sehe daher nicht, wie man dort drastische Steigerungen erreichen will", sagt Uhrich, der eher im asiatischen Markt Potenziale sieht.

Und die Möglichkeit, dass Apple gar auf dem deutschen Markt einsteigt? Einem Bericht der "Bild" zufolge soll die DFL auf einen Einstieg der Schwergewichte wie Apple oder Amazon hoffen. Das Problem: Auch der US-Gigant kann nicht zaubern.

"Sie werden für die Bundesliga auch nur dann viel Geld bezahlen, wenn sie davon überzeugt sind, dass sich die Liga international wirklich gut vermarkten lässt. Ich wüsste nicht, welchen Hebel Apple sieht, den die DFL und andere Auslandsvermarkter bis jetzt noch nicht gesehen haben. Insofern kann ich mir nicht vorstellen, dass es eine Revolution gibt", sagt Uhrich. Auch eine eigene Streamingplattform der DFL scheint aufgrund der Kosten eher unwahrscheinlich.

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Zahlreiche Hindernisse

Ein weiteres Hindernis für Neueinsteiger sind die deutsche Fussball-Mentalität, das Selbstverständnis der Fans, die etablierten Traditionen. Denn Apple werde für einen Einstieg "eine ganze Menge Mitspracherechte und vermutlich viele Dinge und Formate ändern wollen, um das Produkt auch ausländischen und jüngeren Zielgruppen attraktiver auszugestalten", sagt Uhrich.

Da rund um die Liga die Stimmen der Traditionalisten noch eine relativ grosse Bedeutung haben im Vergleich zu anderen Ländern und Ligen, herrscht auch hier Konflikt-Potenzial. Der jüngst geplatzte Investoren-Deal zeigt gut, dass die Bundesliga für grosse Revolutionen und Neuerungen noch nicht bereit ist.

Bundesliga vor einer Gratwanderung

Was bedeutet das für die Zukunft? "Die Bundesliga muss sich nicht einfach nur neu erfinden, sondern muss eine Gratwanderung gehen", sagt Uhrich. Sie muss Fragen beantworten wie: Wie können wir relevant, wie können wir gut, wie können wir ein spannendes Unterhaltungs-Produkt bleiben? Denn im Moment sind Teile des Fussballs "völlig verzerrt durch ökonomisch völlig irrational handelnde Akteure wie Saudi-Arabien".

Bedeutet konkret: Auf der einen Seite muss die Bundesliga ihre bisherigen starken Zielgruppen bei Laune halten. Auf der anderen Seite aber muss sie parallel und möglichst so, dass es nicht so aussieht, als würde man die Liga auf links drehen, die Zielgruppen von morgen begeistern.

Wie das gehen kann? Man müsse begleitend Angebote schaffen über eSports, über neue digitale Formate, über Dokumentationen, sagt Uhrich. Der 15-Jährige von heute setze sich nicht nur 90 Minuten ins Stadion und schaue dem Ball hinterher, "der möchte ein anderes Produkt sehen", betont der Experte: "Die Inhalte müssen kürzer, es muss interessanter, es muss actionreicher, es muss digitaler werden." Damit die Bundesliga am Scheideweg auch die richtige Richtung einschlägt.

Über den Experten: Prof. Dr. Sebastian Uhrich lehrt am Institut für Sportökonomie und Sportmanagement an der Sporthochschule in Köln. Unter anderem forscht er zum Thema Sportmarketing, insbesondere zum Sportkonsumentenverhalten.

Verwendete Quellen:

  • Bild.de: Bundesliga bald auf komplett neuem Sender?
  • Spobis.com: Ausschreibung der Bundesliga-Medienrechte: So plant die DFL den Milliarden-Pitch
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