Die ARD lieferte im EM-Viertelfinale eine ähnlich gute Vorstellung wie das DFB-Team ab. Esther Sedlaczek und Bastian Schweinsteiger sowie Gerd Gottlob und Thomas Hitzlsperger harmonieren. Zwei Dinge enttäuschen aber – darunter der Umgang mit der strittigsten Szene des Spiels.

Eine Kritik
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Der Schuss ging nach hinten los: Was Esther Sedlaczek als gutes Omen präsentieren wollte, war ihretwegen dann doch ein schlechtes. Ansonsten lebte die Übertragung des Viertelfinales vom hoch spannenden und dramatischen Verlauf des Spiels, das das ARD-Team zum Grossteil gut transportierte. Zwei Dinge enttäuschten aber.

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Der erste flotte Spruch kam gleich zum Einstieg. Gut möglich aber, dass ihn kaum jemand mitbekommen hat, weil er nicht weiter aufgegriffen wurde. Doch Bastian Schweinsteiger hat offenbar geahnt, dass der Schuss nach hinten losgehen könnte. Die Konstellation sei ein gutes Omen, sagte Moderatorin Esther Sedlaczek beim Interview mit Bundestrainer Julian Nagelsmann vor dem Viertelfinale gegen Spanien. In Stuttgart hatte die deutsche Nationalmannschaft schon gegen Ungarn gewonnen, und Bastian Schweinsteiger war zudem als Experte dabei.

"Ja, du aber nicht", stellte Schweinsteiger in Richtung Sedlaczek treffend fest. Die Moderatorin also selbst als schlechtes Omen? Der Ausgang ist bekannt. Eine Glücksbringerin ist sie offenbar nicht. So oder so zeigten beide im Vorlauf der Übertragung, warum sie zu den besten TV-Duos gehören.

Locker, routiniert und unverkrampft wurden die Zuschauer seriös auf die Partie vorbereitet, die üblichen Sprüche gab es aber trotzdem. Zum Beispiel, als beide darüber sinnierten, dass sie schneller im Stadion gewesen wären, wenn sie den Fanmarsch mitgemacht hätten. "Hättest du dir mal ein anderes Outfit anziehen sollen", stichelte Schweinsteiger, da der beige Blazer Sedlaczeks dafür eher unpassend gewesen wäre.

Nachvollziehbares Fachwissen

Aber: Beide punkteten wie so oft mit ihrem Fachwissen. Sedlaczek stellt die richtigen Fragen, die Schweinsteiger inzwischen mit einer guten analytischen Tiefe beantwortet, die frühere Oberflächlichkeit hat er zum Grossteil abgelegt. Er verliert sich bei kurzen, knackigen Abhandlungen über Leroy Sané, Lamine Yamal, Rodri oder auch Toni Kroos nicht in komplizierten fussballtechnischen Plattitüden, sondern erklärt dem Zuschauer nachvollziehbar, wie man die Spanier knacken kann oder warum Kroos noch einen dunklen Fleck in der Karriere hat.

Was wohltuend war: die überschaubare Länge. Wir hatten bei diesem Turnier auch schon einen Vorlauf über 90 Minuten, die fraglos grenzwertig werden können, wobei die 55 Minuten am Freitagabend vollkommen ausreichend waren, um sich nicht irgendwann in Banalitäten zu verlieren und unnötig langatmig zu werden.

Gottlob und Hitzlsperger harmonieren

Kommentator Gerd Gottlob und Co-Kommentator Thomas Hitzlsperger harmonierten beim Spiel auf angenehme Art und Weise. Gottlob war dabei der gewohnt emotionale Begleiter, der je nach Spielverlauf auch laut wurde, ohne aber dabei zu aufdringlich oder nervig zu werden. Stark: Hitzlsperger wusste, wann er nach Gottlobs Ausführungen erklärend oder ergänzend einsteigen musste.

Das tat der Ex-Nationalspieler kritisch-analytisch, blieb dabei aber seiner Linie als Gegenpol zu Gottlob ruhig und sachlich und lieferte echte Mehrwerte. Gut für den Zuschauer: Beide drehten den Emotionspegel passend zum sich immer mehr zuspitzenden Spiel behutsam, aber hörbar auf, litten förmlich mit.

