Cristiano Ronaldo liefert die nächste Hattrick-Gala in der Champions League und alle fragen sich: Warum wird dieser CR7 mit der Zeit nicht schlechter, sondern sogar noch stärker? Vielleicht, weil er sein Spiel umgestellt hat - und weil er zwei starke Trainer hat.
Als das Stadion bebte, die Fans beinahe orgiastisch feierten und Real Madrid mal wieder bewiesen hatte, wer die Nummer eins in der Stadt ist - in diesem Moment hatte
Ronaldo hatte soeben das 3:0 erzielt, es war sein drittes Tor im Halbfinale gegen Atlético und sehr wahrscheinlich der Türöffner zum Finale von Cardiff. Aber Ronaldo wollte nicht vollumfänglich mitjubeln, er hatte noch etwas mitzuteilen.
Also formte er mit der rechten Hand ein Plappermaul und mit dem linken erhobenen Zeigefinger wedelte er dazu. Ihr sollt nicht an mir zweifeln, sollte das wohl bedeuten. Vorsichtig formuliert. Wohl eher erinnerte Ronaldo die Kundschaft an die innerbetrieblichen Störungen vor einigen Wochen.
Da wurde der Superstar im Heimspiel gegen Celta Vigo von den eigenen Fans ausgepfiffen und ausgebuht, so laut und nachhaltig wie nie zuvor in einem Stadion von den eigenen Anhängern.
Ronaldo steckte Anfang März in einer kleinen Krise, er schoss den Ball nicht mehr ins Tor - und wenn Ronaldo den Ball nicht mehr ins Tor schiesst, dann fehlt ihm die Existenzgrundlage. Denn das ist es, wofür er bezahlt wird. Und wofür er für Real Madrid auch mit 32 Jahren noch unersetzlich ist.
Beeindruckende Zahlen
Spätestens die phänomenalen Leistungen in den letzten Spielen der Königsklasse lassen erahnen, wo Real Madrid ohne seinen Superstar stünde. Vermutlich würden die Königlichen unter der Woche vor dem Fernseher sitzen, so wie es jetzt die Bayern- oder Dortmund-Spieler tun.
Aber Ronaldo ist noch immer der Go-to-guy der Madrilenen, der Spieler für die wichtigen Momente. Und es hat nach dieser magischen Nacht von Madrid fast den Anschein, der Portugiese wäre wertvoller denn je für seine Mannschaft.
Der Hattrick gegen Atlético im Halbfinale der Champions League war der 47. seiner Karriere und der zweite in der Königsklasse in Folge. Noch nie zuvor war es einem Spieler gelungen, in zwei aufeinanderfolgenden K.o.-Spielen zwei Hattricks zu erzielen.
Für Real Madrid hat er jetzt in 389 Pflichtspielen 399 Tore erzielt, in der Champions League kommt er in seiner Karriere insgesamt auf 103 Tore. Gegner Atlético kommt in seiner gesamten Klubhistorie auf 100 Treffer.
Imposante Zahlen hat der Mann von der Blumeninsel Madeira da angesammelt und nicht nur so mancher Experte fragt sich, ob der Ronaldo im Herbst seiner Karriere der beste Ronaldo aller Zeiten sein könnte?
Gesetze ausser Kraft gesetzt
Der unweigerliche Niedergang der körperlichen Leistungsfähigkeit jedenfalls scheint an
Diese Superkräfte müssten im Laufe der Zeit schwinden, so war die Vermutung. Ronaldo setzt diese ehernen Gesetze aber offenbar völlig ausser Kraft. Mit Zufall oder Zauberei hat das aber wenig zu tun. Vielmehr haben Ronaldo und sein Trainer
Das hat zum einen damit zu tun, dass Ronaldo auf dem Platz machen darf, was er will. Nun war das bereits in den letzten Jahren sehr oft der Fall, dass sich Ronaldo etwa fast gar nicht am Spiel gegen den Ball beteiligen musste. Dafür gibt es neun andere Feldspieler - und daran hat sich auch in diesen Tagen wenig geändert.
Weniger Schnörkel, mehr Zielstrebigkeit
Was sich geändert hat, ist Ronaldos Position im Spiel der Königlichen und dessen Interpretation. Gegen Atlético spielte Ronaldo deutlich weiter vorgezogen als der eigentliche nominelle Angreifer Karim Benzema, er bewegte sich im linken Halbfeld ausserhalb der Reichweite der Innenverteidiger und im Rücken der Aussenverteidiger.
Ronaldos Spiel ohne Ball ist besser geworden, er bewegt sich intuitiv besser in die Räume, er antizipiert besser. Damit fängt er mögliche Geschwindigkeitsdefizite auf, weil er einfach eine Spur früher losläuft als der Gegner. Im Strafraum geht er so effektiv und zielgerichtet vor wie selten gesehen: Ein kurzer Antritt und schon hat er die bessere Position zum Ball.
Mit dem Ball am Fuss lässt er mittlerweile die unendlich vielen Schnörkel sein, die sinnlosen Übersteiger fünf Meter vom Gegenspieler entfernt, die keinerlei Nutzen hatten und ihm stattdessen den Ruf des arroganten Selbstdarstellers einbrachten.
Doch er ist hungrig wie nie. Auch nach zwei Toren hört er nicht auf, will immer noch das dritte, vierte oder fünfte erzielen. Diese Gier und der Fokus auf das grosse Ziel, als erste Mannschaft überhaupt den Champions-League-Titel verteidigen zu können, treiben ihn an.
Zidane und Santos haben grossen Anteil
Zum anderen müssen aber auch seine Trainer gelobt werden. Zidane hat Ronaldo in mühsamer Kleinarbeit vermitteln können, dass er nicht mehr jede einzelne Partie spielen muss oder darf. Ronaldo, der auf der Jagd nach Toren und Weltfussballer-Titeln auch in den unwichtigsten Spielen beim Stand von 5:0 für Real nicht vom Feld wollte, wird von Zidane jetzt immer öfter geschont.
Das schmeckte CR7 anfangs überhaupt nicht, und es kam nicht nur einmal beinahe zum Zerwürfnis zwischen Trainer und Star. Aber letztlich sollte Zidane Recht behalten - Ronaldos Form in den Endzügen der Saison ist auch einer bemerkenswerten körperlichen und geistigen Frische geschuldet.
Und dann wäre da noch Portugals Nationalcoach Fernando Santos. Der hat die ewige Verlierer-Nation im vergangenen Sommer zum Europameistertitel gecoacht. Er hat Ronaldo zu einem Teamplayer umfunktioniert und erst damit das Beste aus der Mannschaft herausgeholt.
Auch Santos' Pragmatismus und Ronaldos Eitelkeit waren zwei gegensätzliche Pole. Der Erfolg heiligt aber auch bei einem der besten Spieler aller Zeiten die Mittel.
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