Borussia Dortmund benötigt für einen Erfolg im Pokal-Halbfinale beim FC Bayern eine Top-Leistung - und einen Marco Reus in Bestform. Der Offensivspieler ist nicht nur wegen seiner fussballerischen Fähigkeiten wichtig, sondern auch als Anführer und Mentalitätsspieler.

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Wenn es in dieser Achterbahn-Saison von Borussia Dortmund ein paar Konstanten gibt, dann gehört Marco Reus im Guten wie im Schlechten dazu. Leider war der Nationalspieler auch in dieser Spielzeit fast schon traditionell lange verletzt.

Eine Schambeinentzündung, eine Fersenverletzung und zuletzt ein Muskelfaserriss kosteten Reus mal wieder fast die Hälfte der Saison.

In der anderen Zeit, wenn Reus dann tatsächlich doch auf dem Rasen stand, war er ein Eckpfeiler einer Mannschaft, die von einem Moment auf den anderen in sich zusammenfallen konnte - um dann wieder, wie aus dem Nichts, eine fantastische Leistung abzuliefern.

Vor dem Pokal-Halbfinale beim FC Bayern München liegen die Hoffnungen mehr denn je auf dem 27-Jährigen. Und das nicht nur, weil Reus in einer Multi-Kulti-Rasselbande eine Dortmunder Grösse und ein erfahrener Spieler ist. Sondern weil seine fussballerischen Qualitäten selbst in dieser Truppe der Hochbegabten noch einen Tick herausragen - und weil er als einer der wenigen unbelastet in dieses grosse Spiel gehen kann.

Reus sass nicht im Mannschaftsbus, als vor zwei Wochen die Bombe explodierte. Wie in Trance ist dieses Team danach aus der Champions League gestolpert. Unfähig, dem durchaus schlagbaren Gegner aus Monaco in beiden Spielen die eigenen Qualitäten entgegenzusetzen. Die vergangenen Wochen waren extrem, die seelischen Wunden bei einigen Spielern nicht zu übersehen.

Reus als Seelsorger

Genau in diese Phase hinein fiel die Rückkehr Reus' nach dessen Muskelverletzung. Der Vizekapitän war dann aber weniger als Nebenmann auf dem Platz gefragt, sondern als Seelsorger in den zähen, angstvollen Momenten zwischen den Spielen. Diese Rolle hat er angenommen, wie man es prinzipiell von einem Führungsspieler erwarten kann. Aber angesichts der besonderen Umstände nicht erwarten muss.

Dass er seit seiner Rückkehr in drei Spielen drei Tore erzielt hat, rückte deshalb fast schon in den Hintergrund. Die Meldungen, wonach der Attentäter gefasst wurde sowie der Sieg am Samstag in Mönchengladbach, der den BVB zurück auf Platz drei in der Tabelle hievte, haben das Binnenklima wieder deutlich verändert.

Die erdrückenden Erinnerungen an den 11. April weichen so langsam, die Mannschaft findet wieder zurück in den notwendigen Alltag. Und neben Trainer Thomas Tuchel, der als Krisenmanager in den letzten Tagen einen hervorragenden Job gemacht hat, war es Reus, der seinen Kollegen und Freunden nach und nach wieder Stabilität und Halt geben konnte.

Die Vorzeichen vor dem Kracher in München sind also nicht mehr die schlechtesten, der BVB befindet sich auf dem Weg der Besserung und geht damit als Einheit einher mit dem ganz persönlichen Aufstieg seines wichtigsten Spielers.

Man sollte vielleicht nicht behaupten, dass die Vorkommnisse vor dem Hinspiel gegen Monaco die Mannschaft nun noch enger zusammenschweissten. Vielleicht mag der eine oder andere das so interpretieren, aber dafür geht jeder Spieler anders mit den Erlebnissen um und hat daran wohl auch nach dem Ausbruch aus der Schockstarre am vergangenen Wochenende noch länger zu knabbern.

Sein Makel: immer noch kein wichtiger Titel

Aber der BVB befindet sich eher wieder leicht im Aufwind. Jedenfalls in der Art, dass jetzt wieder an ein Spiel auf höchstem Niveau zu denken ist. Vor einer oder zwei Wochen wäre die Mannschaft wohl relativ chancenlos nach München gefahren. Die Bayern ihrerseits haben das Aus gegen Real Madrid in der Champions League offenbar noch nicht so recht verdaut.

Diese beiden konträren Tendenzen und die Nachricht, dass der BVB einen Reus in bestechender Form im Gepäck hat, lässt auf eine Partie auf Augenhöhe hoffen. Für Reus persönlich wird das Spiel in der Allianz Arena zum erneuten Anlauf auf den ersten grossen Titel der Karriere.

Das Halbfinale gilt ja als vorweggenommenes Endspiel. Und von denen hat Reus in den vergangenen Jahren schon genug verloren. Dreimal im Pokalfinale, einmal in der Champions League. Dazu kommen noch drei Vizemeisterschaften mit dem BVB. Die Aussicht auf ein Endspiel in Berlin gegen Eintracht Frankfurt ist ebenso verlockend wie motivierend.

Tuchel lobte Reus zuletzt wegen dessen "Freiheit und Lockerheit", gleichzeitig zeigt der Nationalspieler die geforderte Wucht im Offensivspiel und setzt wie zuletzt in Gladbach auch überragende Akzente im Spiel gegen den Ball, als der BVB die andere Borussia phasenweise mit ihrem Pressing erdrückte.

Reus als X-Faktor

Davor haben ja auch die Bayern noch am meisten Respekt: Dass da eine Mannschaft daherkommt, die ihnen den Ball wegnehmen und selbst Fussball spielen will. Dann sind die Bayern verwundbar. Reus ist dabei ein Schlüssel in der Defensive wie auch in der Offensive.

Vor 18 Tagen wurde der BVB in München vorgeführt, seine Mannschaft hätte keine Chance gehabt, den Bayern auf diesem Niveau Paroli zu bieten, sagte Tuchel damals. "Diese Aufgabe ist zu schwer in dieser Umbruchssaison."

Die besonderen Umstände der letzten Tage lassen die Erinnerungen an die Niederlage verblassen. Und einer, der beim 1:4 gar nicht dabei war, wird heute Abend womöglich den Unterschied machen. Marco Reus bringt eine neue Qualität mit ins Dortmunder Spiel, die die Bayern nur schwer einschätzen können.

Das wird mehr sein als sein Tempo, seine Dribblings, seine Torgefahr. Da wird einer auflaufen, der die Mentalität dieser Mannschaft bis ins Kleinste verkörpert, der frei und unbeschwert ist und die Kollegen vielleicht damit mitreissen kann. Und der schliesslich auf der Jagd nach seinem ganz persönlichen Happy-End ist: dem ersten Titelgewinn überhaupt.

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