Das Kommentatoren-Duo hatte nach der dramatischen Verlängerung die etwas undankbare Aufgabe, das bittere Aus abzumoderieren, den Schock zu erklären, den Zuschauer zu "trösten". Es ist nie ganz einfach, die richtigen Worte zu finden, die richtige Tonalität, vor allem aber die richtige Mischung. Gottlob verlor sich in einem Monolog, der gar nicht mehr aufhören wollte. Er zerredete die Leere, die auf dem Platz und auch sicher bei vielen Zuschauern herrschte, und wollte sie fast schon verzweifelt mit Worten füllen.

Es wäre ohne Zweifel wohltuender gewesen, den Fan am Fernseher auch mal eine Zeit lang mit den Bildern alleine zu lassen. Und an der einen oder anderen Stelle wurde es dann auch ein wenig viel mit der Lobhudelei, auch wenn die Mannschaft einen positiven Ausblick in den 120 Minuten zuvor gut verargumentiert hatte. Weniger wäre hier deutlich mehr gewesen.

Schwache Steinhaus

Was auch misslang, war die Aufarbeitung der strittigen Handelfmeter-Szene um den Spanier Marc Cucurella. "Mir leuchtet es nicht ein. Ich würde sagen, in neun von zehn Fällen wird hier auf Elfmeter entschieden. Warum die deutsche Mannschaft hier keinen bekommt, ist mir ein Rätsel", sagte Hitzlsperger. Auch Schweinsteiger war meinungsstark. "Das muss mir einer erklären. Von zehnmal ist es neunmal ein Elfmeter. Er hat die Hand schon ein bisschen draussen", sagte Schweinsteiger.

Doch dass Bibiana Steinhaus-Webb als Ex-Schiedsrichterin die Szene eher schwammig beurteilte ("Ich kann es nachvollziehen, ich denke aber auch, dass eine andere Entscheidung möglich gewesen wäre"), ist schade, unterstreicht allerdings auch das Dilemma der Regelauslegung und die Komplexität der Szene. "Er steht mit beiden Beinen fest auf dem Boden und hat eine natürliche Armhaltung. Auch, wenn er seine Körperfläche leicht vergrössert, ist das eher kein Elfmeter", sagte sie zudem im Rahmen einer kurzen Einschätzung.

Diese Szene hätte sicher eine noch intensivere Diskussion vertragen können. Warum Schiedsrichter Anthony Taylor nicht pfiff und sich die Szene auch nicht mehr anschaute, konnte in der Sendung nicht mehr abschliessend geklärt werden.

Gute Schweinsteiger-Hintergründe

Ein Pfund bleibt, dass Schweinsteiger immer noch nah dran und emotional bei der Sache ist sowie gute Hintergründe liefern kann. Wie man als Spieler Niederlagen erlebt, wie die Mannschaft darauf reagiert, wie man so etwas verarbeitet. Allerdings geht nichts über Infos aus erster Hand. Und da gerieten die Interviews nach dem Spiel zu echten Highlights.

Ob nun der emotional angefasste Niclas Füllkrug, der sogar eine kurze Ansprache an die Nation hielt, oder Joshua Kimmich und Nagelsmann, die tapfer mit ihren Tränen kämpften – diese Emotionen waren echt, eindrücklich und in der Intensität eine Seltenheit.

Übrigens: Vor dem Spiel sollte Schweinsteiger noch seinen Tipp zum Spiel abgeben. "Wenn wir genauso spielen wie deine Haare hinten aussehen, so wie ein Blitz", so Schweinsteiger in Anspielung auf Sedlaczeks Dutt, "dann gewinnen wir 2:1 nach Verlängerung". Das Ergebnis stimmte zwar, mit "wir" war aber natürlich das DFB-Team gemeint. Die Moderatorin zwang Schweinsteiger einen haarigen Wetteinsatz auf: "Wenn dein Tipp nicht stimmt, sehen wir dich im Halbfinale mit pinken Haaren. Das würde ich so festlegen". Ob sie damit durchkomme, sei eine andere Frage, sagte sie. Keine Frage aber ist, dass Esther Sedlaczek an diesem Abend keine Glücksbringerin war.

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