Am Mittwochabend treffen die zwei Jungstars Jamal Musiala und Florian Wirtz in der Champions League aufeinander. Die Konstellation um die beiden Nationalspieler erinnert ein wenig an Wolfgang Overath und Günter Netzer in den 1970er-Jahren.
Das Deutsche Fussballmuseum in Dortmund hat in diesen Tagen zwei Weltstars des Mittelfelds zu Gast: vorige Woche Wolfgang Overath im Smalltalk beim Kollegen Sven Pistor und Anfang April Günter Netzer in einer Sonderausstellungzu seinem Lebenswerk.
Für die zwei Altinternationalen ist zeitliche Distanz zwischen den Auftritten durchaus zuträglich. In ihren besten Zeiten als Fussballer standen sie im Wettstreit bei Bundestrainer Helmut Schöns Nationalelf, weil immer nur einer von ihnen spielen durfte. An der Rivalität hat sich fünf Jahrzehnten später nichts geändert.
Als Netzer von einer Journalisten-Jury zuerst in die Hall of Fame des deutschen Fussballs gewählt wurde, witterte Overath sofort eine Verschwörung. Er war's ja, der Kölner, der 1974 in der Startelf des Weltmeisters spielte. Und nicht Netzer, der Ex-Gladbacher, der bei der Heim-WM fast durchgehend auf der Bank sass.
So im Nachhinein fragt man sich: Warum haben die zwei Strategen niemals miteinander in der deutschen Mannschaft harmoniert? Taktische Raumaufteilung, schon klar. Man kann aber auch anders argumentieren: Ein Trainer kann nicht genug gute Fussballer in seiner Truppe aufstellen.
Nagelsmann darf sich glücklich schätzen
Insofern darf sich Deutschland glücklich schätzen, dass der aktuelle Bundestrainer
Nach allem, was man so hört und mitbekommt, verstehen sich die zwei sehr gut und belächeln die Diskussion, ob der eine mehr Wert für den Erfolg einer Mannschaft ausstrahlt als der andere. Ihre Rivalität wird ihnen von aussen eingeimpft – und ausgerechnet vom FC Bayern.
So ganz versteht man jedenfalls nicht, was Bayern-Boss
Wie muss das bei Musiala ankommen? Der war gerade erst mit Lorbeeren überschüttet worden, damit er seinen millionenschweren Arbeitsvertrag beim FC Bayern vorzeitig bis 2030 verlängert. Er sei die Zukunft des Vereins, hiess es. Höher geht's kaum. Und dann kommt diese Rummenigge-Aussage zu Wirtz.
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Das ist so, als wenn der Ehemann seiner Angetrauten hoch und heilig in der Kirche schwört: "Du bist die Schönste im ganzen Land und die einzige für mich!" Und kaum verlässt er frisch vermählt den Altar, raunt er der Dorfschönheit in der zweiten Reihe zu: "Du bist die Beste von allen …"
Plötzlich ist ein Konflikt entstanden, der vorher keiner war. Rekordnationalspieler
Wenn Bayern München am Mittwochabend in der Champions League gegen Bayer Leverkusen spielt, schauen wir deshalb beim direkten Duell zwischen Musiala und Wirtz ganz genau hin, wer mehr Akzente setzen kann. Und sehr konkret: Wäre Wirtz 150 Millionen Euro Ablöse wert?
Die damalige Diskussion "Overath oder doch Netzer?" hat dem deutschen Fussball reichlich Gesprächsstoff geliefert und die beiden Kontrahenten zu Höchstleistungen getrieben. Man darf deshalb bei Musiala und Wirtz die Frage stellen: Will man die zwei überhaupt gemeinsam in einem Verein?
Wirtz bedeutet Qualitätssprung beim FC Bayern
Sportlich passen die zwei zusammen, gar keine Frage. Man sieht es bei der Nationalmannschaft: Wirtz initiiert Angriffe, Musiala verwertet Angriffe; torgefährlich sind beide. Aber ihr Fernduell auf Vereinsebene stachelt sie auch an.
Ihre Arbeitsgemeinschaft beim FC Bayern würde den Rekordmeister auf Jahre motorisieren und die Konkurrenz, allen voran Bayer Leverkusen, zu Notlösungen oder zumindest Plan B zwingen. Wirtz bei Bayern: Das wäre ein Qualitätssprung.
Aber auf Wirtz lauert eine Gefahr. Wenn ihm Trainer Alonso bei Bayer Leverkusen eine Kunstpause verordnet, verfliegt die Personalie unter der Woche. Beim FC Bayern wird eine zwischenzeitliche Degradierung schnell zur Breaking News mit bohrenden Zukunftsfragen.
Man mag sich nicht ausmalen, was das für das Binnenverhältnis zwischen Musiala und Wirtz bedeutet. Ob dann aus Freundschaft Rivalität erwächst. Aber das ist Geschwätz für morgen. Im Moment darf man sich freuen, dass der deutsche Fussball überhaupt wieder zwei wie Overath und Netzer hat.
Über den Autoren
- Pit Gottschalk ist Journalist, Buchautor und ehemaliger Chefredakteur von SPORT1. Seinen kostenlosen Fussball-Newsletter Fever Pit'ch erhalten Sie hier.
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Verwendete Quellen
- Offenbach-Post: "So kenne ich Kalle nicht": Rummenigge-Aussagen über Wirtz überraschen Matthäus
- instagram.com: fussballmuseum
- fussballmuseum.de: Eröffnung Sonderausstellung NETZER - DIE SIEBZIGERJAHRE