Qualifizieren sich RB Leipzig und RB Salzburg für die Königsklasse, droht einem Klub der Ausschluss. Dieses Szenario beschäftigt beide Klubs und die UEFA, die im Sommer wohl einen Präzedenzfall schaffen muss. Bis dahin bleiben aber Fragen über Fragen.
Die Nachricht kommt aus dem Nichts, dabei ist die Gemengelage schon seit Monaten bekannt: Nach Informationen der "Salzburger Nachrichten" könnte RB Leipzig in der kommenden Saison der Zutritt zur Champions League verwehrt werden.
Offenbar gibt es aus Kreisen der UEFA erste Anzeichen dafür, dass RB Leipzig und die kleine Schwester Red Bull Salzburg nicht gemeinsam in einem Wettbewerb starten dürften.
Leipzig ist derzeit als Tabellenzweiter der Bundesliga klar auf Kurs Königsklasse und wäre bei einer Platzierung unter den ersten drei Teams direkt für die Champions League qualifiziert. Salzburg hat in Österreich nach einer durchwachsenen Hinrunde mittlerweile die Spitze übernommen und dürfte als Meister an der Qualifikationsrunde teilnehmen.
Eine finale Klärung der vertrackten Situation ist erst nach dem Ende der Saison zu erwarten, wenn alle Platzierungen klar sind und die Klubs ihre offiziellen Meldungen für die anstehende Europapokal-Saison bei der UEFA eingereicht haben. Aber schon jetzt türmen sich Fragen über Fragen.
Wie ist die Ausgangslage?
Die Richtlinien der UEFA sehen vor, dass nicht zwei oder mehr Klubs im Europapokal spielen dürfen, die vom selben Geldgeber oder von der gleichen Person gesteuert werden. Seit dem Aufstieg von RB Leipzig in die Bundesliga ist diese "Bombe" scharf, Leipzig hätte vorher nur über den DFB-Pokal in einen europäischen Wettbewerb rutschen können.
Wohl auch deshalb vollzogen Leipzig und Salzburg im letzten Jahr eine formal-juristische Trennung beider Klubs. In Salzburg existiert mit Red Bull nur noch ein Hauptsponsorenvertrag, dazu wurden einige Sonderrechte des Getränkeherstellers eingestampft. Salzburg und Leipzig sehen nach diesen Massnahmen keine offiziellen Verbindungen mehr untereinander, beide Klubs seien unabhängig voneinander zu betrachten.
"Die wichtigsten Dinge wurden schon im vergangenen Jahr im Hinblick auf die UEFA-Financial-Fairplay-Regularien geklärt. Wir sind gerüstet und gut vorbereitet”, sagte der damalige Salzburg-Manager Jochen Sauer bereits im letzten Sommer.
Nutzen beide Klubs Schlupflöcher?
Offiziell nicht, behauptet Salzburg. "Ein Transfer zwischen Leipzig und Salzburg findet statt wie zwischen allen anderen Vereinen. Da würden schon die FIFA-Regularien und nicht zuletzt die Steuerbehörden der beiden Länder darauf schauen", sagte Sauer.
Andererseits war unmittelbar nach dem Transfer von Abwehrspieler Bernardo im letzten Sommer von Salzburg nach Leipzig, der ohnehin für viel Ärger besonders unter den Salzburg-Fans gesorgt hatte, von Leipzigs Ralf Rangnick folgendes zu hören: Der Wechsel sei vollzogen, die Ablösesumme für den Brasilianer müsse zwischen beiden Klubs aber noch verhandelt werden.
Kaum vorstellbar, dass ein beliebiger anderer Klub so kulant wäre und einen Spieler ziehen lässt, ohne vorher klar die Modalitäten abzustecken und vertraglich zu fixieren.
Ausserdem, so berichten die "Salzburger Nachrichten", irritiere es die UEFA, dass der Chef von "Red Bull Soccer" Oliver Mintzlaff, der auch Geschäftsführer in Leipzig ist, bis vor Kurzem ein Büro in der Red-Bull-Arena in Salzburg hatte.
Gibt es einen Präzedenzfall?
Nein. Vor einigen Jahren gab es Irritationen, weil der FC Chelsea und ZSKA Moskau für die Champions League qualifiziert waren. Roman Abramowitsch war Mehrheitseigner der Blues und hielt zeitgleich auch Anteile von ZSKA. Eigentlich eine nicht zulässige Konstellation, die UEFA drückte aber beide Augen zu.
Damals waren die Richtlinien aber vergleichsweise locker gefasst, das Financial Fairplay noch nicht in Kraft. Jetzt ist die Ausgangslage etwas anders. Die UEFA wird mit der Entscheidung bei den beiden Red-Bull-Klubs auch eine Grundsatzentscheidung treffen.
Durch das Raster fällt übrigens das Geschäftskonstrukt von Gazprom. Der russische Energie-Riese hat sein Netz längst weit über den gesamten Globus gespannt, ist nicht nur Sponsor der Champions League und Partner der FIFA, sondern auch als Mehrheitseigner von Zenit St. Petersburg an einem Klub beteiligt und hält darüber hinaus Sponsorenverträge (FC Schalke) oder Partnerschaften (FC Chelsea) mit einigen anderen Klubs, die ebenfalls am Europapokal teilnehmen.
Welche Szenarien drohen?
Bleibt die UEFA hart beziehungsweise kommt sie nach Prüfung aller Sachverhalte zu dem Schluss, dass Leipzig und Salzburg doch gegen die Regularien verstossen, darf ein Klub nicht in Europa starten.
Beharren beide Vereine auf ihr in der jeweiligen Liga sportlich erwirktes Recht, an ein und demselben Wettbewerb teilnehmen zu dürfen, müsste fast automatisch Leipzig einen Rückzieher machen und verzichten. Die UEFA-Regularien sehen vor, dass das in der heimischen Liga besser platzierte Team den Startplatz bekommt. Und weil Salzburg ausschliesslich als Meister für die CL-Qualifikationsrunde in Frage kommt, müsste Leipzig Meister in Deutschland werden, um den Vorzug zu erhalten. Das ist dann doch beinahe unmöglich.
Hausintern geniesst Leipzig mittlerweile höhere Priorität als Salzburg, das jahrelang an der Qualifikation zur Königsklasse gescheitert ist. Gesetzt den Fall, die UEFA überliesse Red Bull die finale Entscheidung, bekäme wohl Leipzig den Zuschlag.
Aber: Was würden dann die Konkurrenten aus der Bundesliga einwenden? Blieben die Klubs, die unmittelbar hinter Leipzig platziert sind, dann ruhig - oder würden der Dritt-, Viert- und Fünftplatzierte nicht darauf drängen, Leipzig aus der Champions League zu nehmen, um dann jeweils einen Platz vorzurücken?
Es könnten ziemlich hitzige Diskussionen auf die Red-Bull-Klubs zukommen. Und im schlimmsten Fall droht Chaos auf mehreren Ebenen.
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