Der FC Bayern München verpasst den Einzug in das Champions-League-Finale denkbar unglücklich. Die Niederlage von Madrid liesse sich mit einem Fehler von Manuel Neuer und einer unglücklichen Schiedsrichter-Entscheidung begründen. Doch in Wahrheit steckt mehr dahinter.
Manuel Neuer wirkte gefasst, als er sich nach dem bitteren Ausscheiden im Halbfinale der Champions League bei Real Madrid den Fragen stellte. Und doch war unübersehbar, wie sehr ihn die Niederlage schmerzt. "Dass man so in der Schlussphase ausscheidet, ist extrem bitter. Wir waren schon mit einem Schritt in London, haben uns im Finale gesehen. Da fehlen einem echt die Worte", sagte er gegenüber dem das Halbfinal-Rückspiel übertragenden Streaming-Dienst DAZN.
Joselu nutzt Manuel Neuers Fehler
Dem Torwart unterlief der entscheidende Fehler. Der FC Bayern führte bis zur 88. Minute mit 1:0, ehe
"Ausgerechnet Manu, der bis dahin überragend gehalten hat, macht einen Fehler, den er in 100 Jahren nicht macht", bedauerte
Neuer selbst sagte über seinen Fehlgriff: "Das ist extrem bitter für mich. Ich muss sagen, dass ich den Ball anders erwartet habe - eher Richtung Brustkorb. Er ist dann einen Tick höher gegangen." Dadurch konnte er den Ball nicht richtig greifen. "Dieses 1:1 ist brutal", so Neuer.
Der FC Bayern war danach geschockt und liess dem Gegner zu viel Raum, sodass erneut Joselu in der Nachspielzeit zum Endstand von 2:1 traf. Nach dem 2:2 vom Hinspiel war dies für Madrid gleichbedeutend mit dem Finaleinzug.
Alphonso Davies trifft im 40. Champions-League-Spiel erstmals
Der FC Bayern hatte früh im Spiel den ersten Rückschlag zu verkraften. Bereits nach 28 Minuten musste
Doch ausgerechnet er entwickelte auf dem linken Flügel viel Zug zum Tor, hatte bereits kurz nach der Halbzeit eine Grosschance und traf in der 68. Minute mit einer starken Einzelaktion zum 1:0. Verrückt: Dies war sein erstes Champions-League-Tor im 40. Spiel. Es hätte der Treffer zum Finale sein können, hätte der Fehler von Neuer nicht die späte Niederlage eingeleitet.
Besonders bitter: In der Nachspielzeit wurde ein vielversprechender Angriff des FC Bayern vorschnell wegen Abseits abgepfiffen - offenbar eine Fehlentscheidung. Als
DAZN-Experte
De Ligt war ebenfalls fassungslos, als er die Szene noch einmal zu sehen bekam. "Ich kann das nicht verstehen. Wir haben die Regel, dass man erst einmal weiterspielen lässt, auch wenn es Abseits ist. Das ist nicht klar Abseits, also musst du durchspielen lassen." Offenbar war dem Unparteiischen bewusst, einen Fehler gemacht zu haben. "Er hat dann auch Entschuldigung gesagt", verriet De Ligt. Tuchel nannte die Entscheidung "ein Desaster".
Toni Kroos lässt keinen Zweifel an Reals verdientem Sieg
Doch es wäre zu einfach, die Niederlage lediglich auf einen unglücklichen Spielverlauf zurückzuführen. Real-Mittelfeldspieler
Die Zahlen unterstützen diese These: Madrid hatte 57 Prozent Ballbesitz und ein Torschussverhältnis von 19:8. Ballack sagte über die Leistung des FC Bayern: "Sie haben vorne nicht so frisch gewirkt. Das ging bei Leroy Sané los, der früh im Spiel mit seiner Körpersprache anfing zu hadern. Man merkt, dass er auch nicht 100-prozentig fit ist. Harry Kane hatte auch Probleme, ins Spiel zu finden. Somit hing alles an
Michael Ballack erwartete mehr von Laimer und Pavlović
Die dahinter positionierten defensiven Mittelfeldspieler Konrad Laimer und Aleksandar Pavlović hätten zwar "ihre Sache in ihrem Rahmen ordentlich gemacht. Aber es kam relativ wenig nach vorne. Von den Aussen kam auch nicht viel. Daher war das in der ersten Halbzeit überschaubar. In der zweiten Halbzeit waren sie besser im Spiel."
Durch die Niederlage ist nun sicher, dass der FC Bayern die erste titellose Saison seit 2011/12 durchlebt. Ballack weiss: "Wenn Du beim FC Bayern ohne Titel bleibst, folgt meistens eine ordentliche und laute Analyse, bei der jeder mitdiskutieren will."
Umso wichtiger sei es, dass die richtigen Entscheidungen getroffen werden - nicht nur bei der Auswahl des zukünftigen Trainers. "Sie müssen auch an den Kader ran", fordert Ballack. "Wir haben heute gesehen, dass nicht alle Spieler auf dem Platz fit waren. Sie hatten unheimlich viele Verletzte. Es sind tendenziell immer wieder dieselben Spieler, die Probleme haben. Da muss man sich hinterfragen und vielleicht eine Veränderung herbeiführen."
Lesen Sie auch:
- Thomas Tuchel wehrt sich gegen scharfe Kritik
- Thomas Hitzlsperger kritisiert Bayern-Boss mit harten Worten
Thomas Tuchel hadert mit dem Verletzungspech
Zu der These von Ballack passt, dass auch Tuchel nach Spielende mit der Personalsituation haderte: "Wir sind mit vier offensiven Spielern (Sane, Gnabry, Musiala, Kane, Anm. d. Red.) gestartet und am Ende müssen wir viermal wechseln und alle Offensivspieler müssen vom Feld. Das ist einfach zu viel."
Der Frust, der sich offenbar über die gesamte verletzungsgeplagte Saison angestaut hat, brach regelrecht aus Tuchel heraus: "Wir haben keinen einzigen Wechsel, den wir aktiv vornehmen. Wir reagieren auf Verletzungen, die ganze Saison schon. Wir sind nur am Reagieren, wir sind nie am Agieren mit unseren Wechseln. Wir können nie das Spiel verändern, so wie wir das wollen. Das ist dann einfach zu viel." Und es sind Gründe dafür, dass der FC Bayern auf eine enttäuschende Saison 2023/2024 zurückblicken wird.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.