Der FC Bayern trifft am Mittwoch in der Champions League auf Real Madrid. Der "Bestia negra" haben die Spanier in den vergangenen Aufeinandertreffen den Zahn gezogen. Doch kehrt nun das Biest zurück? Und wenn ja, in welcher Gestalt?

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Früher, so lange ist das gar nicht her, da galt der FC Bayern in Madrid noch als die "Bestia negra", die schwarze Bestie, der Angstgegner schlechthin.

Manche sehen den Ursprung des Madrilenen fressenden Monsters im Jahr 1980, als der FC Bayern Real in einem Freundschaftsspiel mit 9:1 vom Platz fegt. Laut Klaus Augenthaler, der damals auf dem Feld steht, haben die Spanier "diese Demütigung nie vergessen".

1987 werden der Feindschaft zwischen den beiden Mannschaften erstmals Hörner aufgesetzt. Im Halbfinale des Pokals der Landesmeister tritt Juanito Bayern-Star Lothar Matthäus um (fünf Jahre internationale Sperre!), Augenthaler macht mit zwei Fingern an der Stirn eine eindeutige Stierkampf-Geste. Der FC Bayern kommt weiter. Der Hass wächst.

Ex-Bayern-Torhüter Oliver Kahn hingegen, gewohnt zurückhaltend, sieht den Ursprung der Legende natürlich bei sich selbst. 2001, im Halbfinale der Champions League, treibt der Titan die "Königlichen" zur Verzweiflung. Bayern kommt weiter und holt den Henkelpott gegen Valencia.

Kahn als ultimative Bestie

Oliver Kahn ist die ultimative Verkörperung der "Bestia negra", er ist der Angstgegner schlechthin. Als Bayern und Madrid 2007 wieder aufeinander treffen, titelt die "Marca" über einem martialischen Bild von Kahn: "Das ist der Feind!"

Zum neuen Feind wird in diesen Achtelfinal-Partien jedoch Bayerns "Aggressive leader" Mark van Bommel, der im Hinspiel zum 2:3-Endstand zwei Minuten vor Schluss trifft und dessen sogenannte "Stinkefaust"-Geste ihn auf ewig zur Persona non grata in Madrid werden lässt. Die "Marca" schreibt ganz aufgeregt: "Dafür werden sie büssen. Diese Geste kann nicht ungestraft bleiben. Die beste Rache wäre es, sie rauszuwerfen". Bayern kommt weiter.

2012 schmeissen die Bayern Real ein letztes Mal aus der Champions League. Seither hat die schwarze Bestie jedoch einiges an Biss eingebüsst. 2014 und 2017 kann sich Real jeweils halbwegs ungefährdet gegen den FCB durchsetzen. Von Angstgegner keine Spur, stattdessen gleicht der deutsche Rekordmeister unter Pep Guardiola und Carlo Ancelotti in diesen Spielen eher einem zahnlosen Kätzchen.

Und einzelne Spieler, die den Madrilenen das Fürchten lehren könnten, sind auch nicht in Sicht.

Wer wird Madrids nächster Erzfeind?

Nun soll am Mittwoch im Halbfinale (20:45 Uhr, LIVE bei uns im Ticker) also die schlafende Bestie erneut geweckt werden. Doch ausgerechnet der Mann in den Reihen der Bayern, der bereits dank Irokese und wilder Körperbemalung als Feindbild prädestiniert wäre, wird nicht dabei sein. Arturo Vidal fällt mit einer Knieverletzung aus.

Doch wer trägt ausser dem Chilenen noch das Kämpfergen in sich? Wer schafft es auf das Titelbild der Marca?

Kandidaten gibt es gleich mehrere.

Da wäre zum einen Franck Ribery. Der Franzose brennt für die grossen Spiele, kann an guten Tagen eine Partie entscheiden. An schlechten Tagen brennt ihm allerdings die Sicherung durch. Sollte er es schaffen, seine aggressive Energie in Dribblings und nicht Fouls zu legen, kann er Real definitiv das Fürchten lehren.

Oder droht den "Königlichen" das nächste Torhüter-Trauma? In Spanien dürften sie Sven Ulreich trotz seiner überragenden Saison noch immer nur als Ersatzmann für Manuel Neuer auf dem Zettel haben. Doch in der aktuellen Form ist "Ulle" dazu in der Lage, in die Fussstapfen von Oliver Kahn zu treten. Das werden sie in Madrid hoffentlich bald merken.

James besonders motiviert

Besonders motiviert dürften auch James und Thiago sein, sollten sie denn ihre Chance bekommen, gegen Real aufzulaufen. James spielte bis vor kurzem selbst in der spanischen Hauptstadt, konnte sich unter Trainer Zinedine Zidane jedoch nicht durchsetzen. Ein guter Auftritt gegen sein Ex-Team hätte sicherlich ein nettes Geschmäckle für James, auch wenn er selbst das natürlich nicht zugeben möchte. Er denke überhaupt nicht an eine persönliche Revanche an Zidane, erklärte der Mittelfeldspieler in der "TZ". "Ich will meinen Mitspielern nur mit meinen Qualitäten helfen und meinen Teil dazu beitragen, dass wir nach Kiew reisen können. Wir wollen ins Finale einziehen und dementsprechend werden wir gegen Real Madrid auftreten. Der Rest ist egal."

Thiago hingegen hängt mit halbem Herzen noch immer am FC Barcelona, wo er seine Jugend verbracht hat. Einer gewissen Abneigung gegen Real wird sich der Spanier also kaum entziehen können. Eine Extraportion Motivation ist somit auch bei Thiago sicher.

Einer der schon vor der Partie verbal vorausmarschiert, ist Thomas Müller. "Wir gehen mit breiter Brust in das Spiel", tönte der Interims-Kapitän nach dem Bundesliga-Spiel in Hannover am Wochenende.

Allerdings nutzt ein freches Mundwerk allein gegen Real wenig. Gut, dass Müller die Ladehemmung, die ihn zu Saisonbeginn lähmte, längst abgelegt hat und es wieder regelmässig müllern lässt. Im Spiel gegen Real würde es jedoch sicherlich helfen, in gewissen Situationen die Giftspritze auszupacken und so als Vorbild für seine Mannschaft voranzugehen.

Die wahre Bestie sitzt auf der Bank

Doch der, vor dem sich die Madrilenen am meisten fürchten sollten, sitzt ohnehin auf der Bank: Jupp Heynckes geht mit einer Selbstverständlichkeit, mit einer Erfolgsgewissheit an dieses Halbfinale heran, dass seinen Spielern fast nichts anderes übrig bleibt, als auch an den Einzug ins Finale von Kiew zu glauben.

Heynckes ist der Grund, dass sie in Madrid gerade so nervös sind wie lange nicht. Anders lassen sich die Griffe in die martialische Sprüche-Kiste kaum erklären. Zidane kündigt einen Kampf "bis zum Tod" an, und Real-Präsident Perez glaubt: "Unsere Spieler werde ihre Seele auf dem Platz lassen!".

In Madrid haben sie ganz offensichtlich Angst, dass die "Bestia negra" aus ihrem langen Winterschlaf erwacht ist.



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