Der FC Bayern hat mit der Verpflichtung von Schalke-Torwart Alexander Nübel viele überrascht. Der 23-Jährige soll mittelfristig Manuel Neuer im Bayern-Tor beerben. Auf dem Papier ein guter Plan. Aber nicht immer ging so etwas gut, wie die Bayern-Historie zeigt.

Steffen Meyer
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Steffen Meyer dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Der FC Bayern hat eine grosse Torwarttradition: Sepp Maier, Oliver Kahn, Manuel Neuer. Jede goldene Ära des Vereins ist eng mit einer Nummer eins im Tor verknüpft. Ohnehin ist es bemerkenswert, wie viel Stabilität es in den vergangenen Jahrzehnten im Münchner Kasten gab.

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Mit Sepp Maier, Walter Junghans, Jean-Marie Pfaff, Raimond Aumann, Oliver Kahn, Michael Rensing, Hans Jörg Butt, Thomas Kraft und Manuel Neuer gab es in über 50 Jahren Bundesliga gerade einmal neun echte Stammtorhüter. Kraft und Rensing hüteten dabei nicht ein mal eine volle Saison das Münchner Tor.

Im Grundsatz ist die Nübel-Verpflichtung aus Münchner Sicht absolut nachvollziehbar. Neuer hat gerade seinen Vertrag bis 2023 verlängert. Damit ist das Ende seiner Karriere in München langsam absehbar. Neuer ist dann 37. Als Torhüter ist es zwar möglich, auch mit über 40 noch auf hohem Niveau zu spielen, wie Gigi Buffon zuletzt zeigte, doch 2023 könnte ein guter Moment für einen Übergang sein.

Mit Nübel bindet der Rekordmeister den wohl besten deutschen Nachwuchstorwart an sich. 2023 ist er 26. Bis dahin soll er eine starke Nummer 2 werden, ehe er für Neuer übernimmt. So weit der Plan auf dem Papier.

Dass Nübel nach viel Kritik an seinen Wechselplänen und einigen schwächeren Spielen seinen Stammplatz im Schalker Tor verlor, zeigt, dass es einen Unterschied gibt, Pläne auf dem Reissbrett zu entwerfen und sie dann auch in die Realität umzusetzen. Kolportierte Einsatzgarantien in München sorgten zudem für Stunk mit dem Neuer-Lager. Alles ganz schön holprig. Und das nicht zum ersten Mal, wie ein Blick in die bayerische Torwarthistorie zeigt.

Der erzwungene Generationswechsel von Maier zu Junghans

Seit dem Aufstieg des FC Bayern in die Bundesliga Mitte der 60er-Jahre war Sepp Maier die grosse Konstante im Bayern-Gehäuse. Gerade einmal drei Spiele verpasste er zwischen 1965 und 1979. Dann beendete ein schwerer Verkehrsunfall jäh die Karriere des langjährigen deutschen Nationaltorhüters.

Zwei Jahre zuvor war der junge Walter Junghans verpflichtet worden, um Maier über kurz oder lang zu beerben. Mit 20 Jahren stand er nun auf einmal im Rampenlicht und übernahm zunächst die Stammtorhüter-Rolle. Schnell wurde ihm der erfahrene Manfred Müller zur Seite gestellt, der in den Folgejahren eine Reihe von Spielen machen durfte. Die langfristige Antwort waren beide jedoch nicht.

Pfaff und Aumann kabbeln sich

1982 wurde Junghans zum FC Schalke 04 abgegeben und der belgische Weltklasse-Mann Jean-Marie Pfaff verpflichtet. Pfaff wurde zunächst als würdiger Nachfolger von Sepp Maier gefeiert und holte mit den Münchnern eine Reihe von Titeln. 1987 wurde er sogar Welttorhüter des Jahres.

Doch ein Jahr später war für ihn Schluss in München. Das junge bayerische Urgestein Raimond Aumann kratzte an Pfaffs Thron. Als sich der Belgier verletzte, überzeugte Aumann und verlor das Tor zwischenzeitlich nur wegen einer eigenen Verletzung wieder.

