Es war ein Spiel auf extrem hohem Niveau. Ein 0:0 der allerbesten Art. Intensität, Kampf, Tempo und eine Vielzahl von Strafraumaktionen. Was der FC Bayern über 90 Minuten in Liverpool zeigte, war eine der besten Leistungen unter Niko Kovac.

Steffen Meyer
Eine Kolumne

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Vor allem defensiv nahmen die Münchner den für ihren attackierenden Stil bekannten Reds von Jürgen Klopp über weite Strecken den Wind aus den Segeln. Zu Hause muss nun ein Sieg her, um in die nächste Runde einzuziehen. Nach den Eindrücken des Hinspiels kein aussichtsloses Unterfangen.

Ohnehin sollten Mannschaft und Trainer viel Kraft aus diesem Spiel für die gesamte weitere Rückrunde schöpfen. In der Liga ist Dortmund in Reichweite. Im Pokal ist das Heimspiel gegen Heidenheim beinahe ein Selbstläufer. Es ist doch noch richtig was drin in dieser Saison, und das Spiel gegen Liverpool brachte dafür mindestens drei wichtigen Erkenntnisse.

1. Let Kovac be Kovac

Nein. Es war keine "Mauertaktik, die Kovac an der Anfield Road wählte - auch wenn mancher Beobachter dies nach dem Spiel so analysierte. Und doch wurde gegen Liverpool zum ersten Mal deutlich, wohin Niko Kovac den FC Bayern langfristig entwickeln könnte.

Sehr auffällig: Ein extrem intensives Pressing. Nicht nur in vorderster Front, sondern auch mit aktiv nachrückenden Mittelfeldspielern. Ein Stilmittel, das in dieser Saison eher selten zu sehen war.

Dazu war deutlich, dass der Fokus der gesamten Münchner Ausrichtung ganz klar darauf lag, das Angriffsspiel der Hausherren zu stören. Auch das war so in dieser Saison noch nicht zu sehen, da die Bayern meist auf die eigene Arbeit mit Ball konzentriert sind.

Als dann gegen Ende der Partie auch noch eine Reihe von langen Bällen auf Zielspieler Lewandowski hinzu kamen, fühlte man sich endgültig an Spielweise der Frankfurter Eintracht unter Kovac erinnert. Nur eben auf deutlich höherem individuellen Niveau.

Vielleicht liegt hier in der Tat ein Schlüssel zu einer weiteren Positivwendung dieser Münchner Saison. Kovac fremdelt bisher mit den extrem hohen Spielanteilen seiner Elf und der Notwendigkeit eines exakten und detailliert einstudierten Positionsspiels. Weil dies bisher nicht konstant funktioniert, laufen die Bayern nach Ballverlusten so oft in kaum noch zu beherrschende Konter, da Abstände zu gross und Wege ins Gegenpressing durch schlechte Positionierungen zu weit sind.

Nun werden die Bayern nicht drum herum kommen, in einem Grossteil der Duelle das Spiel zu gestalten. Doch Kovac sollte ernsthaft darüber nachdenken, die extrem wirkungsvolle Arbeit gegen den Ball auch in anderen Spielen zu einem klaren Schwerpunkt zu machen.

Kovac ist als Coach vor allem aufgrund dieser Qualitäten überhaupt erst ins Blickfeld der Bayern gerückt. Warum soll er nicht häufiger den Fussball spielen lassen, der seinen Stärken entspricht? Let Kovac be Kovac.

2. Martínez für die grossen Spiele

Eigentlich ist Javi Martínez mit seiner Spielweise ein wenig aus der Zeit gefallen. Er ist nicht so elegant wie andere prägende Sechser wie Weltmeister N'Golo Kanté und auch nicht so knallhart im Zweikampfverhalten wie Reals Casemiro.

Martínez wühlt sich eher durchs Mittelfeld, hat immer irgendwo den Fuss dazwischen, antizipiert Steilpässe und gewinnt so ziemlich jeden hohen Ball, der in seine Richtung kommt.

Physisch wirkt der 30-Jährige schwerfälliger als in der Triple-Saison 2012/2013, als er Bayerns Spiel nach seiner Ankunft und einer herausragenden Saison auf die nächste Stufe hob. Doch gegen Liverpool zeigte der Baske auch eindrucksvoll, wie wertvoll er noch sein kann.

Vielleicht ist genau dies die Rolle, die Kovac ihm in dieser späteren Karrierephase zuschreiben sollte. Ein Spezialist für spezielle Abende und grosse Spiele. Wie am Dienstag gegen Liverpool.

3. Bayern braucht mehr Alternativen

Bayerns verhältnismässig kleiner Kader ist ein Dauerthema in dieser Saison. Gegen Liverpool war es allerdings schon extrem auffällig, wie dünn die Bayern besetzt waren und wie wenig Alternativen Kovac hatte.

Franck Ribéry und mit Abstrichen Renato Sanches waren die einzig echten Kandidaten von der Bank. Dazu kam Altmeister Rafinha und die völlig unerfahrenen Davies, Shabani und Mai, die ohnehin keine echte Option waren.

Auf der Gegenseite konnte Klopp mit Origi, Lallana, Sturridge, Shaqiri und Millner gleich auf eine Vielzahl von Spielverläufen reagieren. Verletzungen lassen sich natürlich kaum vorhersagen, doch Bayern muss aus dieser Situation Lehren ziehen. Durch kluge Belastungssteuerung im Verlauf der Rückrunde und einer entschlossenen Transferpolitik im kommenden Sommer.

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