Nadine Angerer ist Deutschlands neue Fussball-Heldin: Mit zwei gehaltenen Elfmetern und meisterhaften Paraden sicherte die Torfrau Deutschland den Sieg bei der Europameisterschaft. Doch "Natze" war nicht immer ein Vorbild.

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Es war der entscheidende Augenblick: Während Nadine Angerer auf den Schuss ihrer Gegnerin Solveig Gulbrandsen wartete, hüpfte sie auf der Torlinie herum. Doch als die Norwegerin vom Elfmeterpunkt abzog, sprang die deutsche Nummer eins zur Seite und wehrte den Ball mit der Hand ab. "Sie ist eine Göttin!", schrie ARD-Kommentator Bernd Schmelzer ins Mikrofon. Schon zum zweiten Mal bewahrte Angerer ihre Mannschaft in diesem Spiel bei einem Strafstoss vor dem Gegentor.

In diesem Moment schienen die Norwegerinnen und ihre Fans im Stadion den Glauben zu verlieren, dass sie das EM-Finale noch für sich entscheiden können. An dieser Keeperin kamen sie auch in der letzten halben Stunde einfach nicht vorbei.

Angerer machte Deutschland zum Europameister und wurde einmal mehr zur Heldin. Als "Iron Woman" und "Titanin" wurde die 34-Jährige nun in den Medien gefeiert. "Super-Natze, Super-Natze, hey, hey" feierten die DFB-Spielerinnen ihre Torfrau auf der Siegesfeier. Ihrer Führung war es zu verdanken, dass die junge deutsche Mannschaft den Thron von Europa erklomm.

Nadine Angerer war früher faul im Training

Doch Disziplin war früher nicht die Stärke von Nadine Angerer. Die Torfrau trieb sich gern spät auf Partys herum, verschlief Lehrgänge und war faul im Training. Vor dem Spiel habe sie auch mal eine Pizza gegessen, gab sie in einem Interview zu. Doch die damalige Bundestrainerin Tina Theune brachte Angerer zur Einsicht. Endlich nahm sie ihre Pflichten als Leistungssportlerin ernst, verdreifachte den Trainingsaufwand und achtete auf ihre Ernährung.

Erst mit 28 Jahren bekam sie als Nachfolgerin von Silke Rottenberg den Stammplatz im Tor und wurde zur festen Grösse im Team. Den vorläufigen Höhepunkt erreichte sie bei der Weltmeisterschaft 2007 in China, als sie ohne Gegentor Weltmeisterin wurde. Noch kein anderer weiblicher oder männlicher Torhüter hat das je bei einem grossen Turnier geschafft. Im WM-Finale hielt sie auch einen Elfmeter der Brasilianerin Marta - damals wie heute bewies Angerer Nervenstärke.

Ihre erneute Meisterleistung sechs Jahre nach dem WM-Triumph war nicht selbstverständlich. 2011 sah sie bei der Heim-WM weniger glücklich aus. Auch weil Angerer patzte, schied Deutschland schon im Viertelfinale gegen Japan aus. Um die Teilnahme an der Europameisterschaft musste die Keeperin richtig kämpfen.

Im vergangenen Jahr wurde die ausgebildete Physiotherapeutin von Verletzungen zurückgeworfen und steckte im Formtief fest. Ihre EM-Teilnahme war in Gefahr. Doch sie arbeitete an ihrer Fitness, nahm sechs Kilogramm ab und wurde bei der Europameisterschaft enorm wichtig für die junge und unerfahrene DFB-Auswahl, die aufgrund von vielen Ausfällen nur ein Durchschnittsalter von 23,56 Jahren aufwies.

"Natze" trimmt das junge DFB-Team auf Sieg

"Sie ist ein sicherer Rückhalt", sagte die 20 Jahre alte Linksverteidigerin Jennifer Cramer. Mit 34 Jahren ist Angerer die deutlich Älteste im Team. Ihre Erfahrung half der jungen Mannschaft weiter. Vor zwei Jahren hat sie das Kapitänsamt von Birgit Prinz übernommen. Die selbsternannte "Mutter der Kompanie", die nie um einen Spruch verlegen ist, kümmerte sich um den "Kindergarten" und zeigte Teamgeist. Nach der Niederlage gegen Norwegen in der Gruppenphase brachte sie die deutschen Spielerinnen wieder auf Kurs.

"Sie hat das ganze Turnier über hervorragend gespielt. Man hat gemerkt, dass sie einfach keinen reinlassen wollte", sagte Trainerin Silvia Neid über ihre Torfrau. Die emotionale Keeperin hat sich weiterentwickelt. Obwohl sie sich über die Strafstossentscheidungen der Schiedsrichterin im Finale aufregte, schaffte sie es, diese Energie zu nutzen und ihren Kasten sauber zu halten. Am Morgen des Endspiels hatte sie sich auf ein mögliches Elfmeterschiessen vorbereitet. Im entscheidenden Moment vertraute sie aber doch ihrer Intuition. "Ich habe es spontan entschieden, wo ich hinspringe. Gott sei Dank habe ich das gemacht", bekannte sie nach der Partie.

Wie geht es nun mit Natze weiter? Zunächst steht das ausgiebige Feiern des EM-Titels an, wobei die Mützenliebhaberin sicher ganz vorne mit dabei sein dürfte. Danach will sich die Hobbytaucherin erst einmal in ihr Haus auf Fuerteventura zurückziehen. Ihre weitere Karriere führt sie bald ins Ausland: Nach vier Jahren beim FFC Frankfurt geht Angerer für ein halbes Jahr nach Brisbane in Australien und will danach auch noch in den USA bei Portland Thorns FC spielen.

Das DFB-Dress will sie noch lange nicht abstreifen. Angerer will auch bei der Weltmeisterschaft in zwei Jahren wieder im Tor stehen und nach vier EM- und zwei WM-Siegen den nächsten Titel erobern.

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