Sportlich hat sich RB Leipzig mit Bravour für die Champions League qualifiziert. Doch ob der Verein wirklich in der Königsklasse starten darf, liegt bei der UEFA. Der Verband wird mit der Klärung der Red-Bull-Frage einen Präzedenzfall schaffen und die Regeln des Financial Fairplay auf den Prüfstand stellen müssen.

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Die Geschichte wird in den kommenden Wochen erst so richtig spannend.

Mit der sportlichen Qualifikation von RB Leipzig für die kommende Champions-League-Saison steht dem europäischen Fussball und seinem Verband UEFA eine Grundsatzentscheidung ins Haus, wie es sie in der Geschichte der europäischen Pokalwettbewerbe in der Form noch nicht gegeben hat.

Sollte Red Bull Salzburg in Österreich erneut Meister werden - und danach sieht es bei zwölf Punkten Vorsprung vier Spieltage vor Schluss aus - wären beide Klubs für die Königsklasse qualifiziert.

Unerheblich wäre dabei, dass Salzburg in die Qualifikationsrunde müsste und die Gruppenphase vielleicht gar nicht erreicht - die Qualifikation zählt schliesslich auch zum offiziellen Wettbewerb.

In Artikel 5 der UEFA-Champions-League-Richtlinien heisst es, dass kein Verein, der an einem UEFA-Klubwettbewerb teilnimmt, direkt oder indirekt an der Führung, der Verwaltung und den sportlichen Leistungen eines anderen teilnehmenden Vereins beteiligt sein oder Einfluss darauf haben darf. Der Passus ist formuliert zum "Schutz der Integrität des Wettbewerbs".

Im Klartext: Der Verband will ausschliessen, dass es im laufenden Spielbetrieb zu Wettbewerbsverzerrungen kommt. Eine Stallorder, wie es sie zum Beispiel in der Formel 1 gibt, darf es im Fussball nicht geben.

Reicht der "Entflechtungsprozess" aus?

Der entscheidende Punkt wird in den kommenden Tagen und Wochen sein, wie die UEFA die Verflechtungen zwischen Leipzig und Salzburg interpretiert. Offiziell sind beides autark operierende Klubs.

Spätestens nach dem Aufstieg von Leipzig in die zweite Liga begann ein schrittweiser Abnabelungsprozess, zumindest formaljuristisch.

"In den vergangenen zwei Jahren hat ein Entflechtungsprozess stattgefunden. Mit dem Wissen, dass man irgendwann europäisch spielen wird, hat man sich dazu entschliessen müssen, dass man beide Vereine unabhängig voneinander aufstellt. Ich sehe da keine Probleme auf uns zukommen", sagte Leipzigs Geschäftsführer Oliver Mintzlaff nach der Mitgliederversammlung des Klubs Ende März.

Mintzlaff selbst war und ist eine entscheidende Figur, schliesslich fungierte er bis vor wenigen Wochen noch als Fussballchef von Red Bull, verantwortlich für alle Klubs des Brause-Konzerns weltweit.

Diesen Posten hat Mintzlaff mittlerweile geräumt - mit dem Europapokal-Startrecht habe die Niederlegung seiner Doppelfunktion aber nichts zu tun, sagt RB Leipzig.

In Salzburg ist Red Bull seit zwei Jahren "nur" noch ein normaler Sponsor, die Verträge wurden damals entsprechend umformuliert.

Ralf Rangnick hat seine Doppelfunktion als Sportdirektor für beide Klubs längst ad acta gelegt, Mintzlaff ist nicht mehr für Red Bull Global zuständig - personell sind beide Vereine also nicht mehr verflochten.

Angeblich arbeiten immer noch Mitarbeiter für beide Klubs

Was bleibt, ist die Frage, inwiefern Red Bull weiterhin in beiden Klubs finanziellen Einfluss nimmt. Wenn ein Sponsor mit 30 Prozent oder mehr zu den Gesamteinnahmen eines Vereins beiträgt, dann hat er laut UEFA-Regeln "massgeblichen Einfluss" - und das darf er nur bei einem Verein im Wettbewerb haben.

Leipzigs Einnahmen von Red Bull liegen bei deutlich über 30 Prozent, also dürfte Salzburg im von der UEFA geprüften Drei-Jahres-Zeitraum nicht auch 30 Prozent oder mehr erhalten haben.

Aus Salzburg ist zu hören, dass der Einfluss von Red Bull seit der Umschreibung der Verträge im Frühjahr 2015 auf unter 30 Prozent gefallen sei. Allerdings kamen in diesem Zeitraum fast 40 Millionen Euro Transfereinnahmen aus Leipzig in die Kassen. Indirekt sei dies also Red-Bull-Geld aus Leipzig für Salzburg, über die Schiene der Spielertransfers abgewickelt - so sehen es die Kritiker.

