Fünf Spieler, fünf (Final-)Geschichten: Von der Wiedergeburt bis zur grossen Erlösung - eine Handvoll Bayern-Spieler prägte die Champions-League-Saison und das Finale ganz besonders.

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Es war eine ausgewachsene Krise, in der sich der FC Bayern im Herbst 2019 befand. Alles war infrage gestellt worden, nicht nur Trainer Niko Kovac. Es ging um die über die Jahre mühsam erarbeitete Identität der Mannschaft und einige ihrer Spieler. Eine wahrlich bedrohliche Phase, selbst für diesen grossen und mächtigen Klub. Von einem möglichen Triple schienen die Bayern in diesen Tagen so weit entfernt wie schon lange nicht mehr - nur um das Triple zehn Monate später dann Wirklichkeit werden zu lassen.

Was in der Zeit zwischen dem Tiefpunkt und dem wundersamen Aufstieg passiert ist, wurde nun schon oft genug beschrieben. Das Finale von Lissabon presste einiges davon aber noch einmal in 90 Minuten. Eine Handvoll Spieler steht sinnbildlich für die Wandlung, und der eine oder andere ist endlich am Ziel aller Träume. Das Quintett im Fokus.

Thomas Müller

Keiner verkörpert die Metamorphose der Mannschaft in dieser Saison so wie der Routinier. Für Müller war die Partie gegen Paris das vierte Champions-League-Endspiel in zehn Jahren: Eine sagenhafte Bilanz und eine Demonstration der Beständigkeit auf höchstem Niveau.

Müllers Privatfehde mit Ex-Trainer Kovac füllte im Herbst zahlreiche Gazetten, die Unzufriedenheit des Gefühls-Fussballers übertrug sich auch auf die Mannschaft und das Binnenklima. Kovac unterschätzte nicht nur den sportlichen, sondern auch den zwischenmenschlichen Wert des Spielers und scheiterte letztlich daran.

Müller selbst kam wie befreit aus seiner Zwangspause zurück und wurde zum Anführer der Mannschaft. Mit einem glücklichen Müller wurden auch die Mitspieler wieder glücklicher. Der Spieler schlüpfte in seine Paraderolle als Bessermacher: Jeder seiner Kollegen profitierte von ihm - Philippe Coutinho mal ausgenommen, dessen Platz im Team Müller fortan belegte.

Der Teamerfolg steht aber natürlich über allem und so wird es auch Coutinho verschmerzen können, der einst von Liverpool nach Barcelona kam, um die Königsklasse zu gewinnen. Und das nun als Leihspieler mit den Bayern geschafft hat. Auch dank Thomas Müller, der zwar nicht unbedingt im Finale, aber letztlich doch über Monate auf so vielen Ebenen den Unterschied machte.

Kingsley Coman

Eigentlich hatten die meisten Ivan Perisic als linken Flügelspieler der Bayern erwartet. Auf den Kroaten war bisher immer Verlass, im Viertelfinale gegen Barca gehörte Perisic zu den Stärksten. Für das Finale wollte Hansi Flick aber mehr als "nur" den Rollenspieler Perisic. Einen Spieler mit speziellen Fähigkeiten.

In Paris‘ Halbfinale gegen Leipzig war zu sehen, dass Thilo Kehrer auf der rechten Abwehrseite durchaus einige Probleme hatte, also stellte Flick den besten Dribbler im Team gegen eine der weicheren Stellen in einer ansonsten sehr massiven Pariser Abwehr.

Coman war bisher nicht bekannt als der Spieler, der vor dem Tor besonders kalt auftreten würde. Klar, diverse nationale Meisterschaften (alleine fünf mit dem FC Bayern) in drei Ligen mit drei unterschiedlichen Klubs sind im Alter von 24 Jahren eine unglaubliche Leistung. Aber Coman als Matchwinner? In einem Champions-League-Finale? Doch eher unwahrscheinlich.

Am Ende wurde das Finale von Lissabon "zum schönsten Tag in meinem Leben", wie der in Paris geborene Coman sagte. Ab sofort steht er in einer Reihe mit Ikonen wie Katsche Schwarzenbeck, Bulle Roth, Stefan Effenberg, Arjen Robben: (Sieg-)Torschützen des FC Bayern in einem Champions-League-Finale.

Thiago

Kaum ein Spieler polarisiert Medien und Fans mehr als Thiago. Die Einschätzung seiner Leistung oszilliert nicht selten zwischen Kreisklasse und Weltklasse. Aber das ist natürlich Quatsch. Es gibt keinen besseren Fussballspieler im Münchner Kader als Thiago.

