• Nirgends ist die Dichte an Weltklassespielern so hoch wie im deutschen Mittelfeld.
  • Nach der Niederlage gegen Spanien sendete die deutsche Nationalmannschaft mit dem Sieg gegen Island ein gutes Signal.
  • Bundestrainer Joachim Löw hat die freie Auswahl und könnte schon bald vor der Frage stehen: Wohin mit Toni Kroos?
Eine Analyse

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Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute zuerst: Die deutsche Nationalmannschaft kann ja doch noch richtig schönen Fussball spielen. Allerdings, und das ist die schlechte Nachricht, werden die Gegner demnächst nicht Island heissen oder Nordmazedonien. Sondern Frankreich und Portugal. Und erst dann wird sich zeigen, wie viel der zarte Aufwärtstrend nach dem ersten Spiel im EM-Jahr 2021 wirklich wert ist.

Zumindest hat es Joachim Löws Mannschaft aber im ersten Schritt geschafft, auf den Niedergang gegen Spanien eine positive Antwort zu geben. Das souveräne 3:0 gegen Island zum Auftakt in die WM-Qualifikation war ein gutes Signal und es lieferte auch ein paar Rückmeldungen im Hinblick auf das schon bald anstehende EM-Turnier.

Die Stärken voll ausgereizt

Löw liess seine Mannschaft mal wieder ohne echten Stürmer auflaufen, Serge Gnabry in vorderster Front bewegte sich immer wieder zwischen den gegnerischen Linien. Das hatte Konzept und machte auch Sinn gegen den tiefstehenden Gegner. Aber es ist natürlich auch der Tatsache geschuldet, dass Deutschland schlicht keinen geeigneten Mittelstürmer hat. Keinen Giroud, Kane, Morata, Ronaldo, Lewandowski oder Haaland. Dieses Problem ist ebenso alt wie jenes auf den defensiven Aussenbahnen.

Gegen Island fiel das nur überhaupt nicht ins Gewicht, weil das deutsche Mittelfeld sich in einer absoluten Weltklasseform zeigte. Löw nutzte eine für ihn eher ungewöhnliche 3-1-5-1-Anordnung im eigenen Ballbesitz, um die eingesetzten Spieler nahezu perfekt in jene Positionen zu bringen, in denen sie ihre Stärken maximal ausspielen konnten.

Leroy Sane klebte förmlich hochstehend an der linken Seitenlinie, startete von dort aus immer wieder in die Tiefe, oder band wenigstens einen oder zwei Gegenspieler. Auf der anderen Seite war es der eigentliche Rechtsverteidiger Lukas Klostermann, der nach vorne schob und Kai Havertz Platz verschaffte, damit der nach innen ziehen und sich auch zwischen den Linien zeigen konnte.

Perfekte Einbindung von Kimmich, Gündogan und Goretzka

Am spektakulärsten war aber die Einbindung des Trios Joshua Kimmich, Ilkay Gündogan und Leon Goretzka. Kimmich spielte wie aus einer Quarterback-Position heraus, vor der Abwehr prallte so gut wie jeder isländische Konterversuch an ihm ab. Und im eigenen Ballbesitz sammelte Kimmich in der ersten Hälfte mehr Ballaktionen (91) als die komplette gegnerische Mannschaft zusammen (90). Es war ein Spiel wie gemalt für Kimmich, der ohne grossen Gegnerdruck 30, 40 Meter vor der Abwehr einen öffnenden Pass nach dem anderen zeigen konnte.

Mittlerweile hat sich der Chipball auf dem Halbraum zu einer Art Markenzeichen des 26-Jährigen entwickelt, Kimmich spielt diese Pässe öfter und besser als es Xavi oder Andres Iniesta in ihren besten Zeiten beim FC Barcelona getan haben. 176 Ballaktionen und sagenhafte 163 Pässe wurden für Kimmich jeweils Rekordwerte in einem Länderspiel.

