Sechs gelbe Karten in neun Bundesligaspielen: Der Mainzer Dominik Kohr spielt in der Bundesliga foultechnisch immer hart an der Grenze. Oder vielleicht sogar darüber?
Ob Dominik Kohr jemals eine Saison mit 34 Spielen bestreiten wird? Wahrscheinlich nicht. Und das liegt nicht etwa an Verletzungspech oder fehlender Fitness, sondern an den Fouls des Mainzers. Gelb- und Gelb-Rot-Sperren gehören zum Fussballalltag von Kohr wie die Länderspielpausen. In der vergangenen Saison pausierte der Mainzer zweimal wegen Gelb und einmal wegen einer Gelb-Roten Karte. In dieser Saison gab es schon nach sechs Spielen die erste erzwungene Pause. Ganze drei Ligaspiele überstand Kohr bislang ohne Verwarnung.
Lange Zeit lief Kohr mit seinem harten Spiel unter dem Radar. Spieler wie ihn, zu van Bommels Zeiten wurden sie "Aggressive Leader" getauft, gibt es in der Bundesliga häufig. In der guten, alten Zeit gehörte es fast zum guten Ton, den Ausnahmekönnern mit einem früh gesetzten Foul im Spiel zu zeigen, dass mit rein technischer Überlegenheit hier nichts zu holen sein würde. Und Bayer 04 Leverkusen gewann die Meisterschaft in der vergangenen Saison auch deshalb, weil mit
Derartige Spielertypen sorgen nicht für die Szenen, die am Ende in der Spielzusammenfassung gezeigt werden. Sie sind Abräumer, die den spielerisch starken Mittelfeldakteuren den Rücken freihalten und da sind, wenn eine Angriffsaktion nach hinten losgeht. Die Vereine schätzen ihre Präsenz im Zweikampf und ihre Bereitschaft, auch mal ein Zeichen zu setzen, wenn es sein muss. Dass es dabei zu einigen Fouls und Gelben Karten kommt, ist normal. Die besten von ihnen wissen genau, wie hart das Foul sein darf und wie viel sie sich noch leisten dürfen, wenn sie einmal verwarnt wurden.
Auch Kohr hat in seiner Bundesligakarriere, die ihn ab 2012 von Bayer Leverkusen über Augsburg und Frankfurt nach Mainz führte, nur einmal einen Platzverweis erhalten. Fünfmal musste er mit Gelb-Rot vom Platz, dem gegenüber stehen beachtliche 94 Verwarnungen. Damit fehlen ihm nur noch 20, um den langjährigen Rekord von
Kohr könnte Effenberg einholen
Kohr hat sich in der laufenden Bundesliga-Saison fast genauso einen Namen gemacht wie der aktuelle Rekordhalter - aber nicht unbedingt einen guten. Denn das Spiel des 30-Jährigen überschreitet die Grenzen der Fairness in dieser Saison immer häufiger, mit Konsequenzen für seine Gegenspieler. Samuel Essende vom FC Augsburg provozierte er mit einem Ellbogenschlag gegen den Kopf zu einer Roten Karte - Kohr selbst kam ohne Verwarnung davon. Gegen Heidenheim griff er seinem Gegenspieler in den Schritt. Und St. Paulis Schlüsselspieler Elias Saad grätschte Kohr mit einer harten Attacke kurz vor Spielschluss in eine mehrwöchige Verletzungspause. Viele fragen sich mittlerweile: Wann werden Kohr endlich die Grenzen aufgezeigt?
Das Fass zum Überlaufen brachte dann wohl die DFB-Pokal-Partie gegen den FC Bayern München, vor Millionen von Live-Zuschauern. Mit hoher Geschwindigkeit rauschte der 30-Jährige dabei in Gegenspieler Jamal Musiala hinein und kam mit Gelb davon. Trotzdem beschwerte er sich danach vehement über die Leistung des Schiedsrichters. "Der Schiedsrichter hatte ein Bayern-Trikot an. Das muss man auch mal kritisieren", tobte der Mittelfeldspieler über Schiedsrichter Sascha Stegemann. Viele sahen das nach Kohrs harter Attacke anders.
"Hard-Kohr" spaltet die Gemüter
Den Spitznamen "Hard-Kohr" hat sich der Mainzer, der aus einer echten Fussballerfamilie kommt (Vater Harald und Schwester Karoline spielten ebenfalls Bundesliga), bereits erarbeitet. Man müsse seine Gegenspieler vor Kohr schützen, argumentierte die "Süddeutsche Zeitung" nach der Verletzung von Saad sogar schon. Die Mainzer halten naturgemäss dagegen: "Ein brutaler Treter ist er nicht", sagte der Mainzer Sportvorstand Christian Heidel im Gespräch mit der "FAZ". Nachdenklicher äusserte sich Trainer Bo Henriksen. Ein fantastischer Spieler sei Kohr, der aber manchmal etwas klüger spielen müsse.
Es ist die Frage, ob und wie viel man von Kohrs Spiel noch als gesunde Härte durchgehen lassen kann. Seine Spielweise ist körperbetont und gemein - beides gehört zum Fussball gewissermassen dazu. Aber Kohr sollte aufpassen, dass er seinen Einsatz für die Mannschaft nicht übertreibt. Alleine schon deshalb, weil die Schiedsrichter jetzt wahrscheinlich ein Auge auf ihn haben werden.
Verwendete Quellen:
- sueddeutsche.de: Gegenspieler müssen vor Dominik Kohr beschützt werden
- FAZ.de: Gelbe Karten pflastern seinen Weg
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