Der VfL Wolfsburg verliert das Endspiel in der Champions League gegen den FC Barcelona trotz einer 2:0-Führung. Wie das passieren konnte und warum der Blick in die Zukunft dennoch positiv sein sollte. Fünf Erkenntnisse zum Finale.
Die Saison des VfL Wolfsburg schien zuletzt etwas zu kippen. Keine Meisterschaft, ein knapper Sieg im DFB-Pokalfinale gegen den SC Freiburg und nun das Champions-League-Finale gegen den FC Barcelona – das vermeintlich stärkste Team Europas.
Doch Tommy Stroot gelang es, seine Spielerinnen perfekt auf die Aufgabe vorzubereiten. Selten wirkte Barça so träge und so fehleranfällig wie in der ersten Hälfte dieses Endspiels. Das Pressing der Wolfsburgerinnen stellte Barcelona vor eine grosse Herausforderung. Die Balance zwischen hohem Anlaufen und tiefer Stabilität passte häufig.
Im Mittelfeldzentrum schloss
FC Barcelona mit der passenden Antwort
Doch der FC Barcelona verliert auch deshalb nur so selten, weil er auf fast alles eine Antwort hat. Geht es nicht übers Zentrum, dann sucht man eben den Weg über die Flügel. Mit gezielten Überladungen und direkterem Spiel erzeugte Barça direkt nach Wiederanpfiff deutlich mehr Gefahr.
Durch schnelle Seitenverlagerungen einerseits und gegenläufige Bewegungen andererseits wurden die Aussenverteidigerinnen des VfL ständig unter Stress gesetzt. Wolfsburg bekam es nicht mehr hin, die Flügelspielerinnen zu doppeln und kassierte zwei schnelle Gegentore zum Ausgleich über die linke Abwehrseite.
Innerhalb weniger Minuten war alles wieder offen. Barça bekam durch kleinere Anpassungen und deutlich mehr Schärfe im eigenen Spiel deutlich mehr Zugriff. Im ersten Durchgang schien es so, als würde man das Tempo auch deshalb verschleppen, weil die zentralen Räume nicht erreichbar waren. In der zweiten Hälfte war das Tempo deutlich höher, weil die Flügel viel klarer bespielt wurden.
VfL Wolfsburg: Sich am Niveau hochgezogen
Beim VfL Wolfsburg wird man das vermutlich nicht gerne lesen, aber das Champions-League-Finale offenbarte einen Unterschied im technischen Bereich. Die Wölfinnen mussten sich an der Qualität des FC Barcelona hochziehen, sich durch körperliche und athletische Komponenten in die Partie bringen.
Das ist ihnen über weite Strecken gelungen. Selbst nach dem 2:2-Ausgleich blieben sie in der Partie und schafften es, diese offen zu halten. Das ist bei der Dynamik, die das Barca-Spiel mit den beiden Toren annahm, alles andere als selbstverständlich. Um diesem Team aber über 90 Minuten den Rang abzulaufen, braucht es mehr.
Mehr Qualität am Ball, aber auch noch mehr Glück. Der FC Barcelona ist der internationalen Konkurrenz durch strategisch kluge Arbeit in den vergangenen Jahren enteilt. An einem Tag, das zeigte vor allem Lyon im vergangenen Jahr, ist es möglich, sie zu schlagen. Doch so ein Tag war es nicht. Barça war schlicht zu stark. Der schwache Trost für Wolfsburg ist, dass sie in dieser Saison das beste Team hinter Barcelona waren.
Champions League: Eine grossartige Dramaturgie
Der grosse Gewinner dieses Champions-League-Finals ist der Fussball. Zwei Teams mit unterschiedlichen Ansätzen haben sich auf höchstem Niveau ein grossartiges Endspiel geliefert. Die Dramaturgie war dabei kaum zu toppen.
Schon die 2:0-Führung zur Pause war überraschend. Dass Barça derart schnell zurückkommt und das 2:2 erzielt, war ebenfalls nach den Problemen des ersten Durchgangs nicht zwingend zu erwarten. Barça war dann endgültig stärker, doch Wolfsburg nicht komplett ohne Chance.
Die Zuschauerinnen und Zuschauer erlebten in Eindhoven ein abwechslungs- und chancenreiches Spiel mit vielen Highlights sowie insgesamt fünf Toren. Denkt man an die vielen Finals in der Geschichte des Fussballs, dann gab es häufig diese angespannte Atmosphäre, in der die Fehlervermeidung im Fokus stand. In diesem Fall waren beide Teams bereit, Risiken einzugehen. Das Resultat war ein hervorragendes Fussballspiel.
Champions League und WM: Deutschland kann sich auf die Zukunft freuen
Wenn die Tränen des VfL Wolfsburg getrocknet sind, wird man in der Autostadt wohl auch schnell realisieren, dass das Team eine herausragende Champions-League-Saison gespielt hat. Und auch insgesamt ist der Ausblick für Deutschland in diesem Wettbewerb ein positiver.
Und das, obwohl sich Eintracht Frankfurt schon vor der Gruppenphase verabschiedet hat und der FC Bayern mit grossem Qualitätsunterschied am FC Arsenal im Viertelfinale scheiterte. Die Münchnerinnen haben sich mit Pernille Harder, Magdalena Eriksson und Samantha Mary Kerr bereits für die kommende Saison verstärkt. Namen, die vielversprechend sind.
Auch die Eintracht hat in dieser Saison einen weiteren Schritt nach vorne gemacht und bewiesen, dass sie für die eine oder andere Überraschung gut sind. Und der VfL? Im direkten Duell mit dem FC Barcelona haben sie im Finale einen besseren Eindruck hinterlassen als im Halbfinale der Vorsaison. Barca bleibt zwar das Team, das es zu schlagen gilt, doch die Aufgabe ist klar: Den Abstand in der kommenden Saison erneut verringern.
Und dann gibt es da noch die Weltmeisterschaft in wenigen Wochen. Alexandra Popp, Merle Frohms, Lena Oberdorf – sie alle zeigten im Finale eine gute Leistung. Mit Lena Lattwein kehrte zudem eine wichtige Option für das Mittelfeld des DFB zurück. Martina Voss-Tecklenburg muss sich also keine grossen Gedanken über die Form ihrer Spielerinnen machen. Viel mehr wird es ihre Aufgabe sein, das verlorene Finale aus den Köpfen der Wolfsburgerinnen zu bekommen.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.