Die Bayern erledigen im Halbfinale gegen ein widerspenstiges Lyon ihren Job und stehen im Finale der Champions League. Das Spiel gegen Aussenseiter Olympique könnte im Hinblick auf die Partie gegen PSG noch von grossem Nutzen sein.

Eine Analyse

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Die sozialen Medien können eine tolle Sache sein. Jeder kann sich darstellen, wie er will, der Individualität sind scheinbar keine Grenzen mehr gesetzt. Der FC Bayern München und seine Spieler nutzen die gängigen Plattformen selbstverständlich auch und am Mittwochabend. Und das sah dann etwa beim Kurznachrichtendienst Twitter so aus: "One step closer, *Feueremoji*", liess der Klub seine Follower wissen.

Einen Schritt näher dran am Pott also, am nächsten Triumph in der Champions League, am Triple. Ebenfalls "One step closer" auch für Thiago Alcantara und Alphonso Davies, der Kanadier fügte noch die Worte "finals, here we come" an. Und Robert Lewandoski? "One step closer", natürlich.

So arg weit war es nicht mehr her mit den kreativen Gedanken der Spieler oder ihrer beauftragten Agenturen. Zur Beschreibung der aktuellen Lage genügten drei Worte. Und es stimmt ja tatsächlich: Nach 50 Pflichtspielen in dieser elendig langen Saison steht jetzt nur noch diese eine letzte Partie an. Die wichtigste, weil unter Umständen mal wieder mit historischem Charakter für diesen historisch erfolgreichen Klub.

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Olympique Lyon überrumpelt die Bayern

Das 3:0 im Halbfinale der Champions League gegen Olympique Lyon war keine Gala wie die Partie gegen den FC Barcelona eine Runde zuvor. Aber darauf kommt es jetzt auch nicht mehr an. Die Bayern stehen im Finale und sind nur noch einen Sieg von der Wiederholung ihrer Monster-Saison vor sieben Jahren entfernt. Das ist wichtig, alles andere belangloses Beiwerk. Wobei die Art und Weise, wie die Partie gegen den krassen Aussenseiter, in der abgebrochenen Ligue-1-Saison lediglich auf Platz sieben einsortiert, lief, durchaus für internen Gesprächsstoff sorgen dürfte.

Die Fallhöhe in diesem Halbfinale hätte für die Bayern höher kaum sein können. Nach dem wundersamen Sieg über Barca erwartete alle Welt den nächsten Streich ähnlicher Güteklasse, zumal gegen einen vermeintlich deutlich schlechteren Gegner. Wer genauer hinschaute, der konnte aber schon eine Ahnung dafür entwickeln, wie unangenehm und auf das bayerische Spiel gut angepasst Lyon würde spielen können. Die Franzosen hatten in den K.o.-Runden immerhin Juventus und Manchester City eliminiert, so etwas klappt nicht eben im Vorbeigehen.

Lyon spielte eine Art Partisanenfussball, der die Gegner mit sehr viel Dominanz und Ballbesitz ausstattete, in den wenigen entscheidenden Momenten dann aber das eigene Team nach vorne brachte. Besonders das Viertelfinale gegen Pep Guardiolas City sollte Bayern akkuraten Anschauungsunterricht für diese Strategie geboten haben. Doch es kam zunächst anders.

Olympique überrumpelte die Bayern mit ihrer an der Mittellinie postierten Abwehrkette zwei-, dreimal derart schnell und zielstrebig, dass selbst die flinken Münchener Verteidiger nicht mehr rechtzeitig eingreifen konnten. Memphis Depay tauchte schon nach vier Minuten völlig frei vor Manuel Neuer auf, danach klärte Jerome Boatengs Grätsche eine Unterzahlsituation der Bayern im eigenen Strafraum. Toko Ekambi entwischte nach einer guten Viertelstunde Alphonso Davies, traf mit seinem Schuss aus fünf Metern aber nur den Pfosten. Drei dicke Chancen in der Startphase für Lyon - das erste Tor erzielten aber dann die Bayern.

Coach Hansi Flick: "Wir hatten Glück"

Ein viel zitierter Begriff aller Bayern-Protagonisten nach der Partie war deshalb das nötige Spielglück. "Die erste Phase des Spiels haben wir mit Glück überstanden, das muss man so sagen", sagte Hansi Flick bei "Sky". Für den Trainer waren die Sequenzen rund um Ekambis Pfostenschuss von entscheidender Bedeutung für die Partie. Quasi im Gegenzug brachten die Bayern ihren ersten Angriff aus dem Positionsspiel bis vor das gegnerische Tor und Serge Gnabry den Ball nach einem Solo im Stile von Arjen Robben mit einem satten Linksschuss ins Ziel.

"Diese Dinge macht er auch im Training, da zeigt er das auch oft. Er hat einfach einen enorm guten Schuss mit beiden Füssen. Also sind wir froh, dass der Ball so reinging. Serges Führungstreffer hat uns ein bisschen mehr Sicherheit gegeben." Bayerns Sorgen waren deshalb nicht aus der Welt geräumt, gegen einen ziemlich defensiv eingestellten Gegner, der auf schnelle Umschaltmomente setzt und diese auch klinisch präzise ausspielt, ist es aber ein recht grosser Vorteil, das erste Tor einer Partie zu erzielen.

