Hannover 96 und der VfB Stuttgart müssen für die 2. Bundesliga planen. Eintracht Frankfurt könnte in der Relegation das gleiche Schicksal ereilen. Viele Traditionsvereine stecken in der Krise. Gründe dafür gibt es reichlich.

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Es ist noch gar nicht so lange her, da mischten die in dieser Saison letzten drei der Bundesliga ganz oben mit. Der VfB Stuttgart wurde 2007 Deutscher Meister. Hannover erreichte vor drei Jahren das Viertelfinale in der Europa League. Frankfurt war in der Saison 2013/2014 noch international vertreten.

Die genannten Vereine haben einen klangvollen Namen, eine tolle Geschichte und viele Fans. Doch nützt das wenig, wenn über mehrere Jahre falsche Entscheidungen getroffen werden.

Beispiel Stuttgart: Seit drei Jahren steckt der VfB im Abstiegskampf. Sport-Vorstand Robin Dutt wurde im Januar 2015 installiert und sollte den Verein in eine bessere Zukunft führen, lag mit seinen Trainerentscheidungen jedoch völlig daneben.

Auf den Abwehr-Fanatiker Huub Stevens liess er Offensiv-Trainer Alexander Zorniger folgen, um dann Nachwuchs-Coach Jürgen Kramny das Vertrauen zu schenken - am Sonntag wurde dieser zurück in die zweite Mannschaft geschickt. Dabei ist Kramny nicht der Hauptschuldige.

Fehlerhafte Transferpolitik beim VfB Stuttgart

Aufgrund zweifelhafter Transfers hat sich der VfB selbst in Not gebracht. Mit Antonio Rüdiger wurde zum Beispiel der beste Abwehrspieler weggegeben. Ersatzmann Toni Sunjic war ein Fehlgriff. Die Folge: Stuttgart kassierte die meisten Gegentore der Liga (75), die meisten Kontertore (14), schoss zudem die meisten Eigentore (6). Dutt muss aktuell um seinen Job zittern. Präsident Bernd Wahler ist bereits zurückgetreten.

Auf den ersten Blick scheint der Kader des VfB gut besetzt zu sein. Laut "transfermarkt.de" beträgt der Marktwert 77,73 Millionen Euro - der achthöchste Wert der Liga. Das lässt ein Mentalitätsproblem vermuten. "Nach einem Hoch nimmt sich das Team zurück", sagt Ex-Profi Maurizio Gaudino in der "Sport Bild".

Tatsächlich gaben die Profis zuletzt kein gutes Bild ab. Und das nicht nur wegen der sechs Niederlagen hintereinander. Daniel Didavi unterschrieb während des Abstiegskampfs beim VfL Wolfsburg. Martin Harnik gönnte sich einen extravaganten Porsche. Da fragt sich mancher Fan: Wo sind die Spieler mit ihren Gedanken?

Hannover 96: Kaderplanung ohne Fortune

Hausgemacht ist auch die Krise von Hannover 96. Obwohl vor einem Jahr bereits klar war, dass Manager Dirk Dufner Hannover verlässt, durfte er noch die Kaderplanung für die neue Saison machen - und tat das ohne besondere Fortune.

Experten erkannten schnell, dass der Kader kaum Bundesligaformat hat. Im Winter gab es panische Neuverpflichtungen von Spielern wie Adam Szalai und Hugo Almeida. Es kamen also Stürmer, die einmal einen grossen Namen hatten, aber seit Jahren ihrer Form hinterherlaufen.

Es überraschte wenig, dass sie beim wankenden Hannover 96 nicht plötzlich zur Top-Form fanden. Das Trainer-Missverständnis Thomas Schaaf machte den Abstieg perfekt.

Auch Eintracht Frankfurt hatte sich in der Trainerfrage ungeschickt angestellt. Letzte Saison landeten sie auf einem ordentlichen neunten Platz. Danach trat der Trainer zurück. Interne Streitigkeiten sollen der Grund gewesen sein.

Nachfolger Armin Veh genoss aufgrund des Aufstiegs 2012 und der Europa-League-Qualifikation 2013 einen ausgezeichneten Ruf in Frankfurt. Doch fand er keinen Weg, das Team aus dem Tabellenkeller zu holen. Nachfolger Niko Kovac gelang es immerhin, Kampfgeist zu vermitteln und die Eintracht zu einem der laufstärksten Bundesligisten zu machen. Nun geht es in die Relegation gegen den 1. FC Nürnberg.

Stuttgart, Hannover und Frankfurt sind nicht die einzigen kriselnden Traditionsvereine. Werder Bremen hat den Klassenerhalt erst in der 88. Minute des 34. Spieltags perfekt gemacht. Der Hamburger SV musste 2014 und 2015 in die Relegation und rettete sich nur mit viel Glück.

Viele Traditionsvereine werden verdrängt. Und das nicht nur von Vereinen, die wie der VfL Wolfsburg oder Bayer 04 Leverkusen ein grosses Unternehmen hinter sich haben. Auch die vermeintlich "Kleinen" wie der 1. FSV Mainz 05 oder der FC Augsburg sind zu einer Gefahr geworden.

Die "Kleinen" können ohne Druck aufspielen

Trainer Martin Schmidt, der sich mit Mainz für die Europa League qualifiziert hat, führte im ZDF den Erfolg darauf zurück, dass "wir ruhiger arbeiten können. Bei den grossen Klubs kann der Druck der Tradition oft zur Last werden."

Was er damit meinen dürfte: Fans und Medien erwarten von den Traditionsvereinen Erfolg. Bleibt dieser aus, wird ein Umbruch gefordert - gerne auch jährlich. So kommt es, dass sich Trainer und Sportdirektoren die Türklinke in die Hand geben. Jeder kommt mit einem neuen Konzept daher, will den schnellen Erfolg. Eine langfristige Kaderplanung ist unmöglich.

Landet ein Traditionsverein dann aufgrund des unausgewogenen Kaders im Tabellenkeller, liegen die Nerven blank. Während ein Abstieg bei kleinen Vereinen einkalkuliert ist, gleicht er bei Traditionsvereinen einem Weltuntergang. Fans gehen auf die Barrikaden, stürmen den Platz oder blockieren den Mannschaftsbus. Es herrscht die nackte Angst.

Es scheint nicht viele Auswege aus der Misere der Traditionsvereine zu geben. Manche versuchen es mit Investoren, wie zum Beispiel der Hamburger SV, der laut Medienberichten auf 50 Millionen Euro von Milliardär Klaus-Michael Kühne hoffen darf.

Zudem haben sich sechs Traditionsvereine zum sogenannten "Team Marktwert" zusammengeschlossen. Ein grösserer Anteil aus den Fernseheinnahmen ist das Ziel. Problem ist nur: Selbst wenn mehr Geld auf das Konto gelangt, müssen die Verantwortlichen damit vernünftig umgehen. Genau das fiel den Traditionsvereinen zuletzt schwer.

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