Niemand lässt das Schwerste so leicht erscheinen, seine Leistung im Finale gegen Paris war schlicht grandios. Mit dem Ball war er mal wieder das Metronom einer perfekt eingestellten Maschine, gegen den Ball ein Räuber erster Güte. Etliche Pariser Angriffe verhedderten sich in seinen Beinen.

Dabei galt er angeblich als Wackelkandidat für das Endspiel, mit Joshua Kimmich auf der Sechs sollten die Bayern mehr Stabilität haben. Aber viel stabiler als mit Thiago gegen die Superdribbler Neymar, Mbappé und Di Maria konnte man kaum stehen.

Thiago kam dereinst mit Pep Guardiola im Gepäck zu den Triple-Bayern. Nun verlässt er den Klub (wohl) als Triple-Sieger. Sieben Jahre lang rannte er dem Triumph in der Königsklasse mit den Münchnern hinterher, diese lange Zeit der Leiden durfte dann auch jeder sehen nach seiner Auswechslung ein paar Minuten vor dem Ende.

Thiago hing an einer Plexiglasscheibe, brüllte die Kollegen nach vorne. Der Sieg könnte nun die Endstation seiner Reise mit den Bayern sein und das perfekte Ende seiner Zeit in München. Einige Beobachter werden seinen Wert wohl erst dann zu schätzen wissen, wenn er wirklich nicht mehr da ist.

Robert Lewandowski

Es gibt Druck. Und es gibt beinahe unmenschlichen Druck. Natürlich alles im Rahmen des sportlichen Wettbewerbs, es geht schliesslich nicht um Leben oder Tod. Aber unter allen Spielern im Kader der Bayern stand für Robert Lewandowski das Meiste auf dem Spiel.

Lewandowksi kam auch erst nach dem ersten Triple nach München, die Königsklasse war sein Sehnsuchtsort. Mit seiner Nationalmannschaft stehen die Chancen auf einen grossen Titel im Vergleich zu fast allen anderen im Kader bedeutend schlechter, also bleibt Lewandowski immer "nur" der Klub.

Lewandowski wurde mit 15 Treffern Torschützenkönig der Champions League, vielleicht gewinnt er nun, mit dem Pott im Rücken, auch den Ballon d‘Or. Aber ohne Silberware wäre das kaum möglich und wären auch die 15 Tore lediglich eine Randnotiz in der Geschichte.

Für Lewandowski dürfte sich der Triumph von Lissabon wie eine Erlösung anfühlen, mit mittlerweile 32 Jahren war die Aussicht auf weitere Chancen, in einem Finale zu stehen, nicht besonders gross. Lewandowski hatte vor dem Finale einen Bruder im Geiste auf der gegnerischen Seite. Auch für Thiago Silva, bald 36 Jahre alt, wurde das Finale zu einer womöglich allerletzten Chance auf den Champions-League-Triumph. Aber wie das eben so ist: In einem Finale kann es nur einen Sieger geben.

Manuel Neuer

Im Vergleich zu Lewandowski konnte Manuel Neuer wohl in Seelenruhe ins Finale gehen. Neuer kannte die Situation bereits, es war sein viertes grosses internationales Endspiel in acht Jahren. "Grosse Spiele werden von grossen Spielern entschieden", heisst es immer. Damit sind in der Regel die Torschützen gemeint, in den seltensten Fällen aber die Torhüter. Obwohl die eigentlich immer den grössten Anteil überhaupt haben.

Nicht nur Thomas Tuchel vermutete vor dem Spiel, dass das erste Tor einen ganz entscheidenden Charakter haben dürfte. Manuel Neuer verhinderte dieses erste und letztlich überhaupt ein Tor für den Gegner. Bezeichnend seine Geste, als er sich gegen Ende des Spiels nach einem Schuss aus kürzester Distanz und Abseitsposition von Mbappé vor dem auftürmte, die Arme weit vom Körper gestreckt, als wolle er sagen: hier und heute nicht!

Neuer überhaupt aufstellen zu dürfen, sei eigentlich schon "Wettbewerbsverzerrung", sagte Tuchel danach in einer Mischung aus Witzelei und grösstmöglicher Anerkennung. Und damit war auch schon alles gesagt, grösser kann das Lob des gegnerischen Trainers nicht ausfallen.

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