Sergio Ramos hat das Champions-League-Finale zwischen Real Madrid und dem FC Liverpool entscheidend beeinflusst - durch ein Foul, über das alle rätseln: War die Attacke auf Mo Salah Absicht oder ein unglücklicher Zufall?

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Auf zwei Dinge können sich Fussballfans seit Jahren verlassen: Real Madrid gewinnt die Champions League. Und Sergio Ramos polarisiert wie kein anderer Spieler auf der Welt.

Es gibt diese Szene aus dem Champions-League-Finale von 2016. 30 Sekunden sind noch zu spielen, die Partie zwischen Real Madrid und Stadtrivale Atlético steht unentschieden. Plötzlich brechen drei Atlético-Spieler auf Höhe der Mittellinie durch, nur noch Dani Carvajal steht zwischen den galoppierenden Gegnern und dem eigenen Tor.

Sergio Ramos ist eigentlich raus aus der Szene, hat keinerlei Chancen noch einzugreifen und schon gar nicht auf den Ball. Ramos entscheidet sich für die Alles-oder-Nichts-Variante: Grätsche von hinten in die Beine des ballführenden Gegenspielers, um den vermutlich entscheidenden Angriff zu unterbinden.

Es gibt einen harmlosen Freistoss für Atlético, 50 Meter vom Tor entfernt und nur Gelb für Ramos.

Held oder Übeltäter?

Für die Fans von Real Madrid und jene des zynischen Fussballs sind es Heldentaten wie diese, die Ramos zum vermeintlich besten Verteidiger der Welt machen. Ein Spieler, der alles gibt für den Sieg.

Ein Spieler, der Grenzen überschreitet auf dem Weg zum einzigen Ziel: bedingungslosen Erfolg für seine Mannschaft und sich. Ramos hat ein einziges grosses Finale in seiner Karriere verloren, das im Confed Cup 2013 mit Spanien gegen Brasilien. Ansonsten waren da nur Siege, zum Teil mit späten und wichtigen Ramos-Toren.

Für die Mehrheit der Fussball-Fans taugt Ramos aber nicht unbedingt zum Helden. Ganz im Gegenteil. Da gereicht es nur zum furchtbaren Übeltäter, der dem Spiel als solchem mehr schadet als er ihm nutzt. Der das Fairplay mit Füssen tritt - und das als Kapitän und Ikone des wichtigsten Klubs der Welt.

Bis zum Samstagabend hatten der FC Liverpool und Sergio Ramos kaum Reibungspunkte. Dann aber klemmte Ramos in der 27. Minute den Arm von Liverpools Mo Salah ein. Ein handelsüblicher Zweikampf wie er dutzende Male in einem Spiel passiert. Ramos trennte Salah vom Ball, der Job war damit eigentlich ausgeführt.

Real Madrid war bis zu dieser Szene nicht gut im Spiel, Liverpool gefährlicher, spritziger, wacher im Kopf. Ramos liess Salahs Arm im Sturz nicht los, beide fielen zu Boden - und Ramos so unglücklich darauf, dass die Partie für Liverpools wichtigsten Spieler kurze Zeit später beendet war.

Der zunächst vermutete Bruch in Salahs Schulter war gleichzeitig auch der Bruch im Spiel der Reds. Die Reaktionen auf Ramos' Aktion in den sozialen Medien reichten von "vorbildlich" bis "Attentat".

So stelle man sich einen Führungsspieler vor, sagte Oliver Kahn als Experte im ZDF sinngemäss. In der zweiten Halbzeit rannte Ramos Liverpools Torhüter Loris Karius nach einer abgewehrten Flanke fast über den Haufen, stellte dabei den rechten Ellbogen raus und traf Karius eindeutig sichtbar im Gesicht. Unbemerkt vom Schiedsrichtergespann.

