Das 3:0 des FC Bayern gegen Bayer 04 Leverkusen war eine Machtdemonstration. Während Harry Kane und Jamal Musiala bei Bayern glänzten, wurde Leverkusen die zu grosse Abhängigkeit von Florian Wirtz zum Verhängnis.

Eine Analyse
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Die Stimmung in der Allianz-Arena war nach dem Spiel ausgelassen. Freudig hüpften die Spieler des FC Bayern München vor dem Fanblock auf und ab. Mit dem 3:0 gegen Bayer Leverkusen im Champions-League-Achtelfinal-Hinspiel haben sie einen grossen Schritt in Richtung Viertelfinale gemacht. Und das völlig verdient: Der FC Bayern hatte ein Torschussverhältnis von 17:3 und 65 Prozent Ballbesitz.

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Agierte der FC Bayern beim Bundesliga-Duell gegen Leverkusen 15 Tage zuvor noch sehr defensiv (Endstand 0:0), zeigten sie diesmal ein anderes Gesicht. Das frühe 1:0 durch Harry Kane war völlig verdient. DAZN-Experte Michael Ballack stellte fest: "Trotz einer fast identischen Aufstellung ist das eine ganz andere Bayern-Mannschaft. Sie sind offensiv agil, verteidigen nach vorne und sind mutig."

Ein Torschuss nur dank Bayern-Fehler

Leverkusen fand kein Rezept gegen den deutschen Rekordmeister. Trainer Xabi Alonso machte einen nachdenklichen Eindruck, als er zur Halbzeit in Richtung Kabine ging. Seine Mannschaft brachte in den ersten 45 Minuten lediglich einen Torschuss zustande.

Und das auch nur, weil Bayern-Verteidiger Dayot Upamecano in der 13. Minute einen katastrophalen Fehlpass spielte. Torwart Manuel Neuer konnte den Schuss aus kurzer Distanz von Jeremie Frimpong allerdings klären. Dies sollte für Leverkusen die einzige Grosschance des Spiels bleiben.

Ein Grund für die Dominanz des FC Bayern war die Zweikampfstärke. "Wir waren in den Zweikämpfen besser als der Gegner. Wir haben vorne sehr, sehr aggressiv gespielt", sagte Upamecano. Nach rund 30 Minuten lag die Zweikampfquote bei über 73 Prozent. Über das gesamte Spiel waren es 55 Prozent zugunsten von München.

Leverkusen ist von Wirtz abhängiger als Bayern von Musiala

Florian Wirtz, der bei Leverkusen eigentlich für die kreativen Momente sorgen soll, wurde von Joshua Kimmich weitestgehend aus dem Spiel genommen. Wirtz gewann in der 1. Halbzeit nur 12 Prozent seiner Zweikämpfe und hatte eine Fehlpassquote von 30 Prozent. Nach der Pause lief es nicht wesentlich besser – zum Leidwesen der gesamten Mannschaft. Einen Torschuss bekam er nicht zustande. Ballack stellte fest: "Leverkusen ist noch abhängiger von Wirtz als Bayern von Musiala."

Wie unzufrieden Wirtz mit sich selber war, zeigte sich nach seiner Auswechslung. Frustriert sass er auf der Bank neben Frimpong, schüttelte mit dem Kopf, gestikulierte wild und schien vor allem eines zu sein: verzweifelt!

Torwartfehler, Platzverweis, Elfmeter – alles lief gegen Leverkusen

Das 2:0 des FC Bayern in der 54. Minute resultierte aus einem Fehler von Leverkusen-Torwart Matej Kovar, der eine Flanke von Joshua Kimmich nicht festhalten konnte. Jamal Musiala traf per Abstauber.

Die Freude erlitt wenige Augenblicke später einen Dämpfer: Neuer musste ausgewechselt werden, weil er sich beim Jubeln verletzt hatte. Dadurch gab der 21-jährige Jonas Urbig, der erst im Winter vom Zweitligisten 1. FC Köln verpflichtet wurde, sein Bayern-Debüt. Zu diesem Zeitpunkt konnte noch niemand ahnen, dass Urbig keinen einzigen Ball würde halten müssen.

"Erst einmal hoffe ich, dass Manuel nicht allzu schwer verletzt ist", sagte Urbig. "Ich persönlich habe mich super gefreut, dass ich mein Debüt in der Champions League geben konnte." Kane sagte über den jungen Schlussmann. "Es ist toll für ihn, in so einem Spiel eingewechselt zu werden. Er sah cool, ruhig und gefasst auf dem Platz aus. Ich habe ihn zu seinem Debüt bei diesem grossen Club gratuliert."

Taktik von Alonso ohne Stürmer ging nicht auf

Für Leverkusen folgte ein Rückschlag nach dem anderen: Ab der 62. Minute mussten sie in Unterzahl agieren, weil Rechtsverteidiger Nordi Mukiele mit der Gelbroten Karte vom Platz gestellt wurde. Zwölf Minuten später erzielte Kane per Elfmeter das 3:0.

Zudem zeigte sich, dass ein taktischer Kniff von Trainer Xabi Alonso nicht aufging. Er liess seine Mannschaft ohne echten Mittelstürmer spielen. Patrik Schick wurde erst in der 81. Minute eingewechselt, als sie bereits mit drei Toren zurücklagen. Victor Boniface kam überhaupt nicht zum Einsatz. Auch dies war ein Grund für die mangelnde Torgefahr.

Ballack kritisiert die "Nicht-Form von Leverkusen"

Ballack war von der Leistung des FC Bayern nicht überrascht. "Ich habe schon vor dem Spiel gesagt, dass die Bayern in so einem Spiel nie Aussenseiter sind. Sie hatten bereits in den Ligaspielen gegen Frankfurt und Stuttgart angedeutet, dass sie in einer sehr guten Verfassung sind. Dafür haben sie selber gesorgt. Und das haben sie heute eindrucksvoll fortgesetzt", lobte er.

Was Ballack mehr überraschte, "ist die Nicht-Form von Leverkusen. Natürlich war das durch den Fehler von Kovar begünstigt, dann gab es die Gelbrote Karte. Es lief alles gegen sie. Aber sie waren schon vorher nicht so mutig und griffig wie im Ligaspiel, als sie die Bayern dominiert hatten." Zwar gäbe es noch ein Rückspiel. "Aber das ist ein klares Ergebnis. Es wird enorm schwierig für Leverkusen, das wieder geradezurücken."

Ein kleiner Hoffnungsschimmer für Leverkusen

Was Leverkusen vielleicht Hoffnung machen könnte? Im Februar des vergangenen Jahres gewannen sie in der Bundesliga mit 3:0 gegen den FC Bayern. Ein solches Ergebnis im Rückspiel würde zumindest für die Verlängerung genügen.

Granit Xhaka von Leverkusen will "dran glauben bis zum Schluss, 90 Minuten alles geben und zum Schluss schauen, ob es reicht." Auch Trainer Alonso hat die Hoffnung nicht aufgegeben: "Wir haben im Fussball schon einige grosse Wunder gesehen. Und wir brauchen im Rückspiel fast ein Wunder."

Verwendete Quellen

Teaserbild: © IMAGO/kolbert-press/IMAGO/kolbert-press/Martin Agüera