Mit einer XXL-Konferenz mit 18 gleichzeitig stattfindenden Spielen ist die erste Champions-League-Ligaphase der Geschichte zu Ende gegangen. Ist die Reform ein Erfolg oder war die anfängliche Kritik daran doch berechtigt? Ein Pro und Contra.

Meine Meinung
Dieser Meinungsbeitrag stellt die Sicht von Michael Schleicher und Julian Münz dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Pro: Ein Gewinn für die Fans und den Fussball

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von Michael Schleicher

Was wurde nicht geschimpft und kritisiert, sich geärgert und aufgeregt: Die Champions League, das Premium-Produkt des europäischen Fussballs, wird revolutioniert. Neu ist immer besser? "Von wegen!", haben die Fussball-Romantiker damals gewettert. Die klassische Gruppenphase soll bleiben – und das am besten für immer!

Jetzt, nach dem letzten Spieltag der neuen Ligaphase in der Königsklasse, ist klar: Die Bedenken waren völlig unnötig, die Reform der Champions League hat den Unterhaltungswert des Turniers immens in die Höhe geschraubt.

Die Ligaphase sorgte für Spannung bis zur letzten Minute des letzten Spieltags: Wer qualifiziert sich direkt fürs Achtelfinale, wer muss in die ungeliebten Playoffs – und wer scheidet kurz vor dem Ziel doch noch komplett aus dem Wettbewerb aus? Nonstop-Action, auch weil alle Spiele gleichzeitig liefen, und Tore im Minutentakt – so wünschen wir uns doch eigentlich alle den Fussball.

Und schon zuvor hat die CL-Reform ihre Wirkung gezeigt: Eine Tabelle, die beinahe nach jedem Spieltag komplett anders aussieht. Favoriten, die straucheln und ums Weiterkommen bangen, sowie Überraschungsmannschaften, die plötzlich vor dem direkten Einzug in die K.o.-Phase stehen: Die Ligaphase hat Geschichten zutage gebracht, die so nur der Fussball schreiben kann.

Im Vergleich dazu die klassische Gruppenphase mit sechs Spieltagen: Dort war es in der Vergangenheit häufig der Fall, dass die Top-Klubs in ihrer Vierergruppe schon nach vier Spieltagen fürs Achtelfinale qualifiziert waren.

Wenn Manchester City dann, wie in der vergangenen Saison, am letzten Spieltag noch bei Aussenseiter Roter Stern Belgrad "ran darf" und zusätzlich noch mit der B-Mannschaft aufläuft, sorgt das verständlicherweise nicht mehr wirklich für grosses Fan-Interesse. Ein Einzelfall ist das natürlich nicht, Beispiele wie diese gibt es seit Beginn der klassischen Gruppenphase.

Solche Fälle sind mit der neuen Ligaphase deutlich seltener geworden, nur wenige Teams konnten sich bereits vor dem letzten Spieltag wirklich sicher sein, direkt weiterzukommen. Fussballspiele, die kein Mensch wirklich braucht, gibt es somit kaum noch. Eine gute Entwicklung. Die Ligaphase der Champions League ist ein Gewinn – für die Fans und den Fussball.

Contra: Spannend, aber nicht fair

von Julian Münz

Mit der neuen Champions-League-Reform hat sich die Uefa mal wieder selbst übertroffen – in ihrem Geschäftssinn, um genau zu sein. Denn der europäische Fussballverband hat mit der Ligaphase das perfekte Format gefunden, das die Probleme des modernen Fussballgeschäfts kaschiert, ohne sie lösen zu müssen.

Und um es vorwegzunehmen: Ja, die neue Champions-League-Ligaphase sorgt durchaus für Spannung. Der kleine Haken daran: Fair ist das neue Format damit trotzdem nicht wirklich. Nur acht Spiele in einer Liga mit 36 Teams auszutragen – das ist, als würde man die Bundesliga nach dem 4. Spieltag beenden. Sicherlich auch spektakulär, von einem gerechten Ergebnis würde aber verständlicherweise niemand reden. In der Champions League ist das ab jetzt anders: Und so steht Atlético Madrid, denen ein Heimspiel gegen RB Leipzig (am Ende Platz 32) zugelost wurde, vor Bayer 04 Leverkusen, die aus dem gleichen Lostopf auswärts gegen Spitzenreiter Liverpool antreten mussten.

So viel Abwechslung in der Tabelle konnte das alte Format mit acht Gruppen zu je vier Mannschaften nicht bieten – was aber mehr an der finanziellen Kluft im europäischen Spitzenfussball lag als am System an sich. Mit dem neuen Format wird die Geldverteilung zwar noch asymmetrischer, beim Fan kommt das aber nicht mehr so sehr an. Schliesslich kann man jetzt ja noch mitfiebern, ob die milliardenschweren Topklubs direkt ins Achtelfinale kommen oder nochmal zwei Spiele extra bestreiten müssen.

Ganz am Ende der Tabelle landen aber wieder fast ausschliesslich die Klubs, die finanziell längst abgehängt sind. Anders als im alten Format übrigens, als Manchester United (2024), Atlético Madrid, Juventus (2023) oder der FC Barcelona (2022 und 2023) sich schon in der Gruppenphase verabschieden mussten.

Ein voller Erfolg also für die Topklubs. Und noch besser: Die Uefa hat mit ihrem Format nicht nur zwei Spieltage mehr im Terminkalender verankert, sondern kann die willkürlich angesetzte Spielanzahl in der Zukunft noch nach Belieben verändern. Ob die Klubs in diesem Format am Ende sechs (wie in der Conference League), acht oder zehn Spiele bestreiten, spielt keine Rolle. Mit so viel neuen Möglichkeiten trägt man dann auch gerne mal einen Spieltag gleichzeitig aus.

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