• Der FC Bayern und Borussia Dortmund sind der Super League nicht beigetreten, aber wahrscheinlich nicht wegen der "50+1-Regel".
  • Zwei Experten nennen das mögliche Motiv der Super League und stimmen Andrea Agnelli zu, der weiterhin an das Projekt glaubt.

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Die Super League ist wohl vom Tisch. Am Dienstag hat sich der Grossteil der ursprünglich zwölf Gründungsmitglieder wieder zurückgezogen.

Borussia Dortmund und der FC Bayern München wären im Kreis der Super League auch gerne gesehen gewesen, sagten aber beide mit deutlichen Statements ab. Im Unterschied zu den anderen Teams, die sich der Super League angeschlossen haben, unterliegen die Bayern und die Dortmund in Deutschland der "50+1-Regel".

Im Unterschied zu den anderen europäischen Topligen müssen die deutschen Profiteams sicherstellen, dass der Verein selbst mindestens 50 Prozent der Klubanteile hält und in den Entscheidungsgremien über eine Mehrheit von einer Stimme verfügt. Im professionellen Fussball, so auch in Deutschland, fungieren inzwischen viele Teams als Kapitalgesellschaften.

"50+1-Regel ist eine deutsche Besonderheit"

Der Grund: In Deutschland erlaubt es das Vereinsrecht einem eingetragenen Verein (e.V.) nicht, Gewinne zu erzielen. Demgegenüber steht die Gewinnerzielungsabsicht der Profiklubs, sodass zumeist der Profibereich ausgegliedert wird.

"Die 50+1-Regel ist eine deutsche Besonderheit, die immer wieder rechtlich infrage gestellt wird. Ich denke schon, dass die 50+1-Regel ein Stück weit in der Lage ist, das "Kulturgut" Fussball zu bewahren", sagt der Anwalt Gregor Reiter im Gespräch mit unserer Redaktion.

Haben die Bayern und Dortmund also aufgrund der "50+1-Regel" die Super-League-Teilnahme abgesagt? "Dass die deutschen Klubs sich deutlich gegen die Super League gewandt haben, ist meines Erachtens nicht zwangsläufig auf 50+1 zurückzuführen, denn es waren eben nicht nur deutsche Klubs, die sich von Anfang an deutlich gegen die Super League ausgesprochen haben", meint Sportjurist Paul Lambertz im Gespräch mit unserer Redaktion.

Lambertz: "Klubs haben wohl keinen Sinn in der Teilnahme gesehen"

Lambertz weiter: "Ich glaube eher, dass die Klubs, die gefragt, aber nicht mitgemacht haben, es entweder geahnt haben, wie die Resonanz auf die neue Liga sein würde und keinen Sinn in der Teilnahme gesehen haben."

Die angesprochene Resonanz war zu 99 Prozent negativ. Spieler, Trainer und Fans machten deutlich, dass sie ein Super-League-Modell, wie es zuletzt präsentiert wurde, nicht akzeptieren werden. Als Gründe wurden vonseiten der Profis vor allem der geschlossene Wettbewerb genannt, während den Fans vor allem die enormen Summen, die Rede war von 3,5 Milliarden US-Dollar Budget, sauer aufstiessen.

"Wenn amerikanische Investoren beteiligt sind, geht es in 99,9 Prozent der Fälle um Gewinnmaximierung. Allein aus der nationalen Identität des Investors (US-Bank JP Morgan ; Anm. d. Red.) könnte man darauf schliessen, dass es darum ging, noch mehr Gewinn zu machen", sagt Sportjurist Reiter dazu.

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"Man sollte die Diskussion über die Superliga offen führen"

Trotz aller Kritik am Modell und dessen Scheitern nach nicht einmal drei Tagen, glaubt Andrea Agnelli, Klubchef bei Juventus Turin, weiterhin an ein solches Modell. Der 45-Jährige gestand der Nachrichtenagentur "Reuters" am Mittwoch, dass die Liga gescheitert sei, betonte aber auch, dass das Projekt in einer anderen Form weitergeführt werde.

Doch wie könnte eine Super League aussehen, die tatsächlich dann auch an den Start geht? Lambertz meint dazu: "Denkbar ist, dass wir keine Europäische Liga in der Zukunft haben werden, sondern eine Weltliga, denn vielleicht sind die Ressentiments in Südamerika oder China nicht so stark gegen eine solche Art von Wettbewerb."

Um so eine Liga, aber auch tatsächlich zu erschaffen, muss sich die Diskussionskultur im Fussball ändern. "Man sollte die Diskussion über die Superliga offen führen. Denn der finanzielle Vorsprung der Topteams ist nicht mehr aufzuholen, sodass wir bereits eine sportliche Mehrklassengesellschaft haben", fordert Reiter.

"Fussball im Spitzenbereich mehr Kommerz als Kultur"

Weiter stellt er fest: "Wenn aber allein schon die Diskussion über andere Spielformate als Hochverrat verteufelt wird, ist das problematisch. Ohne eine offene Diskussion könnte es irgendwann zum grossen Knall kommen, der dann tatsächlich einen Trümmerhaufen hinterlässt."

Beide Experten sind sich einig, dass der Gedanken an eine Super League, trotz des unrühmlichen Scheiterns weiterleben wird. " Wir müssen die Realität anerkennen, dass der Fussball im Spitzenbereich mehr Kommerz als Kultur ist", erklärt Reiter, der sich im Schwerpunkt mit Sportrecht beschäftigt.

Lambertz sagt: "Die Idee einer UEFA-externen Veranstaltung ist da und wird nicht mehr aus den Köpfen der Entscheider und Mächtigen des Fussballs verschwinden."

Diese Entwicklung wird auch die "50+1-Regel" in Deutschland nicht bremsen können.

Die Experten:
  • Dr. Paul Lambertz ist Fachanwalt für Sportrecht und promovierte zu dem Thema "Nominierung im Sport".
  • Dr. Gregor Reiter ist Rechtsanwalt mit dem Schwerpunkt Sportrecht und zusätzlich Gastlektor für Sportrecht an der University of Oregon/USA.

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Dr. Paul Lambertz, Sportjurist
  • Gespräch mit Dr. Georg Reiter, Rechtsanwalt
  • Kicker.de: 50+1: Die exakte Regelung
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