Hat der Bundestrainer etwas gegen Bayern? Die Bundesliga-Statistik spricht eindeutig gegen die EM-Nachnominierung des Dortmunders Emre Can.

Pit Gottschalk
Eine Kolumne
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Der Bundestrainer geniesst eine Machtfülle wie kein anderer Kollege in Deutschland. Julian Nagelsmann entscheidet, wer für Deutschland spielt - und bei der Heim-EM seinen Marktwert steigert. Nicht jede Entscheidung kann man nachvollziehen. Die zu Emre Can gehört dazu.

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Als der Bayern-Profi Aleksandar am Mittwoch krankheitsbedingt fürs defensive Mittelfeld ausfiel und sein EM-Aus besiegelt war, nominierte Nagelsmann den Dortmunder Emre Can nach. Sofort war die Anhängerschaft auf Zinne: Warum er und nicht Leon Goretzka vom FC Bayern?

Die Statistik spricht gegen Emre Can

Die Bundesliga-Statistik spricht gegen Can. Nur zwei Tore und zwei Vorlagen gelangen ihm in 25 Spielen. Goretzka dagegen: sechs Tore und neun Vorlagen in 30 Spielen. In der Champions League steuerte Can in elf Spielen keinen Treffer und keine Vorlage zum Finaleinzug bei.

Er ist jetzt 30 Jahre alt. Man kann also auch nicht argumentieren, dass er wie Pavlovic zum Lernen mitfährt. Schliesslich hatte Nagelsmann vor der Bekanntgabe des EM-Kaders Mitte Mai analysiert, dass Emre Can nicht das Zeug hat, zu den besten 22 Feldspielern zu gehören. Er war raus.

Jetzt die Rolle rückwärts. Mit dem Verweis auf Erfahrung, Nervenstärke und Zweikampfverhalten hätte auch Mats Hummels als Innenverteidiger zwingend nominiert werden müssen. Das tat Nagelsmann aber nicht. Ihm waren auch Soft Skills wichtig: das Verhalten, wenn man nicht spielt.

So kann man das Thema drehen und wenden, wie man will: Die Can-Nominierung ergibt keinen Sinn. Für Goretzka ist das bitter: Mit 29 Jahren endet seine Karriere in der Nationalmannschaft. Auch beim nächsten Turnier, bei der Nordamerika-WM 2026, soll Nagelsmann Bundestrainer sein.

Hat Nagelsmann ein Problem mit Bayern München?

Da drängt sich die Frage auf: Hat Nagelsmann etwas gegen Spieler von seinem alten Arbeitgeber Bayern München, der ihn im Frühjahr 2023 vorzeitig entlassen hat? Das kann man so nicht sagen. Mit Manuel Neuer zum Beispiel lag er in der Bayern-Zeit über Kreuz.

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Inzwischen haben die zwei einen Männerpakt: Nagelsmann verteidigte seinen Torhüter, obwohl er reihenweise Patzer verursachte und die Öffentlichkeit seine Degradierung forderte. Er tat dies im Wissen, dass er selbst kritisiert wird, wenn Neuer in den EM-Spielen erneut Fehler macht.

Die Zahl der Bayern-Profis in seinem EM-Kader ist zwar jetzt auf fünf geschrumpft - aber sein Ex-Klub bildet noch immer die grösste Fraktion. Daraus kann man wohl kaum eine Antipathie herleiten. Es gibt wohl keine andere Wahl: Nagelsmann muss von Can plötzlich überzeugt sein.

Warum auch immer.

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