Der FC Bayern muss es sich nach der 0:3-Niederlage in der Champions League bei Paris St. Germain endlich eingestehen: Er steckt in einer Krise - die zu grossen Teilen auch mit Trainer Carlo Ancelotti zu tun hat.

Ein Kommentar

Der FC Bayern hat in der Champions League mit 0:3 bei Paris St. Germain verloren. Kann mal passieren, könnte man meinen. Immerhin haben die Pariser ja Neymar und Kylian Mbappé und Edison Cavani und Thiago Silva und und und. Das 0:3 bedeutet auch noch lange nicht das Ausscheiden aus der Königsklasse.

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Warum also die ganze Aufregung? Weil man zum Beispiel kaum darüber hinwegsehen kann, dass Trainer Carlo Ancelotti bei den Bayern langsam aber sicher angezählt wird - und das zu Recht.

Wer sich die Bankettrede von Karl-Heinz Rummenigge nach dem Spiel angehört hat, dem werden die feinen Zwischentöne nicht entgangen sein.

Wenn Rummenigge beispielsweise sagt "Was wir heute Abend gesehen haben, war nicht Bayern München", dann darf das ruhig als Angriff in Richtung Ancelotti verstanden werden.

Automatismen greifen nicht mehr

Es war nicht Bayern München, weil die Art des Trainers Fussball spielen zu lassen, meilenweit vom Selbstanspruch des FCB entfernt ist.

Wo zu Pep Guardiolas Zeiten noch schnelles Umschaltspiel, überraschende Laufwege und Variantenreichtum regierten, steht heutzutage eine phasenweise verzweifelt wirkende Planlosigkeit. Automatismen, die noch vor zwei Jahren perfekt ineinander griffen, sind fast nicht mehr vorhanden.

Die Dominanz ist weg. Oder um es mit anderen Worten zu sagen: Ancelotti hat Guardiolas System durch den Fleischwolf gedreht.

Die Mannschaft hat eine Entwicklung genommen, die bei allen Verantwortlichen die Alarmglocken schrillen lassen sollte.

Die Niederlage bei PSG war bereits die fünfte Champions-League-Pleite in zwölf Spielen unter Ancelotti.

In der Bundesliga ist die Bilanz zwar bei weitem nicht so tragisch, das liegt aber eher an der Klasse der Gegner als an Bayerns Überlegenheit.

Spieler mit Training unzufrieden

Immer wieder hört man zudem aus vereinsnahen Kreisen, die Spieler seien mit Ancelottis Training nicht zufrieden. Es sei zu lasch, zu wenig auf Details ausgelegt.

Dass Arjen Robben nach dem PSG-Spiel auf die Frage, ob die Mannschaft noch hinter Carlo Ancelotti stehe, nicht antworten will, sagt eigentlich alles.

Und er ist nicht der einzige Spieler, der sich mit dem Trainer nicht ganz grün zu sein scheint.

Es passiert nicht allzu oft, aber zu dieser Gelegenheit darf man Lothar Matthäus ruhig einmal zustimmen, wenn er bei "Sky" sagt, "dass das Zwischenmenschliche zwischen Ancelotti und vor allem Franck Ribéry eigentlich nicht mehr zu kitten ist".

Der Franzose spielte in der aktuellen Saison noch kein Spiel durch. Sein Trikotwurf nach seiner Auswechslung im CL-Spiel gegen RSC Anderlecht war bereits Ausdruck einer wachsenden Frustration. Dass Ribéry nach seiner Verbannung auf die Bank ausgerechnet in seinem Heimatland noch still hält, grenzt fast an ein Wunder.

"Es ist besser, wenn ich nichts sage. Ich muss erst darüber nachdenken", diktierte er wartenden Journalisten am Donnerstagmorgen.

Der Kommunikator scheitert an der Kommunikation

Der Kommunikator Ancelotti scheitert bei Bayern auch am Umgang mit seinen Spielern.

Wobei es laut Ancelotti natürlich überhaupt keine Probleme gibt. Er habe kein Problem mit Ribéry, erklärte er beispielsweise auf der Pressekonferenz nach dem Spiel.

Es ist seine Standardantwort auf alle kritischen Nachfragen. Es gibt kein Problem, es ist nichts los, und überhaupt sei ihm jede Kritik egal. An Teflon-Ancelotti prallt einfach alles ab.

Dass der Italiener eigentlich auch ganz anders kann, sah man im Übrigen an den Herzlichkeiten, die er mit seinen ehemaligen Spieler von Paris St. Germain im Kabinengang austauschte.

Ancelotti wird seinen Vertrag nicht erfüllen

Sollte es mit den Bayern weiter bergab gehen, wird Ancelotti seinen Vertrag bei den Bayern nicht erfüllen. Vielleicht übersteht er nicht einmal die Winterpause.

Und nachdem der Italiener teilweise mit dem Enthusiasmus eines zerknautschten Sofakissens an Seitenlinie steht, ist es ihm vielleicht sogar recht so.

Man muss es in aller Klarheit sagen: Carlo Ancelotti ist mit Sicherheit ein hervorragender Trainer, der mit anderen Mannschaften grossartige Erfolge gefeiert hat. Für den FC Bayern ist er derzeit jedoch einfach der Falsche.

Die Verantwortlichen wären stattdessen gut beraten, den ohnehin drohenden Umbruch in der Mannschaft schon früher als geplant anzunehmen und einzuleiten. Dazu brauchen sie jedoch einen Trainer, der Lust hat die Mannschaft neu aufzustellen, weiterzuentwickeln und sie nicht einfach nur zu verwalten.

Da der FC Bayern laut "Sportbild" eine Krisensitzung einberufen hat, deren Ausgang noch offen ist, ist anzunehmen, dass die Bayern-Bosse das ähnlich sehen.

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