Anfang Oktober, nur wenige Wochen, bevor die Bundesliga in die WM-Pause ging, trennte sich Bayer 04 Leverkusen nach einem schwachen Saisonstart von Trainer Gerardo Seoane. Quasi zeitgleich tüteten die Verantwortlichen der Werkself auch schon die Nachfolge ein. Xabi Alonso, spanischer Welt- und Europameister, übernahm das Amt als Cheftrainer beim Bundesligisten. Grosse Erfahrungen brachte er als Coach nicht mit, trainierte zuvor die zweite Mannschaft von Real Sociedad. Angesichts seines hohen Sachverstandes und seiner fussballerischen Intelligenz wurde ihm diese Aufgabe aber zugetraut. Zu Recht, wie sich mittlerweile herausstellte.

Ein Porträt
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Xabi Alonso: Aller Anfang ist schwer

Als Anfang Oktober seitens Bayer Leverkusen offiziell bestätigt wurde, dass Xabi Alonso der neue Trainer des Teams wird, herrschte eine Mischung aus Vorfreude und Zurückhaltung. Vorfreude, weil der Spanier ein grosser Spieler war, der schon immer auch Gedanken aussprach, die das Grosse und Ganze einbezogen. Zurückhaltung, weil er keine Erfahrung als Cheftrainer auf dem höchsten Niveau mitbrachte. Will er Ballbesitzfussball spielen oder möglichst flexibel sein? Setzt er auf junge Spieler oder muss ein Kaderumbruch her? All diese Fragen galt es zu beantworten.

Der Auftakt gegen Schalke (4:0) glückte, dann zeigte sich aber schnell, dass die Mannschaft doch verunsicherter ist, als es viele beim ersten Alonso-Spiel vermuteten. Gegen Porto (0:3) und in Frankfurt (1:5) setzte es deftige Niederlagen, auf die vier weitere Spiele ohne Sieg folgten. Der Trainer musste zunächst eine Verbindung zu seiner Mannschaft finden, ihr seine Vorstellungen von Fussball vermitteln und vor allem einen Weg aufzeigen, wie Team und Trainer gemeinsam dorthin kommen können.

Und das gelang auch. Leverkusen spielte keinen überragenden Fussball, aber schlug aus dem Nichts Überraschungsteam Union deutlich mit 5:0. Es folgten Siege gegen Köln und Stuttgart, die nicht schön anzusehen waren, aber vor der WM-Pause immerhin ein positives Gefühl vermittelten. In der zweiten Saisonhälfte, da waren sich alle einig, sollte so richtig angegriffen werden.

Geduld und Anpassungen führen zum Erfolg

Die Bundesliga hatte in ihrem Rahmenterminkalender im Gegensatz zu anderen Ligen eine klassische Winterpause nach der WM 2022 vermerkt. Xabi Alonso wollte das vor allem für Basisarbeit nutzen und das Spiel seiner Mannschaft in jedem Teilbereich des Feldes auf ein neues Level heben. Die ersten Eindrücke waren gut, gegen Gladbach und Bochum gab es im Januar zwei Siege, dabei spielte Leverkusen im Verlauf der beiden Spiele sogar drei unterschiedliche Systeme, teilweise mit den identischen Spielern auf dem Feld.

Der erste grosse Test nach der Pause war dann das Spiel gegen Borussia Dortmund am 18. Spieltag. Zu Hause unterlag die Werkself mit 0:2 und das verdient. Aufgrund von drei Niederlagen aus den kommenden vier Spielen wuchs die Skepsis, doch Alonso gab gebetsmühlenartig zu bedenken, dass seine Mannschaft schon seit Beginn seiner Amtszeit kleine Schritte nach vorne macht und dass der Prozess, den dieser Klub durchläuft, ein sehr langer sein kann.

Und siehe da: Seit der 2:3-Niederlage gegen Mainz 05 am 19. Februar gab es sechs Siege und ein Remis für die Werkself. Die letzten fünf Pflichtspiele wurden allesamt gewonnen. Beim 2:1-Erfolg gegen den FC Bayern zeigte Alonso dabei einmal mehr, dass er auch während eines Spiels viele kluge Gedanken hat. Nach einer Anfangsphase, in der der Rekordmeister sein Pressing gut durchziehen konnte, stellte der Spanier um, veränderte das eigene Anlaufverhalten und den Aufbau und überspielte so die Offensivreihe des Rekordmeisters. Es kam zu vielen 1-gegen-1-Situationen und folglich auch zu zahlreichen Chancen, die letztlich zum Sieg führten.

Für Alonso und Bayer ist noch viel möglich

Nach dem Sieg gegen den damaligen Tabellenführer blieb Alonso aber bescheiden und verwies auf die grossen Ziele. "Wir haben unser Spiel und unsere Stabilität verbessert. Die Balance zwischen Defensive und Offensive ist wichtig. Die letzten Monate waren gut, aber wir haben noch viele Spiele vor uns", sagte der Trainer nach dem Spiel. In der Bundesliga steht Bayer 04 nach dem Sieg auf Schalke aktuell auf Platz sieben, hat nur einen Punkt Rückstand auf Eintracht Frankfurt auf Platz sechs.

Zudem hat Xabi Alonso mit Leverkusen trotz grosser und namhafter Konkurrenz realistische Chancen auf den Titel oder zumindest den Endspieleinzug in der Europa League. Beginnend mit Viertelfinalgegner Saint-Gilloise hat die Werkself den "leichteren" Weg in Richtung Finale erwischt. Und nach den Entwicklungen der letzten Wochen und Monate wäre es nicht überraschend, wenn der neue Trainer auch in der Schlussphase Mittel und Wege findet, die Mannschaft wieder ein Stückchen voranzubringen.

Entscheidend wird sein, dass es Alonso gelingt, die Konstanzdellen der bisherigen Saison zu verhindern. Bisher hat er gezeigt, dass er dem Job gewachsen ist, auch mit Drucksituationen und schwierigen K.o.-Spielen umgehen kann. Sein fachliches Wissen ist enorm, er wählt seine Worte mit Bedacht und scheint einen sehr guten Draht zu seinem Team zu haben.

Dass er ein grosses Trainertalent ist und sehr gute Chancen hat, seinen Weg erfolgreich zu gehen, deutet er in dieser Saison bereits an, denn die Umstände, unter denen er den Job übernommen hat, waren nicht ganz einfach. Stabilisiert er das Team weiter und kann er die Vorbereitung auf die neue Saison nutzen, um den Kader zu optimieren und weitere Elemente zum Spiel der Leverkusener hinzuzufügen, könnte er der nächste grosse Trainerstar sein, der in der Bundesliga entscheidende Schritte macht.

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Verwendete Quellen:

  • Transfermarkt: Xabi Alonso: Leistungsdaten Leverkusen
  • Sky: Stimmen Leverkusen vs. FC Bayern
  • Bundesliga: Die Tabelle
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