Das Pokalfinale zwischen den Bayern und Borussia Dortmund war kein Spiel wie jedes andere: 120 Minuten erbitterter Kampf, ein Elfmeter-Drama, eine Verschwörungstheorie und das Abschiedsspiel von Pep Guardiola und Mats Hummels.

Mehr News zum DFB-Pokal

Wie viele Geschichten kann ein einziges Fussballspiel erzählen? Das 73. DFB-Pokalfinale hat so viele Episoden produziert, dass man beinahe ein ganzes Buch damit füllen könnte. Da war die Geschichte des Spiels. Ein 120-minütiges Ringen der beiden mit Abstand besten deutschen Mannschaften mit der finalen Pointe Elfmeterschiessen.

Der FC Bayern in seiner Paraderolle als FC Bayern: Dominant, herrisch, phasenweise formidabel. Und in einigen wenigen, aber entscheidenden Szenen auch mit einer Prise Glück gesegnet. Und der BVB? Mit einer Mischform aus Tuchel- und Klopp-Fussball. Immer widerspenstig, immer widerstandsfähig. Es war das Duell zweier Schwergewichte über die volle Distanz und am Ende mit völlig offenem Visier.

Borussia Dortmund wählte gegen die Bayern eine Spielausrichtung, die der Mannschaft auf den ersten Blick ihre eigentliche Stärke raubte. Mit einer Fünferkette erwartete der BVB die Angriffe der Bayern, so wie beim Remis im Bundesliga-Rückspiel vor einigen Wochen. Das 4-3-3 der Vorrunde, deutlich riskanter und mit einem 1:5 in München abgestraft, blieb in der Schublade.

Und obwohl der BVB mit diesem defensiveren Spielsystem erneut ohne Gegentor gegen die Bayern blieb, war Thomas Tuchels Plan danach Gegenstand heftiger Debatten. Hat sich Dortmund am Ende sogar selbst geschlagen? Waren die Borussen zu ängstlich? "Am Ende ist es keine Frage der Ausrichtung, sondern eine Frage der Umsetzung. Und da haben wir zu viele Fehler gemacht", sagte Mats Hummels.

Schmelzer attackiert Schiedsrichter

Tuchel selbst machte eine ganze Reihe an Gründen aus, warum es am Ende für ihn im dritten Versuch gegen die Bayern zum dritten Mal nicht zum Sieg gereicht hatte: Das schwache Konterspiel, die falschen Verteidigungsstrategien in zu tiefen Zonen des Spiels, kein Ballbesitzspiel, das Fehlen von "Ausstrahlung, Willen und Härte".

Dass der BVB, der sich unter Tuchel zu einer ausgesprochen begeisternden Ballbesitzmannschaft entwickelt hat und auf die Weise Tore wie am Fliessband erzielen konnte, am Ende nur 30 Prozent selbst die Füsse am Ball hatte, kann vielleicht als Indiz für die These herhalten, die Mannschaft hätte ihre Ideale verraten und sich so am Ende selbst geschlagen.

Nicht jeder mochte das so unterschreiben. Besonders energisch sträubte sich Marcel Schmelzer gegen die Unterstellung, die Niederlage für seine Mannschaft sei verdient gewesen. Vielmehr versteifte sich Schmelzer auf die These, Schiedsrichter Marco Fritz habe die Partie mit entschieden. Der Referee ahndete eine Attacke von Franck Ribery gegen Gonzalo Castro nicht als Tätlichkeit. Wiederholungstäter Ribery hatte in der Tat Glück, dass es Fritz Mitte der ersten Halbzeit bei einer gelben Karte beliess.

"Diese nicht bestrafte Tätlichkeit war spielentscheidend", holte Schmelzer gleich ganz weit aus und legte forsch nach. "Ich stehe jetzt schon zum dritten Mal nach einem Finale gegen die Bayern hier und rede über Fehlentscheidungen des Schiedsrichters." Dass es der BVB nicht noch selbst richten konnte, lag im Elfmeterschiessen unter anderem an den tragischen Fehlversuchen von Sven Bender und Sokratis.

Tuchel nimmt Schuld auf sich

Trainer Tuchel, der auf der Pressekonferenz einen objektiven und aufgeräumten Eindruck machte, nahm die Schuld für das Versagen seiner Spieler komplett auf seine Kappe. Er hätte andere Spieler bestimmen sollen und nicht die beiden Innenverteidiger. Ausserdem hätte er eine andere Reihenfolge der Schützen wählen und Bender und Sokratis nicht an Nummer zwei und drei schiessen lassen sollen.

So setzte der BVB seine Serie von Niederlagen in Berlin munter fort, nach 2014 und 2015 war das 3:4 nach Elfmeterschiessen die dritte Pleite in Folge im Pokalfinale. Mats Hummels verabschiedete sich in seinem letzten Spiel in Schwarz-Gelb also mit der schmerzlichsten aller Niederlagen.

Bereits nach 72 Minuten plagten ihn Krämpfe, sechs Minuten später ging der Kapitän frühzeitig von Bord. Er habe seine Auswechslung angezeigt, sagte Tuchel. Das stimme so nicht, sagte Hummels. Da hatte sein Noch-Trainer ungewohnt schmallippig bereits seine Sicht zur Leistung seines wichtigsten Spielers formuliert. "Er kann das besser", hatte Tuchel gesagt und durchblicken lassen, dass er sich deutlich mehr von Hummels in dessen letzten Spiel erwartet hätte.

Mitte Juli wird der Nationalspieler dann seinen Dienst bei den Bayern antreten. Die feierten in der Nacht zum Sonntag in der Dependance des Hauptsponsors den fünften grossen Titel im dritten Jahr unter Pep Guardiola. Der Katalane weinte nach dem letzten Elfmeter bitterlich, der Druck fiel nach drei aufregenden Jahren beim Rekordmeister von ihm ab.

Guardiolas beeindruckende Zahlen

"Es war die richtige Entscheidung, diesen Wahnsinnsklub zu trainieren", sagte Guardiola. "Jeder Tag der letzten drei Jahre war eine Erfahrung für mich. Viele Debatten der letzten Wochen und Monate, "seit ich meinen Wechsel nach Manchester bekanntgegeben habe", wie Guardiola nochmals betonte, drehten sich um die Kernfrage, ob er denn nun in München als Gescheiterter Adios sagen müsste.

Was für eine krude Behauptung angesichts solcher Zahlen: 122 Siege in 161 Pflichtspielen, was einer Quote von unfassbaren 75 Prozent entspricht. Nie war ein Bayern-Trainer auch nur annähernd so erfolgreich. Drei Meisterschaften in drei Jahren, dazu zwei Triumphe im DFB-Pokal. "Pep Guardiola hat uns auf ein neues Niveau gehoben", sagte Philipp Lahm. Und er hat Titel gewonnen.

Er wolle nun erst noch eine Weile in München bleiben, sagte Guardiola. Und er verliess den Ort seines letzten grossen Triumphs mit der Gewissheit, nun keine nervenden Fragen mehr beantworten zu müssen. Einige der anwesenden Journalisten auf der Pressekonferenz sahen sich sogar bemüssigt, Guardiola noch Applaus zu spenden.

In ein paar Wochen wird den Trainer das gleiche Rede-und-Antwort-Spiel auf der Insel wieder einholen. Dann vielleicht sogar noch enervierender als es bei den Bayern jemals war. Aber das wird dann wieder eine neue Geschichte.

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.