Karius leistete sich zwei Minuten später den ersten von zwei unentschuldbaren Fehlern, die zu Liverpools Niederlage führten. Sehr wahrscheinlich hatte Ramos den Deutschen mit seinem Wischer nicht besonders beeinträchtigt und schon gar nicht verletzt.

Aber wieder war es eine grenzwertige Aktion, für die Reals Kapitän nicht belangt wurde. Wogegen Ramos den viel zitierten sterbenden Schwan mimte, als er Sadio Manés Hand im Gesicht spürte und etwas mehr rausholen wollte als nur einen Freistosspfiff - was ihm wenig später auch gelang, als wieder Mané im Zweikampf kaum Körperkontakt suchte, Ramos aber theatralisch fiel und die Verwarnung für Mané provozierte.

Es lässt sich trefflich darüber streiten, ob das alles nun besonders clever oder besonders hinterlistig ist. Ob der Erfolg wirklich alle Mittel heiligt. Und ob diese Art der Spielführung auf höchstem Niveau als Vorbild taugen kann für unzählige Amateur- und Jugendspieler.

Fabio Cannavaro hat als Kapitän der italienischen Weltmeister von 2006 einst die Wahl zum Weltfussballer des Jahres gewonnen. Und das als Innenverteidiger, vor Zinédine Zidane und Ronaldinho.

Gemessen an seinen Titeln und seinen überragenden Fähigkeiten in so ziemlich jeder Phase eines Spiels, gepaart der sehr beachtlichen Zahl von 77 Toren als Abwehrspieler könnte man meinen, Ramos dürfte ähnliches widerfahren.

Aber Ramos hat nicht nur deshalb keine Chance, weil seit einem Jahrzehnt Cristiano Ronaldo und Lionel Messi den Titel unter sich ausmachen - sondern weil sein Habitus auf und neben dem Feld extrem polarisiert und die Gemeinde förmlich teilt in Gläubige und Ungläubige.

25 Platzverweise in 14 Profijahren

Ramos posiert nach grossen Triumphen mit der spanischen Flagge oder jener mit dem Osborne-Stier darauf, dem Zeichen für den Zentralnationalismus, verwaltet von der Hauptstadt Madrid aus und klar gerichtet gegen jegliche Form des Separatismus, wie es etwa Katalonien vor hatte und wohl immer noch hat.

Ramos schreckt nicht davor zurück, sich zu positionieren und anderen dabei im übertragenen Sinn vors Schienbein zu treten. Er hat sich in seinen vielen Jahren in Madrid schon jede Menge Feinde gemacht, den allmächtigen Präsidenten Florentino Perez oder einst auch José Mourinho.

Dem Trainer hat das letztlich den Job gekostet und Perez wird einen Teufel tun, sich mit dem unbequemen Ramos öffentlich anzulegen. Dafür ist Ramos bei den Fans und in der Mannschaft zu beliebt.

Seine Kritiker verweisen gerne auf das zweierlei Mass, das er bei sich selbst gelten lassen will. Hart gegen den Gegner, aber weinerlich beim eigenen Offensivzweikampf.

Ramos beschwert sich und lamentiert gerne ausdauernd beim Schiedsrichter, auch das ist so eine Unsitte.

Und dann sind da noch die Zahlen: Ramos ist der schlimmste Finger in der Geschichte von Real Madrid. 224 Gelbe Karten hat er im Trikot von Real schon gesammelt, das ist Rekord. Mit acht Roten und 17 Gelb-Roten Karten führt er die Liste an Platzverweisen in Spanien mit grossem Vorsprung an.

Hängen bleiben nicht nur zahllose taktische Fouls, sondern auch jene, die auf die Gesundheit der Gegenspieler abzielten. Zusammen mit dem Portugiesen Pepe sorgte Ramos schon für regelrechte Jagdszenen in den Clasicos gegen Barcelona.

Bei Sergio Ramos gibt es offenbar keine Grauzone, es gibt nur Schwarz oder Weiss. Fans, die ihn vergöttern oder solche, die ihn zum Teufel wünschen.

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