• Trainer weg, Sportdirektor weg, wichtige Spieler weg: RB Leipzig steht vor einem echten Umbruch.
  • Die Lage ist bedrohlich, Geschäftsführer Oliver Mintzlaff aber bleibt demonstrativ gelassen.
Eine Analyse

Mehr aktuelle News zur Bundesliga finden Sie hier

Mehr News zur Bundesliga

Vor dem Hamburger SV hatte Uli Hoeness immer den grössten Respekt. Der HSV mit seiner Geschichte, seiner Infrastruktur, seinen Fans, seiner wirtschaftlichen Wucht und der Strahlkraft, die der Klub im In- und Ausland entfacht, waren Hoeness immer suspekt. Aber das ist lange her, der HSV krebst seit drei Jahren in der zweiten Liga herum und wird womöglich schon wieder die Rückkehr in die Bundesliga verpassen.

Borussia Dortmund liess Hoeness bei der Auflistung des potenziell schärfsten Kontrahenten für die Bayern immer unter den Tisch fallen, später drückte er dem BVB noch den Spruch mit der "relativ regionalen Sache“ rein, während die Bayern ja "ein Global Player“ wären. Die Borussia hat sich den Respekt der Münchener hart erarbeiten müssen, auf Augenhöhe sehen sich die Bayern deshalb mit Dortmund aber noch lange nicht. Dafür reicht die Wirtschaftsmacht der Schwarz-Gelben einfach nicht aus.

Umso gefährlicher empfand Hoeness vom ersten Tag an das Engagement von Dietrich Mateschitz und dessen Red-Bull-Imperium in Leipzig. Da war kein Gegner auf oder unterhalb der Münchener Augenhöhe, sondern einer darüber. Die Millionen, für die die Bayern mehrere Jahrzehnte hart arbeiten mussten, könnte Mateschitz im Handstreich leicht und locker überbieten.

"Wie ich den Herrn Mateschitz kenne, wird er, wenn es an Weihnachten notwendig ist, noch ein paar Milliönchen drauflegen. Insofern ist es schon mittelfristig ein gefährlicher Gegner. Ich muss ehrlich sagen, dass ich Red Bull Leipzig für sehr stark halte“, sagte Hoeness deshalb schon im Herbst 2016, wenige Monate nach dem Bundesliga-Aufstieg der Leipziger. Später hob Hoeness die Emporkömmlinge kurzzeitig sogar in den Stand eines "Feindes“. Und auch wenn er sich dafür entschuldigte und seine Wortwahl korrigierte: Der Standard ist seitdem gesetzt.

Nagelsmann hinterlässt eine enorme Lücke

Und tatsächlich war es in den letzten Jahren Leipzig, das noch einigermassen mit den Bayern mithalten konnte. Bald steht die zweite Vizemeisterschaft seit dem Aufstieg fest, dazu trafen sich Bayern und Leipzig im Pokal-Endspiel vor zwei Jahren, in der letzten Saison folgte Leipzig dem späteren Sieger wenigstens bis ins Halbfinale der Königsklasse. Und vielleicht holt Leipzig ja in ein paar Wochen den ersten Titel der Klubgeschichte: Im DFB-Pokal stehen die Chancen dafür nicht so schlecht.

Es könnte für Leipzig die eine grosse Chance sein auf längere Sicht. Denn die Entwicklungen der letzten Wochen und Tage lassen wenig Interpretationsspielraum, RB Leipzig steht vor einem ganz gewaltigen Umbruch. Mit Julian Nagelsmann verlässt nicht einfach nur "ein Trainer“ den Klub, sondern das grösste Trainertalent des Landes. Nagelsmann hat das beste aus zwei Welten zusammengeführt. Er hat die Red-Bull-DNA vom physischen Kraft-Pressing-Umschaltfussball angereichert mit Elementen des Positions- und Ballbesitzspiels und aus seiner Mannschaft eine der besten in Europa gemacht. Einen Trainer dieser Bauart kann man nicht einfach so ersetzen und selbst wenn sich Leipzig mal wieder bei der Dependance in Salzburg bedient und Jesse Marsch in die Bundesliga beordert: Es wird nicht dasselbe sein wie mit Nagelsmann zuvor.

Da wird es die Leipziger auch kaum trösten, dass Nagelsmann ein Teil einer ungewöhnlichen Entwicklung wird, wie sie in der Bundesliga noch nie zu sehen war. Mindestens sechs der aktuell sieben bestplatzierten Klubs werden mit einem neuen Trainer in die kommende Saison gehen (müssen). Nur der VfL Wolfsburg und Oliver Glasner halten noch zusammen. Wobei die Betonung auch hier auf "noch“ liegt, der Österreicher soll das Interesse anderer Klubs geweckt haben - vielleicht sogar jenes von RB Leipzig.

