Um in der Meisterschaft ein Wörtchen mitzureden, braucht es nicht nur Qualität, sondern auch einen tiefen Kader. Wir werfen einen Blick darauf, wie gut der BVB auf den einzelnen Positionen besetzt ist.

Christopher Giogios
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Christopher Giogios dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Lucien Favre drückte es recht pragmatisch aus, als er über die benötigte Tiefe im Kader von Borussia Dortmund sprach: "Zwei Mannschaften" brauche man bei so vielen englischen Wochen wie in der kommenden Saison. Idealerweise müsste man also jede Position doppelt besetzen – ohne nennenswerten Qualitätsabfall.

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Favre gab aber auch direkt die Antwort auf die naheliegende Frage, ob Borussia Dortmund diese Anforderungen schon erfülle: dies verneinte er. Anlass genug, um einen Blick auf die Positionen zu werfen, auf denen der BVB noch Nachholbedarf hat und auf jene, auf denen die Dortmunder geradezu überbesetzt sind.

Tor: Alles beim Alten

Im Tor gibt es wenig Neues zu berichten. Roman Bürki ist gesetzt, Marwin Hitz ist ein sehr zuverlässiger Ersatz und mit Luca Unbehaun hat man auch einen Nachwuchskeeper in seinen Reihen. Hier dürfte auch bei unerwarteten Ausfällen wenig Anlass zur Sorge herrschen.

Abwehr: die Debatte um Dreier- und Viererkette

Die taktische Umstellung auf die Dreierkette in der Abwehr war die entscheidende Massnahme der letzten Saison, die den BVB wieder in die Erfolgsspur brachte (und Favre vermutlich den Job rettete). Allerdings entspricht diese Taktik nicht unbedingt seinem Geschmack. In den vergangenen Testspielen liess Favre wieder zwei Innen- und zwei Aussenverteidiger spielen (mit schmeichelhaften Resultaten, wie das 1:3 gegen Feyenoord Rotterdam zeigt).

Zusätzlich ist der BVB hier auch überschaubar besetzt: in der Innenverteidigung dürften Mats Hummels und Dan-Axel Zagadou gesetzt sein, Letzterer plagt sich aber schon länger mit einer Verletzung herum. Manuel Akanji hingegen hat eine schwierige Saison hinter sich und wird sich gegen den jungen Franzosen behaupten müssen.

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Dann hört es aber mit den gelernten Innenverteidigern schon auf. Notfalls könnten Lukasz Piszczek und Emre Can einspringen. Beide kennen die Position, fühlen sich hier aber nicht unbedingt zu Hause. In der Aussenverteidigung sieht es nicht viel besser aus: vor allem auf der linken Seite hat man mit Marcel Schmelzer und Nico Schulz zwei klassische Linksverteidiger, die in der Planung aber keine grosse Rolle spielen. Raphaël Guerreiro ist hingegen auf der linken Seite gesetzt, spielt aber in der Dreierkette weiter vorne im linken Mittelfeld.

Auf rechts sieht es nicht viel besser aus: Neuzugang Thomas Meunier ersetzt Achraf Hakimi und bringt eher das Profil eines Aussenverteidigers mit (wenngleich ebenfalls mit offensiven Akzenten). Ein Auge sollte man auf Mathieu Morey haben, der bereits letztes Jahr aus der Jugend des FC Barcelona kam. Er gehört aber zu den Spielern beim BVB, die man weiterhin langsam entwickeln möchte.

Insgesamt spricht also vieles dafür, bei der Dreierkette zu bleiben und diese mit Hummels, Zagadou und Meunier zu besetzen.

Mittelfeld: Talent, Talent, Talent

Über junge, talentierte Hoffnungsträger kann sich der BVB im Mittelfeld nicht beschweren. Durch die Verpflichtungen von Jude Bellingham und Reinier wurde der Kader hier noch zusätzlich verstärkt.

Im defensiven Mittelfeld könnten nun mit Axel Witsel, Can, Thomas Delaney, Bellingham und Mo Dahoud gleich fünf namhafte Akteure Ansprüche anmelden. Dem 17-jährigen Bellingham wird man sicher Zeit geben wollen, allerdings sind die Erwartungen an eine schnelle Eingewöhnung wegen der hohen Ablösesumme natürlich nicht gerade gering.

Gesetzt ist wohl lediglich Witsel, darüber hinaus wird Favre abhängig von Gegner und Belastung variieren müssen. Gerade Bellingham wurde auch schon weiter vorne im Zentrum eingesetzt, sodass er auch hierhin ausweichen könnte.

Die Konkurrenz ist auf dieser Position allerdings nicht geringer: mit Kapitän Marco Reus (gerade von einer monatelangen Verletzung zurückgekehrt), Julian Brandt, Neuzugang Reinier und dem sich rasant entwickelnden Giovanni Reyna melden gleich vier Spieler Ansprüche auf der "Zehn" an. Auch hier wird Flexibilität wertvoll sein: Reinier könnte als Stürmerersatz agieren, Brandt könnte notfalls auf die Aussen ausweichen. Dort hat der BVB nämlich durchaus weniger Auswahl und mit Thorgan Hazard und Jadon Sancho nur zwei Stammkräfte.

Sturm: Das Warten auf Moukoko

Traditionell dünn besetzt ist der BVB im Sturm. Klar: Erling Haaland ist ohne Wenn und Aber die Nr. 1 im Angriff, eine andere gelernte Spitze haben die Dortmunder (noch) nicht im Kader.

Reinier könnte als "falsche Neun" aushelfen, darüber hinaus werden die Borussen aber erst im November einen weiteren Stürmer dazubekommen. Wieso November? Dann feiert das Riesentalent Youssoufa Moukoko seinen 16. Geburtstag und könnte für die Profis auflaufen. Der Youngster trainiert bereits mit der 1. Mannschaft, aber auch bei ihm werden die Verantwortlichen gewohnt geduldig vorgehen und den Teenager nicht direkt verheizen. Obwohl der Jugendnationalspieler bereits mit 15 Jahren in der U19 alle Rekorde gebrochen hat, wird der Sprung in den Profifussball enorm sein.

Fazit: der BVB hat Problemzonen

In der Summe haben die Schwarz-Gelben zwar unglaublich viel Offensive und überragende Nachwuchsspieler in ihren Reihen, auf manchen Positionen könnte es aber bei Verletzungen durchaus haarig werden. Vor allem ein Fehlen von Haaland oder ein längerer Ausfall eines Flügelspielers könnte der BVB nur mit viel Improvisation kompensieren.

Auf anderen Positionen (vor allem im zentralen Mittelfeld) wird Lucien Favre hingegen als Moderator gefragt sein, um unzufriedene Spieler bei Laune zu halten. Gleichzeitig könnten gerade die jungen Talente von diesem Konkurrenzkampf profitieren und sich unter Wettkampfbedingungen hervorragend weiterentwickeln. Es steht eine spannende Saison bevor.

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