Die Champions-League-Gala des FC Bayern gegen den FC Arsenal wurde auch zum grossen Auftritt von Thiago Alcantara. Der Spanier ist aus dem Spiel der Münchner derzeit nicht wegzudenken - zum Leidwesen eines anderen Stars.

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Es gibt noch die Szenen, in denen Thiago Alcantara keinen unmittelbaren Einfluss auf das Spiel der Bayern hat. Aber sie sind rar gesät, weshalb das Tor zum 1:0 der Münchner gegen den FC Arsenal die viel zitierte Ausnahme ist, die die Regel bestätigt.

Vor dem Führungstreffer der Bayern wanderte der Ball über 19 Stationen zum Torschützen Arjen Robben. Kaum zu glauben, dass Thiago dabei kein einziges Mal seine Zauberfüsse im Spiel hatte. Kein Thiago-Ballkontakt bei einer Offensivaktion der Münchner - das ist mittlerweile eine Seltenheit.

Gegen Arsenal war es so, dass der Spanier mit brasilianischen Wurzeln in einem seiner besten Spiele für die Bayern überhaupt am Ende alleine im Angriffsdrittel 36 Pässe erfolgreich zum Mitspieler brachte. Arsenals komplette Offensivabteilung kam gerade mal auf einen erfolgreichen Pass mehr.

111 Ballaktionen hatte Thiago in seiner Rolle auf der Zehn, 89 Pässe gespielt, eine Passquote von über 93 Prozent und eine Effizienz vor dem Tor, von der etwa Borussia Dortmund nur träumen kann: Zwei Schüsse gab Thiago ab, beide waren drin.

"Thiago war für mich heute der beste Mann auf dem Platz. Das war überragend, was er heute gemacht hat, nicht nur wegen seiner zwei Tore", schwärmte Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge.

Das kann man so stehen lassen, weil erst in einem Spiel wie diesem klar wird, wie wichtig der 25-Jährige in dieser Saison für die Bayern ist.

Ancelotti über Thiago: "Er hat grossartig gespielt"

In den ersten Partien der Rückrunde fehlte Thiago wegen einer Oberschenkelblessur. Die Bayern spielten mässig, ihre Offensive stockte und am Ende war es ihrer individuellen Klasse zu verdanken, dass die Spiele in der Bundesliga zumeist gewonnen wurden.

Das System trug die Mannschaft weniger als die Qualität der Einzelspieler; ein Merkmal, dass es so unter Pep Guardiola nie gegeben hatte. Umso verwunderlicher ist es jetzt zu beobachten, wie ein ehemaliger Rollenspieler den Bayern das gewisse Etwas verleiht.

Bei den Guardiola-Bayern waren die Muster straff definiert und Thiago ein Teil der Maschine. Wenn es einen Spieler gab, der sich noch freier und instinktiver bewegen durfte, dann war dies Thomas Müller. Jetzt, bei den Ancelotti-Bayern, sind die Dinge nicht mehr so starr eingeschliffen.

Carlo Ancelotti gewährt der Mannschaft ein wenig mehr Freiraum, der freigeistige Müller wird in den wichtigen Spielen derzeit gar nicht gebraucht. Der Grund dafür heisst Thiago. "Er hat sich sehr gut zwischen den Linien des Gegners bewegt und so immer wieder Gegenspieler gebunden, die Arsenal dann auf den Flügeln gefehlt haben", sagte Ancelotti nach dem Spiel. "Er hat grossartig gespielt."

Der Anker im Bayern-Spiel

Diese "Werte" finden in keiner Statistik Niederschlag, sie sind meist nur für den aufmerksamen Beobachter zu erkennen. Was dann in den Daten auftaucht, ist zum Beispiel die prozentuale Verteilung der Angriffszonen. Und die wies recht kümmerliche Zahlen durch das Zentrum aus (rund 25 Prozent der Angriffe), aber 35 beziehungswiese 40 Prozent über die beiden Flügel.

Das spricht auf den ersten Blick nicht unbedingt für Thiagos grossen Einfluss, muss aber richtig interpretiert werden. In etwa so, wie Ancelotti das dann mit seiner Einschätzung zu Thiago versuchte. Im 2-4-1-3 der Bayern bei eigenem Ballbesitz, wenn die beiden Aussenverteidiger und die Aussenstürmer jeweils eine Linie höher schieben, bleibt Thiago als Fixpunkt im Zentrum.

Natürlich gibt es Ausweichbewegungen, zumeist auf die linke Seite. Aber im Grunde ist er der Anker und die erste Anlaufstelle der Angriffe, sobald es ins letzte Drittel geht. Er verknüpft die Mannschaftsteile und die Passmuster erst zu einem flächendeckenden Teppich. Und in dieser Saison wirkt es so, als habe Thiago seine Verspieltheit abgelegt und als konzentriere er sich auf die wesentlichen Dinge, die nachher in erster Linie der Mannschaft helfen.

Er konnte schon immer jeden schludrigen Pass noch kontrollieren, als wäre es das Leichteste der Welt. Aber im Ancelotti-System haben auch seine Folgeaktionen Hand und Fuss. Thiago gibt dem Münchner Spiel Takt und Metrik. Das war unter Guardiola nicht immer so, da war er in grossen Spielen oft aussen vor.

Was wird aus Müller?

Jetzt ist er mittendrin und damit ist automatisch für einen anderen derzeit kein Platz. Thomas Müller schleicht immer seltener über das Spielfeld, gegen Arsenal reichte es für sieben Minuten, inklusive Nachspielzeit. Immerhin schoss er dabei ein Tor, was auch selten genug vorkommt in dieser Saison. Das wolle er jetzt "einfach mal geniessen".

Aber an seinem grundsätzlichen Problem ändert auch der Treffer zum 5:1 wenig. In der momentanen Verfassung und Ausrichtung der Bayern ist für Müller kein Platz. Der Spieler selbst wollte am Mittwoch nicht darüber reden, die Verantwortlichen versuchen - natürlich - das Thema kleinzuhalten.

"Ich finde, wir müssen uns von dem Satz 'Elf Freunde müsst ihr sein' verabschieden, er hat keine Bedeutung mehr. Wir brauchen 18, 20 Spieler, und Thomas ist einer davon", sagte Rummenigge. "Das 5:1 war ein ganz wichtiges Tor, weil es uns Sicherheit gibt für das Rückspiel. Ich bin absolut davon überzeugt, dass Thomas wiederkommt. Er ist ein ganz wichtiger Spieler für uns."

Derzeit ist Müller ein ganz wichtiger Joker, der einem verworrenen Spiel einen neuen Anstrich verpassen kann. So lange sich von den anderen Protagonisten aber keiner verletzt, bleibt Müller in den Highlight-Spielen vorerst nur die Bank.

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