Real Madrid holt "La Undecima", den elften Titel im wichtigsten Pokalwettbewerb der Welt. Dabei waren die Königlichen insgesamt gesehen vielleicht gar nicht die beste Mannschaft der Champions League. Und auch im Finale zeigte sich Real erstaunlich verletzlich. Dass Atlético diese Fehler ausgerechnet in diesem Spiel nicht nutzen konnte, macht die Niederlage für den ewigen Zweiten noch bitterer.

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Am Ende gab es genau diese eine Szene, die zur Legendenbildung taugt: Es war nicht Cristiano Ronaldo, wie er sich einstudiert das Trikot zerreisst nach dem entscheidenden Elfmeter. Der Portugiese stand danach oben ohne vor den Fans der Königlichen, die anderen in Weiss tollten auf dem Platz umher.

Es war Juanfran, der auf der anderen Seite des Spielfelds ganz alleine auf die Seinen zuging. Es dürfte der schwerste Gang seiner Karriere gewesen sein, der Spanier hatte sich wenige Minuten zuvor den im Elfmeterschiessen einzigen Fehlschuss des Abends geleistet und damit die Niederlage von Atlético gegen Real vorweggenommen.

Juanfran ging also auf die Atlético-Fans zu, mit gesenktem Kopf und Tränen im Gesicht. Er wollte sich entschuldigen.

Die Kurve erhob sich von den Plätzen, die geschlagenen Legionen holten zum letzten Mal an diesem für sie grauenvollen Abend und schmetterten ein langgezogenes "Atleti" in Richtung Rasen. Juanfran, der gewiss traurigste Kerl unter den vielen traurigen Gestalten in San Siro, bleibt einer von ihnen, sollte das wohl heissen.

Reals eigenartiger Triumph

Atletico Madrid hat auch im dritten Anlauf auf unerhört tragische Weise den Sieg in der Champions League verpasst. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Real Madrid es wieder gepackt hat. Zum elften Mal haben die Königlichen nun Europas wichtigsten Vereinstitel gewonnen. Das ist absoluter Rekord!

Vor zwei Jahren war es - auch gegen Atlético - schon knapp, als Sergio Ramos erst in der Nachspielzeit für den Ausgleich sorgte und so erst den Weg für eine bereits tote Mannschaft in die Verlängerung und damit zum Triumph ebnete.

Und diesmal: Das Elfmeterschiessen, die grausamste aller Entscheidungen. Entschieden von Cristiano Ronaldo, einem Spieler, der nach einer Trainingsverletzung nicht fit ins Spiel gegangen und in 120 Minuten nahezu unsichtbar geblieben war.

Es passte so gut ins Bild dieses etwas schiefen Triumphs. Real Madrid musste in dieser Champions-League-Saison zwar lediglich eine Niederlage einstecken - gegen den VfL Wolfsburg, der nun wahrlich eine ziemlich jämmerliche Saison hingelegt hatte. Dazu stellt Real mit Ronaldo den mit Abstand besten Torjäger (16 Treffer in zwölf Spielen).

Auf der anderen Seite durften die "Königlichen" verhältnismässig locker ins Finale spazieren, mit K.o.-Siegen über die zweitklassigen Roma und Wolfsburg und ein Manchester City, das nur ein Placebo einer europäischen Spitzenmannschaft darstellt.

Zinedine Zidane hätte sich fast vercoacht

Es folgte das Finale, in dem sich Trainer Zinedine Zidane dann auch noch fast vercoacht hätte. Der Franzose ist ein Novize im Trainerbereich, nach nicht einmal 28 Pflichtspielen als Coach durfte Zidane bereits sein erstes Champions-League-Finale leiten. Und er leitete es auf zumindest diskutable Art und Weise.

Zidane hatte das Wechselkontingent bereits nach 77 Minuten ausgeschöpft, abgesehen von der Verletzung Daniel Carvajals ohne grosse Not. Auch Toni Kroos musste vom Platz, obwohl er nach eigener Aussage noch mehr Kraft in den Beinen gehabt hätte. Mit Beginn der folgenden Verlängerung sanken seine Spieler dann fast im Minutentakt mit Krämpfen geplagt zu Boden. Real schien die Partie von der Bank aus zu verlieren.

Aber - und das gehört ebenso zur Geschichte dieses Finales - Atlético war an diesem Abend nicht gut genug, um die zahlreichen Fehler des Gegners auszunutzen. Jene kühle Effizienz hatte die Rojiblancos erst ins Finale gebracht, bei den Siegen über den FC Barcelona und den FC Bayern. Atleti hatte die vermeintlich dicksten Brocken aus dem Weg geräumt - nur um dann am Ende doch wieder am ewigen Widersacher zu scheitern.

Atlético Madrid am Boden zerstört

"Ich möchte Real gratulieren, sie waren wieder besser als wir. Dieses Mal eben im Elfmeterschiessen. Niemand erinnert sich an die Zweitplatzierten. Zwei Finals zu verlieren ist ein Versagen", diktierte Diego Simeone gewohnt martialisch.

Der Argentinier bewies aber auch Grösse und richtete den Blick bereits wieder nach vorne. "Ich habe meinen Spielern gesagt, dass sie nicht weinen müssen. Wir haben eine Menge investiert, um überhaupt so weit zu kommen. Und heute war das Schicksal einfach nicht auf unserer Seite. Wir gehen jetzt nach Hause und lecken unsere Wunden."

Atlético wird auch in der kommenden Saison wieder einen Anlauf nehmen. Aber nach der zweiten niederschmetternden Final-Niederlage binnen zwei Jahren ist es fraglich, ob so eine Gelegenheit so schnell wiederkommen wird.

"Real ist der beste Klub der Welt"

Die Gegenseite freute sich über ein überragendes Ende einer lange Zeit gefühlt verkorksten Saison. "Wir wussten, dass es heute eine einzigartige Chance war, Geschichte zu schreiben. Die Saison glich einer Achterbahnfahrt, der Titel ist nun aber die schönste Belohnung", sagte Sergio Ramos. Real hatte nochmals alles gezeigt, was es in dieser Spielzeit bereits angeboten hatte.

Die Mannschaft war mal dominant und souverän, dann wieder devot und unkonzentriert. Nach rund 20 Minuten stellten die Königlichen ihren starken Fussball plötzlich ein und spielten danach vornehmlich jenes Spiel, das man eigentlich dem Gegner zugeschrieben hätte: weit nach hinten gezogen, auf Sicherheit und Sicherung bedacht und ohne grosse Ambitionen im Spiel nach vorne. Real spielte in grossen Phasen Atlético-Fussball - und war damit am Ende erfolgreich.

Real Madrid ist mal wieder ganz oben angekommen. "La Undecima", der elfte Titel, geht auch als Beweis dafür in die Geschichtsbücher ein, dass nicht immer die über eine Saison gesehen beste Mannschaft in der Champions League triumphieren muss.

Den Protagonisten ist diese Erkenntnis wohl völlig egal. "Dieser Erfolg bedeutet, dass Real der beste Klub der Welt ist", sagte Luka Modric. Und das ist keine Legendenbildung. Das ist eine Tatsache.

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