Gündogan stellte Löw - ähnlich wie Pep Guardiola bei Manchester City - in den linken Halbraum. Von dort aus hatte Gündogan das Spiel immer diagonal vor sich und einen kürzeren Weg zum gegnerischen Tor. Nicht zufällig spielt Gündogan derzeit die beste Saison seiner Karriere in exakt dieser Einbindung auch im Klub und ist torgefährlich wie nie zuvor.

Wohin mit Kroos?

Goretzka wiederum kümmert sich weniger um viele Ballkontakte. Er agiert auch nicht wie die Passmaschinen Kimmich und Gündogan. Goretzka darf viel geradliniger spielen, mehr aus dem Zentrum heraus, fast schon auf der Zehnerposition. Bei ihm sind es das Nachrücken und die Besetzung des Strafraums, sowie seine sehr körperbetonte Art, die eine neue Klangfarbe einbringen.

Das Zusammenspiel im Herzen des deutschen Spiels jedenfalls funktionierte so reibungslos wie lange nicht mehr und fast automatisch stellte sich nicht nur die Frage, welche Nation denn über ein begabteres Mittelfeld verfügen könnte - sondern auch jene, ob das denn nun die Stammformation für das EM-Turnier sein könnte.

Denn so überschaubar das Angebot im Sturmzentrum und auf den Aussenverteidigerpositionen immer noch sein mag, so enorm ist der Fundus an Zentrumsspielern im Mittelfeld. So machte sich das Fehlen von Löws wichtigstem Anführer auf dem Platz gegen Island zu keiner Sekunde bemerkbar.

Toni Kroos hatte sich am Dienstag wegen Adduktorenproblemen abgemeldet und war wieder abgereist. "Er wäre gerne in unserem Kreis geblieben, und ich verzichte nur ungern auf ihn. Auch mit Blick auf das EM-Turnier im Sommer haben wir entschieden, dass die vollständige Genesung dieser Verletzung jetzt Vorrang haben muss", sagte der Bundestrainer auf einer Pressekonferenz vor dem Spiel.

Nach dem Sieg und den herausragenden Leistungen von Kimmich, Gündogan und Goretzka konnte Löw die Fragen, ob und wie Kroos wieder in diese Mannschaft finden könne, dann nicht verstehen. "Warum sollte Toni Kroos um seinen Platz fürchten müssen? Er ist ein Weltklasse-Spieler, der unsere Mannschaft prägt", sagte er. Ausserdem, führte der Bundestrainer fort, sei ja sowieso immer mal wieder mit der einen oder anderen Verletzung zu rechnen. "Beim Turnier brauchen wir mehr als elf Spieler", stellte Löw klar.

Hoeness: "Löw wird die Qual der Wahl haben"

Natürlich musste der Bundestrainer das sagen. Eine Debatte um den einzig verbliebenen Feldspieler der Weltmeistermannschaft von 2014, der alle Kahlschläge seitdem überstanden hatte, kann Löw nun überhaupt nicht gebrauchen. Trotzdem weiss er um die Gefahr. Kimmich ist auf der Sechs eine Bank, Goretzka der kongeniale Partner auch im Klub. Und Gündogan in der Form seines Lebens. Überaus talentierte Spieler wie Florian Neuhaus, Mo Dahoud, Debütant Jamal Musiala oder Florian Wirtz bilden da nur die zweite Riege.

Die anderen Nationen würden sich so eine Auswahl wohl auch wünschen, sagte der neue RTL-Experte Uli Hoeness. "Da wird Löw die Qual der Wahl haben, wenn alle gesund sind - und dann vielleicht auch Thomas Müller noch dazukommt." Und der kann ja bekanntlich immer und überall spielen. Wenn es sein muss sogar auf der Sechs, wie er beim letzten Bundesligaspiel der Bayern eindrucksvoll gezeigt hat.

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Verwendete Quellen:

  • sportschau.de: "DFB-Team - Löw muss auf Kroos verzichten"


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