Natürlich liefert die Königsklasse attraktive Spiele wie heute Abend FC Liverpool gegen Bayer Leverkusen. Aber mehr Reiz hat die Spannung im Bundesliga-Unterhaus.
Ja, ich werde heute Champions League schauen. Der FC Liverpool reizt mich: Ich will sehen, wie die Mannschaft ohne Jürgen Klopp gewachsen ist und an der Anfield Road Bayer Leverkusen vermöbelt. Der Pessimismus ist nicht unberechtigt. Unter Klopp-Nachfolger Arne Slot holten die Reds in England 25 von 30 möglichen Punkten und stehen nach dem 10. Spieltag an der Spitze der Premier League. Das hätte ich nicht für möglich gehalten. Normalerweise bricht eine Mannschaft, die jahrelang vom Können und Charisma ihres Trainers gelebt habt, nach einem Wechsel an der Seitenlinie zusammen. Nicht aber Liverpool. Keine Mannschaft gewann in der Premier League mehr Spiele.
Wenn ich heute Abend Amazon Prime einschalte, geht's mir allein um den Kräftevergleich mit dem deutschen Meister. Die Tabelle der Königsklasse ist mir völlig wurscht. 36 Mannschaften rangeln darum, wer sich direkt für das Achtelfinale qualifizieren kann. Aber das Tabellenbild ist nach dem dritten Spieltag so wenig aussagekräftig wie die Parkplatzsituation am Supermarkt - irgendwo ist immer ein Plätzchen frei, kein Grund zur Aufregung. Da lobe ich mir unsere deutsche 2. Liga: Fünf Punkte trennen Aufstiegsplatz und Mittelfeld. Spitzenreiter ist aktuell Hannover 96. Ein Hauen und Stechen: Das ist ebenso überraschend wie Schalke 04 auf Relegationsplatz 16.
Gerne sprechen TV-Kommentatoren "von der besten 2. Liga aller Zeiten". Ich möchte fast hinzufügen: "die beste Liga weltweit". Nicht weil dort der beste Fussball gespielt wird (das natürlich nicht!), aber weil's so spannend ist, wie man sich das in der ersten Liga und vor allem in der Champions League wünscht. Man muss es so sagen und drei Euro fürs Phrasenschwein bereithalten: Hier kann wirklich jeder jeden schlagen. Und das, obwohl grosse und traditionsreiche Namen zwischen Triumph und Theater wackeln. In solchen Momenten frage ich mich: Wie kriegen wir das in der Bundesliga wieder so hin? Und schaue dann 2. Liga.
Man muss ja nur auf die Namen schauen. HSV, Hertha, Hannover, Nürnberg, Köln, Schalke, nicht zu vergessen Kaiserslautern und Braunschweig: Jeder einzelne Vereinsname weckt Erinnerungen an eine Zeit, als Fussball noch mit deutschen Tugenden in Verbindungen stand und nicht mit dem aufgeblähten Gebilde, das die UEFA zur Geldvermehrung erfunden hat. Donezk gegen Young Boys oder Zagreb können in einer Liga, die 36 Teams als Champions verkauft, aber nur zehn Spieltage hat, nicht die Vorfreude auslösen wie Hertha BSC gegen 1. FC Köln in der 2. Liga. Ja, da schwingt Nostalgie mit. Mag sein. Trotzdem freue ich mich schon auf die 2. Liga am Freitag. Nürnberg gegen Kaiserslautern und Braunschweig gegen HSV.
Aber vorher gibt's ein bisschen Liverpool.
Über den Autor
- Pit Gottschalk ist Journalist, Buchautor und ehemaliger Chefredakteur von SPORT1. Seinen kostenlosen Fussball-Newsletter Fever Pit'ch erhalten Sie hier.
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