Lyon hat die Chancen, Bayern macht das Tor

Die Bayern minimierten in der Folge die Zahl ihrer leichten Ballverluste in der Mittelfeldzone und bekamen die zuvor eher unruhige Partie besser in den Griff. Bis dahin war Flick alles andere als einverstanden mit der Leistung seiner Mannschaft, auch wenn er seine kleine Kritik nach der Partie in sehr analytische Worte verpackte. "Dieses kurze Kommen und dann in die Tiefe gehen von Lyon haben wir in der ersten Phase des Spiels schlecht verteidigt. Wir haben vor dem Spiel gesagt, dass wir leichtfertige Ballverluste möglichst vermeiden sollten. Davon hatten wir aber schon einige."

Die Bayern haben allerdings auch einen Spieler wie Gnabry, der in der ersten Halbzeit den Unterschied zwischen beiden Mannschaften am besten dokumentierte. Nach einem Ballgewinn fädelte der Nationalspieler einen Gegenstoss schnell ein und schubste den Ball nach einer unfreiwilligen Vorarbeit von Lewandoski aus drei Metern zum zweiten bayerischen Treffer über die Linie. Während die Bayern aus drei Chancen zwei Tore erzielten, blieb Lyon bei null Treffern zur Pause stehen. Obwohl die Franzosen bis dahin eigentlich die besseren Möglichkeiten hatten. Zu einem Champions-League-Halbfinale gehört aber eben auch eine gewisse Effizienz. Die Bayern zeigten das, Lyon dagegen nicht.

Flick kündigt Änderungen an

In der zweiten Halbzeit konnten die Bayern Lyons Attacken besser auffangen, nur einmal rutschte ein Konter durch. Praktischerweise hatten die Bayern aber auch im zweiten Durchgang einen Torhüter aufs Feld geschickt. Manuel Neuer entschärfte auch diese Chance von Ekambi aus kurzer Distanz. "Wenn du da das 2:1 bekommst, wird es noch einmal eng", ordnete Neuer selbst die Parade als Schlüsselszene ein. "In der Situation nach dem Querpass muss man versuchen, die Fläche so gross wie möglich zu machen und sich anschiessen zu lassen. Dieses Mal war ich der Gewinner, ich habe Glück gehabt."

Lyon wurde in der Schlussphase immer müder, die Bayern kontrollierten die Partie und gaben Lewandowski kurz vor Schluss sogar noch die Gelegenheit, seine Serie von nun neun Toren in Folge in Champions-League-Spielen zu halten. Das Ergebnis fiel viel zu hoch aus und spiegelt die Kräfteverhältnisse auf dem Platz auch nicht wirklich wider. Eine bessere Partie als die gegen Lyon hätte den Bayern, hätte ihrem Trainer aber kaum passieren können. Die Bayern wurden ein bisschen geerdet, ihre Schwächen sichtbar und aus Fehlern soll man ja bekanntlich am besten lernen.

Gegen Paris mit seinen noch schnelleren Spielern Kylian Mbappe und Angel di Maria dürften Fehler wie gegen Lyon ganz anders bestraft werden. Flick kündigte deshalb - und vielleicht auch, weil sich Innenverteidiger Boateng mit muskulären Problemen in der Halbzeit abmelden musste - einige Änderungen im Defensivverhalten für das Finale an. "Wir werden die Dinge analysieren und wissen natürlich schon, dass Paris sehr schnelle Spieler hat. Wir müssen also schauen, dass wir die Defensive noch ein bisschen anders organisieren."

Vorsicht vor gierigem PSG-Stürmer Neymar

PSG hat im anderen Halbfinale gegen Leipzig seine bis dato beste Partie gezeigt, die Bayern gegen OL ein wenig geschwächelt. Gefühlt sind sich beide Gegner etwas näher gekommen, was ein durchaus interessantes Endspiel verspricht mit womöglich vielen Toren. Von seiner grundsätzlich riskanten Spielweise gegen den Ball will Flick jedenfalls nicht abrücken. Bliebe nur noch ein Problem: Neymar da Silva Santos Junior. Das Turnierformat mit nur einem Spiel pro K.o.-Runde und dem eng getakteten Rhythmus ist wie gemacht für Heldenfussball. Dafür, dass ein Spieler plötzlich explodiert und seine Mannschaft fast im Alleingang zum Triumph führt.

Nun steht nur noch dieses eine Spiel an und Neymar hat in den letzten Tagen bewiesen, dass er genau dieser Spieler sein kann. Natürlich verfügen auch die Bayern über genug individuelles Potenzial, Neymar ist aber dann doch noch einen Tick darüber einzuordnen und in seiner momentanen Verfassung eine dauerhafte Gefahr für jede Defensive. Denn was für die Bayern gilt, gilt am Sonntag auch für den Brasilianer und seine Bande: Es ist nur noch dieses eine Spiel. Ein letzter Schritt zum grossen Ziel.

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