Krösche folgt auf Rangnick und Schneider

Keine 24 Stunden vor der Vollzugsmeldung des Nagelsmanns-Transfers nach München sickerte durch, dass sich der Klub und sein Sportdirektor Markus Krösche auf eine Auflösung des bis 2022 datierten Vertrags schon in diesem Sommer geeinigt haben. Der jüngst beförderte Chefscout Christopher Vivell und Medienchef Florian Scholz teilen sich bis Saisonende Krösches Aufgaben in der sportlichen Leitung.

Mit Krösche verlässt ein grosses Stück sportlicher Kompetenz den Klub, er ist der dritte herbe Abgang in diesem Segment für RB. Vor Krösche löste Ralf Rangnick vorzeitig seinen Kontrakt auf und vor ihm war es Jochen Schneider, der sich aus Leipzig verabschiedete. Geblieben ist lediglich Geschäftsführer Oliver Mitzlaff. Aber dessen Stärken liegen eindeutig im kaufmännischen Bereich. Mitten in der anlaufenden Phase der Kaderplanung fehlen mit dem Trainer und dem Sportchef die beiden entscheidenden Protagonisten. Dabei gäbe es auch im Umbau der Mannschaft jede Menge zu tun.

Dayot Upamecano ist schon weg, der Franzose wird sich wie Nagelsmann den Bayern anschliessen. Ibrahima Konate soll dank einer Klausel in seinem Vertrag für rund 40 Millionen Euro gehen können, angeblich sei sich der Spieler mit dem FC Liverpool im Grunde auch schon handelseinig. Die Gerüchte um mögliche Wechsel von Marcel Sabitzer und Torhüter Peter Gulasci halten sich hartnäckig. Der eine, Sabitzer, kokettierte schon im letzten Sommer mit einer Veränderung. Der andere, Gulasci, könnte im besten Torhüter-Alter von 30 Jahren einen letzten Schritt in seiner Karriere wagen. Auch Emil Forsberg bleibt ein Wackelkandidat, wie Sabitzer hat auch der Schwede schon einige Male laut über einen Wechsel nachgedacht.

Mintzlaff bleibt demonstrativ entspannt

Zwei Drittel der Innenverteidigung, der Torhüter und Mittelfeldantreiber - die zugleich auch das Kapitänsamt teilen - und der Kreativspieler hinter den Spitzen: Auch innerhalb der Mannschaft könnte sich ein grosser Umbruch andeuten. Geschäftsführer Mitzlaff sieht das aber im Gespräch mit der "Bild“ sehr entspannt. "Wir hatten in der Vergangenheit immer wieder Veränderungen auf der Trainer,- Direktoren- und Spielerseite. Und wir sind jedes Jahr stärker zurückgekommen und konnten uns weiterentwickeln. Und ich bin mir auch sicher, dass wir wieder den nächsten Schritt machen. Wir bleiben ambitioniert und agieren hier nicht unter Druck, sondern selbstbestimmt.“

Und Mintzlaff hat ja Recht, immerhin hat Leipzig für mögliche Abgänge schon gut vorgesorgt. Im Winter kam Mittelfeldspieler Dominik Szoboszlai aus Salzburg. Zuletzt machten Mintzlaff und Krösche die Transfers der Innenverteidiger Josko Gvardiol (19) und Mohammed Simakan (20) perfekt, dazu spielt das niederländische Sturmtalent Brian Brobbey (19) demnächst auch für Leipzig. "Wir hatten noch nie eine so gute Kaderplanung, wie wir sie jetzt haben. Zudem ist der Spirit im Verein hervorragend“, sagt Mintzlaff. "Wir sind in einer komfortablen Situation, weil wir glauben, dass wir den Kader noch mal besser gemacht haben - und diesen im Sommer noch weiter justieren.“

Trotz einiger offener Planstellen bricht in Leipzig also keine Panik aus. So wird es jedenfalls nach aussen transportiert. In Leipzig haben sie nun auch erfahren, wie sich das anfühlt, wenn die Bayern zugreifen und entscheidende Figuren einfach so auf ihre Seite ziehen. Auf die Reaktion darauf darf man jetzt schon gespannt sein.

Verwendete Quelle:

  • Bild.de: "Zerfällt Leipzig, Herr Mintzlaff?"
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.