Der harte Konkurrenzkampf zwischen den beiden unterschiedlichen Charaktere ist bis heute legendär. Eine schallende Ohrfeige von Platzhirsch Pfaff gegen den aufstrebenden Aumann – wie sie von vielen Medien kolportiert wurde - wird von beiden aber bis heute nicht wirklich bestätigt.

Die Ankunft des Titanen

Aumann übernahm 1988 endgültig das Tor und war lange unangetastet. Er war bei den Fans sehr beliebt, weshalb die Ankunft von Deutschlands damaliger Nummer drei Oliver Kahn 1994 mit Argwohn beäugt wurde. Kahn war damals mit knapp unter fünf Millionen Mark Ablösesumme der bis dato teuerste Transfer eines Schlussmanns.

Aumann flüchtete als frischgebackener Deutscher Meister mit gerade einmal 29 Jahren in die Türkei und beendete schon ein Jahr später seine Karriere. Bis heute ist er dem Verein trotz des erzwungenen Abgangs in unterschiedlichen Positionen eng verbunden geblieben; aktuell als Direktor der Fanbetreuung.

Zu grosse Fussstapfen für Rensing

Zum Ende der Ära Kahn entstand eine ähnliche Situation, wie sie jetzt mit Nübel und Neuer entstehen könnte. Michael Rensing sollte behutsam als Kahn-Nachfolger aufgebaut werden. Jahrelang trainierten beide Mitte der 2000er gemeinsam und Rensing sprang ein, wenn Kahn mit kleineren Wehwehchen fehlte.

Als 2008 dann Rensings Zeit gekommen war, ging der Plan nicht auf. Unter dem neuen Coach Jürgen Klinsmann schlitterte der Verein in eine schwere Krise. Nach dem legendären 1:5 gegen den späteren Meister Wolfsburg nahm Klinsmann Rensing nach nur wenigen Monaten aus dem Tor und ersetzte ihn durch Hans Jörg Butt. Kahns Fussstapfen waren einfach zu gross für Rensing, der trotz einer erneuten Chance unter Louis van Gaal nicht mehr dauerhaft ins Bayern-Tor zurückkehrte.

Der Übergang zu Manuel Neuer

Louis van Gaals Abgang war unterdessen eng mit der Verpflichtung von Butts Nachfolger Manuel Neuer verknüpft. Über Monate war in der Saison 2010/11 spekuliert worden, dass der Nationaltorwart vom FC Schalke 04 nach München wechseln würde. Neuer, der eng in der Schalker Fanszene verwurzelt war, galt bei vielen Fans der Münchner Südkurve als Persona non grata.

Als van Gaal dann in Rückrunde der Saison überraschend den in der Kurve sehr beliebten Thomas Kraft ins Tor stellte, wurde der Protest erst recht richtig laut. "Koan Neuer" hiess es damals auf tausenden Transparenten in der Allianz-Arena. Am Ende musste van Gaal nach einem Kraft-Fehler gegen Nürnberg im Frühjahr 2011 gehen. "Mit der Entscheidung, Jörg Butt aus dem Tor zu nehmen, ging die Scheisse los", polterte Hoeness damals. Butt kehrte nach van Gaals Rausschmiss kurzzeitig wieder zurück, ehe im Sommer 2011 Manuel Neuer übernahm.

Heute ist der Protest gegen Manuel Neuer eine unbedeutende Randgeschichte. Neuer wird inzwischen zu Recht in einem Atemzug mit Sepp Maier und Oliver Kahn genannt.

Bald könnte nun also der nächste Wechsel anstehen. Schafft Nübel, was Junghans, Rensing oder Kraft am Ende nicht gelang? Von seinem Können her hat er absolut das Potenzial. Doch beim FC Bayern geht es um viel mehr als das. Ausstrahlung. Hausmacht. Akzeptanz in der Mannschaft und im Club. All das gehört dazu.

Wenn Nübels Zeit kommt, muss er da sein. Und zwar sofort. Viel Zeit, um sich einzugewöhnen, haben Torhüter in München nicht. Der junge Schalker traut sich das zu. Sonst hätte er den Schritt nicht gemacht. Und ein gesundes Selbstbewusstsein ist beim FC Bayern in jedem Fall eine gute Grundvoraussetzung.

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