Abgesehen von den zu überprüfenden Geldflüssen soll es auch immer noch Mitarbeiter im Konzern geben, die für beide Klubs tätig sind, etwa im Scouting für den Nachwuchsbereich. Das behauptet jedenfalls die Zeitung "Kurier".

"Wir sind ziemlich relaxed"

Die UEFA verhält sich bislang wie immer: Sie gibt nach aussen nichts preis. Man wolle abwarten, bis die Meldeunterlagen eingegangen sind und sich dann erklären, heisst es.

Die Tragweite der Entscheidung ist nicht zu unterschätzen, gibt es doch im internationalen Fussball einige ähnliche Konstrukte - nicht im grossen Stil wie bei Red Bull, aber doch in vergleichbarer Form.

Roman Abramowitsch gehörten etwa Anteile an Chelsea und ZSKA Moskau, der Pozzo-Familie aus Italien gehört Udinese Calcio (Vater Giampaolo Pozzo) und der FC Watford (Sohn Gino).

Es geht also um einen Präzedenzfall - mit derzeit völlig offenem Ausgang. Von der Teilnahme beider Klubs an der Champions League bis hin zum Ausschluss eines der beiden Vereine ist noch alles möglich.

Dann würde es übrigens Leipzig treffen, weil der in der jeweiligen Liga besser platzierte Klub das Startrecht hätte - und das wäre der FC Salzburg als Meister in Österreich.

All das steht noch nicht fest und auch die Konsequenzen des Financial Fairplay für Leipzig sind noch nicht ganz abzusehen. Im Financial Fairplay der UEFA müssen die Klubs sportliche, infrastrukturelle, rechtliche und finanzielle Kriterien einhalten, um eine steigende Verschuldung der Klubs aufzuhalten. Oder kurz: Die Vereine dürfen nicht mehr ausgeben als sie einnehmen.

"Auch was das Thema angeht, sind wir ziemlich relaxed", sagte Mintzlaff. "Ich bin ein Befürworter der Financial-Fairplay-Regelung - nicht nur, weil wir uns daran halten, sondern weil sie für den europäischen Fussball wichtig ist. Deswegen bin ich froh, dass sich bei uns alles in einem vernünftigen Rahmen bewegt."

Probleme bei der Kaderplanung

Es steht die Vermutung im Raum, Red Bull habe durch seine Sponsoringzahlungen an Leipzig in den letzten Jahren mögliche negative Jahresbilanzen ausgeglichen.

Die zulässige Verlustobergrenze für drei Jahre liegt bei 30 Millionen Euro. Würde die UEFA Zahlungen von Red Bull an Leipzig teilweise nicht anerkennen, würde der Klub gegen die Verlust-Regelung verstossen und müsste mit einer entsprechenden Sanktion rechnen.

Möglich sind etwa die Einbehaltung von UEFA-Prämien, verkürzte Spielerkader oder hohe Geldstrafen: Inter Mailand durfte einst nur 21 Spieler für den Europapokal melden und wurde zu sechs Millionen Euro Strafe verdonnert. Auch Monaco, die Roma, Manchester City, PSG oder Benfica wurden schon belangt.

Auf den Umbau des Kaders dürfte das durchaus Einfluss haben. Erst im letzten Jahr bekam Leicester City grossen Ärger, weil der Klub mit Hilfe einer Scheinfirma den Geschäftsjahresverlust um 14 Millionen Euro verringerte - und sich deshalb gerade noch so im Rahmen des Financial Fairplay bewegte.

Leipzig wird sich vorsichtiger als in den Jahren zuvor auf dem Transfermarkt bewegen müssen, so lange von der UEFA nicht klar kommuniziert wird, wie der Status Quo in dieser Beziehung ist und ob alle Sponsoringflüsse von Red Bull der letzten Jahre innerhalb der Richtlinien vonstattengingen.

Leipzigs Kader ist derzeit auf maximal zwei Wettbewerbe ausgelegt, in der Breite fehlt es für die Champions League an Qualität. Leipzig hat eine funktionierende erste Elf und eine gute Handvoll Spieler dahinter, die eine gewisse Flexibilität versprechen. Aber ab Kaderposition 17 bis 23 dürfte die Qualität für höchste Standards nicht auf jeder Position ausreichen.

RB Leipzig hat also definitiv Handlungsbedarf im Sommer. Bleiben eben nur zwei Fragen: Dürfen die Leipziger auch wie bisher gewohnt zukaufen? Und wenn ja: Dann auch für die Champions League?

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