Vor dem EM-Auftaktspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Schottland bleiben Restzweifel an der offensiven Durchschlagskraft der Mannschaft. Doch dafür gibt es kaum Gründe.
Die Sache mit dem Toreschiessen war für die deutsche Nationalmannschaft in den vergangenen Jahren immer wieder ein Problem. Bei den grossen Turnieren, egal ob bei den Weltmeisterschaften in Russland und Katar oder dazwischen bei der Europameisterschaft 2021: Deutsche Mannschaft scheiterten unter anderem auch an einer bemerkenswerten Abschlussschwäche.
Deshalb wurden die Ziele bei allen drei Grossereignissen zuletzt meilenweit verfehlt, was wiederum den Verband in eine - Kritiker würden behaupten: längst überfällige - Sinnkrise stürzte. Die Europameisterschaft im eigenen Land soll der Aufbruch in eine neue Epoche werden.
Dafür bedarf es einer neuen Euphorie rund um die deutsche Nationalmannschaft. Und die ist nur durch die entsprechenden Leistungen und Ergebnisse zu erzielen, wofür wiederum die Zahl der erzielten Tore der Gradmesser ist.
Seit dem WM-Triumph vor zehn Jahren inklusive des surrealen 7:1 über Brasilien auf dem Weg zum Titel hat die DFB-Auswahl bei grossen Turnieren nur noch zweimal überhaupt mehr als zwei Tore in einem Spiel erzielt: Gegen Portugal bei der EM 2021 und gegen Costa Rica bei der WM 2022, beide Spiele endeten 4:2 für Deutschland.
Zuletzt immer wieder Offensivprobleme
Dem gegenüber standen nach jedem Ausscheiden hitzige Debatten über die fehlende Kaltschnäuzigkeit und Effizienz deutscher Angreifer und oft genug auch einer alternativen, variablen Spielidee. Das zumindest hat sich seit der Übernahme von Bundestrainer
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Zwar haperte es bei den letzten Testspielen gegen die Ukraine und Griechenland wieder einmal und zum Teil gewaltig am Torabschluss - der Werkzeugkoffer der deutschen Mannschaft im eigenen Ballbesitz ist aber so prall gefüllt wie schon lange nicht mehr. Da war es fast schon ein Segen, dass die erste Halbzeit gegen die Griechen komplett missraten war: zur Verfeinerung der alternativen Elemente und dem Stresstest unter Wettkampfbedingungen.
Variabilität im Mittelfeld
Mit der Rückkehr von
In den Halbspuren tauchen
Wirtz dagegen ist noch mehr ein Ballschlepper, der grössere Distanzen mit dem Ball am Fuss überbrücken kann und sich trotzdem dann auch zwischen den gegnerischen Linien und dort, wo es sehr eng und sehr ungemütlich werden kann, herausragend behaupten kann - und trotz maximalem Gegnerdruck eine pfiffige Lösung findet.
Plus der ewige Ilkay Gündogan im Zentrum des deutschen Offensivspiels. Zwar ebbte die Kritik am deutschen Kapitän nicht ab und die tief stehenden Gegner der Gruppenphase dürften nur sehr wenig Raum vor der eigenen Abwehrlinie preisgeben. Und trotzdem kann
Ganz unterschiedliche Mittelstürmer
Im Angriff scheint Deutschland nur auf den ersten Blick nicht so stark besetzt wie andere grosse Nationen, die klare Mittelstürmer von Weltklasseformat in ihren Reihen haben: England mit Harry Kane, Frankreich mit Kylian Mbappe, Portugal mit Cristiano Ronaldo oder Belgien mit Romelu Lukaku.
Bei Julian Nagelsmann hat die Idee mit dem schwimmenden Kai Havertz oberste Priorität. Warum der ehemalige Leverkusener immer noch als Notlösung auf der Neuner-Position gesehen wird, obwohl er als Mittelstürmer sowohl den FC Chelsea zum Champions-League-Sieg und Arsenal in der abgelaufenen Saison beinahe zur Meisterschaft geschossen hat, ist schwer zu erklären.
Mit Niclas Füllkrug steht ein Mittelstürmer "alter" Prägung jedenfalls als Ersatz parat: technisch längst nicht so stark wie Havertz und auch mit weniger Tempo, dafür aber robust, deutlich stärker in der Luft und damit bei Flanken gefährlicher. An denen durfte - oder besser: musste - sich die deutsche Mannschaft gegen Griechenland versuchen. Mit teilweise überraschenden Hereingaben aus dem Halbfeld kam Deutschland auch gegen den kompakt verteidigenden Gegner zu Torchancen.
Und das auch, weil auf der Bank noch zwei weitere Angreifer bereitstehen, die im gegnerischen Strafraum und nach Einwechslungen nicht viel Anlaufzeit benötigen: Über Deniz Undav - der auch als Gündogan-Ersatz auflaufen könnte - und Maximilian Beier spricht vor dem Eröffnungsspiel gegen Schottland kaum jemand. Dabei bringen beide noch einmal ganz andere Stilmittel mit ein: Undav mit seinem Spielwitz, Beier mit seiner Unbekümmertheit und Geschwindigkeit.
Trümpfe in der Hinterhand
Mindestens genauso wichtig wie die personelle Besetzung der einzelnen Positionen ist aber der doch sehr unterschiedliche Angang, den die Mannschaft je nach Lage und Anforderung abrufen kann. Das Spiel durchs Zentrum und die Halbspuren wird wohl immer die A-Lösung bleiben, mit vielen kurzen Stafetten und Ablagen, um dann direkt oder über den Umweg der Aussenbahnen in den Rücken der Abwehr zu gelangen.
Sind diese Wege versperrt, drängelt die Mannschaft mit mehr Personal in den gegnerischen Strafraum: Um sofort zum Abschluss zu kommen oder einen zweiten Ball in der gefährlichen Zone 20 Meter zentral vor dem gegnerischen Tor aufzusammeln und dann abzuschliessen, mit einem Schuss aus der zweiten Reihe gegen einen dann etwas unsortierteren Gegner und mit viel Verkehr vor dem gegnerischen Torhüter.
Und in der Hinterhand bleiben zwei zuletzt eher vernachlässigte Trümpfe: Der zuletzt angeschlagene und gesperrte Leroy Sane ist einer, der mit einem dynamischen Solo gegnerische Linien auch mal alleine durchbrechen kann. Er kann in den ersten Spielen der erste Einwechselspieler sein, wenn der Gegner schon etwas müder gespielt wurde. Von Thomas Müller sind vielleicht keine Wunderdinge mehr zu erwarten, für einen komplett frischen Spirit nach einer Einwechslung ist er aber immer noch genau der Richtige.
Und: Das Repertoire der deutschen Offensiv-Standards dürfte in den Testspielen zuletzt noch lange nicht ausgeschöpft worden sein. Da sollte - vielleicht schon gegen die Schotten - noch einiges kommen.
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