Ganz nah am Ziel der Träume: Paris Saint-Germain steht im Champions-League-Finale und kämpft gegen den FC Bayern um den Triumph. Thomas Tuchel hat das Starensemble gebändigt und ein Team geformt. Talente und junge, viel versprechende Spieler sind darin Mangelware. Warum viele Youngster den französischen Dauermeister verlassen - und welchen Anteil Thomas Tuchel daran hat.

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Es heisst, bei Paris Saint-Germain trauere man ihm noch immer hinterher. Dabei ist Kingsley Coman seit sechs Jahren weg. PSG-Insider lassen das französische Medien immer mal wieder wissen.

Wer das wie häufig sagt, ist nicht überliefert - doch verständlich wäre die Annahme allemal. Immerhin sammelt Coman seit fünf Jahren Titel um Titel mit dem FC Bayern. Ausgerechnet mit dem FC Bayern, dem Champions-League-Finalgegner von PSG am Sonntag.

Coman gilt bis heute als das Paradebeispiel der gescheiterten Integration der Jugendspieler bei den Profis von Paris Saint-Germain. Obwohl die PSG-Akademie als eine der besten Fussball-Ausbildungsstätten in Europa gilt, schafft es kaum ein Nachwuchsspieler in die erste Elf. Viele wandern frustriert zu anderen Topteams im Ausland.

Der FC Bayern profitierte schon zum zweiten Mal und sicherte sich vor kurzem den Dienst von Tanguy Kouassi, für den die Münchner nur eine Ausbildungsentschädigung zahlen. Die Jugendarbeit des erfolgreichsten französischen Klubs ist widersprüchlich.

Viele Abgänge nach Comans Wechsel: Nur für wenige gab es Ablöse

Einige dieser vielversprechenden Talente wechselten in den vergangenen Jahren in die Bundesliga. Neben Kouassi in diesem Jahr Gloire Bunga, der sich dem SC Freiburg anschloss. Vergangene Saison sicherte sich Bayer Leverkusen Moussa Diaby, Christopher Nkunku ging zu RB Leipzig. Dort schlug der Mittelfeldspieler voll ein, erklärte den Roten Bullen, dass er im Verein bleibe.

Beim TV-Sender "Canal Plus" sagte Nkunku nach dem Wechsel über seinen Jugendverein: "PSG ist ein sehr grosser Verein. Und es ist wahr, dass es für junge Leute schwierig ist, sich bei PSG zu etablieren." Einige würden es bevorzugen, "woanders zu spielen, um Erfahrung zu sammeln."

Zum Beispiel Dan-Axel Zagadou (BVB), Bouakary Soumaré, Fodé Ballo-Touré (beide OSC Lille) und Mahmadou Dembélé - sie sind gleich vier Toptalente, die PSG 2017 ablösefrei verliessen. Für Diaby, Nkunku und Arthur Zagre (zur AS Monaco) kassierte PSG knapp 40 Millionen Euro, Trainer Thomas Tuchel gab ihnen zuvor ein wenig Spielpraxis in der Ligue 1, um den Marktwert zu steigern. In diesem Sommer kassierte PSG nichts.

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Transfersummen-im-Bundesliga-Europa-Vergleich © 1&1 Mail und Media

Reservemannschaft abgemeldet: Erfolgreiche Jugendarbeit nicht gewünscht?

Viele europäische Topklubs sehen ihre Jugendspieler früh verschwinden, sie werden ausgeliehen, verkauft oder suchen sich eine bessere Perspektive. Auch Real Madrid und dem FC Bayern geht es so. Die grossen Erfolge werden mit in- und ausländischen Stars eingefahren. Und doch entsteht das Gefühl, PSG legt kaum Wert auf eine erfolgreiche Jugendarbeit.

Die Reservemannschaft, die in der vierten Liga spielte, wurde zur Saison 2019/20 vom Spielbetrieb abgemeldet. Die Nachwuchsspieler kommen in der U19 dazu, auf sich aufmerksam zu machen - der Schritt in die erste Elf ist so noch schwieriger.

In einer offiziellen Erklärung begründete Paris, es gebe keine "wünschenswerten Bedingungen" mehr. Für den früheren Leiter der Jugendabteilung, Luis Fernandez, bedeutet das: "Die Ausbildung hat keine Priorität mehr", sagte er bei "France Football". "Die Reserve wurde aus Gründen abgeschafft, die ich nicht verstehe. Man trennt sich von den jungen Spielern, man will sie nicht mehr haben."

Für die Jugendlichen gibt es seit dem Abgang von Luis Fernandez keine Identifikationsfigur mehr, keinen zentralen Ansprechpartner. Die vielen wechselnden Sportdirektoren bei PSG erschwerten das Gefühl von Sicherheit - Tuchel ist da kaum hilfreich.

PSG-Bosse widersprechen - doch sie sehen Tuchels Erfolg

Denn der deutsche Trainer, seit 2018 im Amt, macht wenig Experimente mit dem Nachwuchs. Aus der Halbfinal-Startelf stammt nur Innenverteidiger Presnel Kimpembe aus der PSG-Jugend. Stattdessen will sich Tuchel mit den Superstars gut stellen, verteidigt Neymar immer wieder, und schaffte es nun endlich, dass die teuersten Spieler der Welt den Teamgeist leben. "Das Team ist wie eine Familie für mich", sagte 222-Millionen-Mann Neymar vor dem Finale.

Vor fünf Jahren hatte Klub-Präsident Nasser Al-Khelaifi in der "L‘Equipe" grosse Töne verlauten lassen. "In Zukunft will ich, dass wir es nicht mehr nötig haben, Spieler zu verpflichten, sondern sich das Team hauptsächlich aus Spielern unserer Akademie besteht." Bis heute ist nicht viel davon zu sehen. Vielleicht erinnert er sich an die Worte, sollte Coman mit seinen Bayern-Kollegen den Henkelpott in den Nachthimmel heben.

Verwendete Quellen:

  • Spox.com: Coman, Nkunku, Diaby, Kouassi und Co: Darum kann PSG seine Talente nicht halten
  • Sport1: Warum PSG die Toptalente verliert
  • Transfermarkt.de: Talente-Exodus bei PSG - Ex-Jugendchef: "Man will die jungen Spieler nicht mehr"
  • "Le PSG ne lui a jamais manqué de respect" : la réponse de Leonardo à Thomas Meunier
  • Daily Mail: PSG dissolves reserve team from next season as French champions look to improve fortunes of Under 19 squad
  • Le Paris Saint-Germain met un terme à son Groupe Élite pour mieux optimiser le travail de son équipe U19
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