Nach dem 2:0 gegen Real Madrid darf der VfL Wolfsburg vom Halbfinaleinzug in der Champions League träumen. Die Mannschaft von Dieter Hecking hat offenbar das richtige Mittel gefunden, um die "Königlichen" in die Schranken zu weisen.

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Ob Trainer oder Spieler: Alle Wolfsburger hatten vor dem Hinspiel gegen Madrid gesagt, dass sie eine Chance haben. So richtig geglaubt hat das wohl niemand. Die Fans nicht, viele Medien schon gar nicht. Doch der kleine VfL hat mit dem 2:0 gegen Real Madrid für ein kleines Fussball-Wunder gesorgt.

"Wir wussten, dass wir es viel besser können, als wir es in vielen Bundesliga-Spielen gezeigt haben. Wir haben das umgesetzt, was wir uns vorgenommen haben", sagte ein stolzer Sportchef Klaus Allofs in der Pressezone.

Dem Bereich also, den kurz darauf Cristiano Ronaldo mit hängendem Kopf durchschritt. Keine Interviews, keine aufmunternden Worte. Den portugiesischen Superstar hatte der Ausflug in die Autostadt ordentlich auf die Stimmung geschlagen.

Und es ist davon auszugehen, dass er diesmal auch darauf verzichtet hat, in der Kabine ein Foto mit freiem Oberkörper zu machen. Das Selbstbild der "Königlichen" war zumindest an diesem Abend zerstört.

Kompakte Defensive der Schlüssel zum Erfolg

Der VfL Wolfsburg hat die Schwächen von Real Madrid knallhart ausgenutzt. Mit ihrer defensiven Kompaktheit liessen sie dem Star-Ensemble kein Freiraum zur Entfaltung. Die Ausnahmespieler Cristiano Ronaldo und Gareth Bale wurden meist gedoppelt, also von zwei Defensivspielern gleichzeitig attackiert.

Nach Ballbesitz schaltete der VfL über die glänzenden Flügelspieler Julian Draxler und Bruno Henrique blitzschnell um. Dass die Madrilenen auf den Aussenverteidigerpositionen schlecht verteidigten, kam Wolfsburg entgegen. Der Elfmeter sowie der zweite Treffer wurden über die Aussenseiten eingeleitet.

Das Wichtigste aber war: Der VfL zeigte keinerlei Respekt vor den grossen Stars aus der Hauptstadt Spaniens. Wozu auch, scheint Maximilian Arnold zu denken: "Die sind etwas älter und haben etwas mehr erreicht. Aber letztendlich spielen wir alle Fussball, das Spiel das wir lieben."

Draxler erwartet Reals Rache

Es ist diese Unbekümmertheit, die auch im Rückspiel zum grossen Trumpf der Wolfsburger werden könnte. Julian Draxler, der mit Schalke 04 bereits im altehrwürdigen Santiago Barnabeu gespielt hat, erwartet die grosse Rache der Madrilenen.

"Da wird mit Sicherheit ein Sturm auf uns zukommen. Real wird mit den eigenen Fans im Rücken alles nach vorne werfen", sagt er. Seine Taktik: "Wir müssen es verstehen, uns immer wieder daraus zu befreien, mutig zu spielen, Ballbesitz zu haben und Nadelstiche zu setzen. Wenn uns ein Auswärtstor gelingt, haben sie es ziemlich schwer."

Tatsächlich könnte ein einziges Tor der Gnadenstoss für die "Königlichen" sein. Aufgrund der Auswärtstorregelung müssten die Spanier dann gleich vier Treffer erzielen. Grundsätzlich wäre zwar auch das einem Ronaldo und Bale zuzutrauen. Nicht aber in der Form, in der sie sich in Wolfsburg präsentiert haben.

Naldo feiert traumhaftes Comeback

Und schon gar nicht gegen die überragende Innenverteidigung mit Naldo und Dante, die gestern teilweise den Eindruck weckten, unüberwindbar zu sein. Wobei der brasilianische Naldo zu bescheiden ist, um allzu viel Lob einzuheimsen.

"Dass wir zu Null gespielt haben, liegt nicht nur daran, dass ich wieder zurück bin oder an unserer Viererkette. Maxi (Arnold), Luiz (Gustavo) und Josuha (Guilavogui) haben es überragend gemacht. Auch André Schürrle ist heute viel gelaufen."

Auch im Rückspiel wird es darauf ankommen, dass das Mittelfeld konsequent mit nach hinten arbeitet. Das ist nämlich eine Qualität, die bei Real Madrid nicht im gleichen Masse zu beobachten war.

Es ist schwer zu ergründen, warum die Wolfsburger in der Bundesliga weit unterhalb der Erwartungen spielen und gegen die grossen Namen in der Königsklasse zu Höchstformen auflaufen.

Eine mögliche Erklärung lieferte der gut gelaunte Maximilian Arnold: "In der Bundesliga haben wir die Champions-League-Plätze aus den Augen verloren. Deswegen wollen wir uns mit dem Gewinn der Champions League direkt qualifizieren."

Es war nur als Scherz gemeint. Doch nach der Sensation von Wolfsburg könnte ein Fünkchen Wahrheit dabei sein.

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