Christina Rann sieht das Jahr 2023 zweigeteilt in Bezug auf Frauen im Fussball. Einerseits war das Jahr voller Highlights, auch für sie persönlich. Andererseits prangert die Fussballkommentatorin auch eine unausgewogene Sportberichterstattung an.
Wenn Sie auf das Jahr 2023 in Bezug auf Frauen im Fussball zurückblicken, was ist Ihnen
persönlich besonders im Gedächtnis geblieben?
Christina Rann: Das Champions-League-Finale zwischen dem FC Barcelona und dem VfL Wolfsburg, welches ich
für DAZN zusammen mit der Expertin Almuth Schult kommentieren durfte. Diese Atmosphäre in Eindhoven war einmalig, natürlich hätte ich lieber eine Party der Wölfinnen gesehen als der Blaugrana. Das Spiel hatte ein hohes Niveau, es hatte so viele Wendungen. Das Stadion war mit 34.000 Fans so schnell ausverkauft, man hätte ruhig ein noch grösseres nehmen können. Dann denke ich natürlich an unser erstes Montagsspiel der Frauen Fussball-Bundesliga bei Sport1 zwischen dem FC Bayern und dem 1. FC Köln. Endlich bekommen die Spielerinnen die grosse
Bühne, die sie verdient haben. Im Schnitt waren beim ersten Spiel schon 320.000 Zuschauer:innen an den Bildschirmen dabei. Das Besondere, am Montagabend gibt es kein anderes Live-Spiel in einer Fussball-Profiliga in Deutschland. Im Sommer habe ich die WM für den kanadischen Sender TSN Spiele der DFB-Frauen und der Schweiz kommentiert. Die mehrsprachigen Feeds enthielten Play-by-Play-Kommentare, die in der Muttersprache jedes teilnehmenden Teams gesprochen werde. Ich war mit vielen anderen Frauen weltweit vernetzt, wir haben uns ausgetauscht und gegenseitig unterstützt. Das ist auch meine generelle Wahrnehmung, da geht was!
War es ein gutes Jahr für Frauen im Fussball, egal ob als Sportlerinnen oder in den Medien?
Es war ein Jahr, in dem noch mal besonderes Augenmerk auf die Verteilung der Sportberichterstattung geschaut wurde. Mit dem neuen Montagabend ist ein wichtiger Baustein zur Sichtbarkeit hinzugekommen. Die Hängepartie um die Medienrechte für die Weltmeisterschaft ist gerade noch gut ausgegangen. Vor allem, nachdem das EM-Finale das meistgesehene Sportereignis 2022 war. Auch wenn die DFB-Elf in der Vorrunde der WM ausschied, die Quoten
waren sehr gut. Wenn ich allerdings auf das quantitative und das qualitative Verhältnis der Sportberichterstattung über Sportlerinnen und Sportler allgemein schaue, dann kann ich von keinem guten Jahr sprechen, da die Schere noch zu weit auseinandergeht. Über die Leistungen der Frauen im Sport wird viel weniger berichtet und wenn häufig trivialisiert.
2023 war auch das Jahr der Streiks im Fussball der Frauen und einiger Veränderungen: Haben
Frauen im Fussball so viel Macht wie nie zuvor?
#contigojenni war mehr als nur ein Hashtag, und das ist gut so. Ich meine damit die weltweite Unterstützung für Jenni Hermoso, die auf der grossen Bühne, als sie Weltmeisterin wurde, ein übergriffiges Verhalten ihres Verbandspräsidenten erlebt hat. Im Brennglas ihres grössten Erfolgs. Noch vor wenigen Jahren hätte man sich dazu nicht geäussert. Dass das spanische Nationalteam nach ihrem Streik diesen Erfolg feiern konnte, ist hoch anzurechnen. Mein Wunsch für die Zukunft wäre, dass man Räume von Menschen respektiert. Ja, die Zeiten haben sich geändert, die gewohnten patriarchalen Strukturen brechen immer mehr auf und wir können gemeinsam etwas verändern. Es ist aber noch viel zu tun.
Zur Person
- Christina Rann ist eine deutsch-portugiesische Kommentatorin, Moderatorin und Reporterin. Für DAZN kommentierte sie 2023 als erste Frau im deutschen Fernsehen ein Champions-League-Finale der Frauen. Ab der Saison 2023/24 ist Rann bei Sport1 als Kommentatorin im Einsatz und begleitet pro Spieltag eine Partie der Frauen-Bundesliga.
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