• Die deutsche Nationalmannschaft spielt gegen Dänemark phasenweise richtig ordentlich, bleibt aber auch ihren Schwächen weiter treu.
  • Wenige Tage vor dem EM-Auftakt muss sie noch die eine oder andere grosse Baustelle angehen.
  • Die Mannschaft muss wieder lernen, an sich selbst zu glauben - Löw spannt die Zügel noch einmal an.
Eine Analyse

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Bei der deutschen Nationalmannschaft rudern wieder die Arme und es wird mehr gebrüllt. Thomas Müller ist wieder da und mit ihm diese spezielle Aufgeregtheit.

Das ist ein gutes Zeichen, denn zum einen ist dieser Müller immer dann am besten, wenn er umtriebig und fleissig sein darf. Und zum anderen benötigt diese deutsche Nationalmannschaft einen Spieler, der dauernd unter Strom steht, der laut ist und die anderen antreibt. Das konnte man in den zweieinhalb Jahren, in denen Müller nicht Teil der Mannschaft war, schon erahnen. Und am Mittwochabend gab es mal wieder den Beweis dafür.

Die deutsche Nationalmannschaft hat im ersten von zwei Testspielen auf dem Weg zur Europameisterschaft ein 1:1 gegen Dänemark erreicht. Das ist kein berauschendes Ergebnis, angesichts des Spielverlaufs und der Leistung der Mannschaft aber auch deutlich zu wenig gegen biedere Dänen.

Ein deutlicher Sieg hätte die Kräfteverhältnisse besser dokumentiert, aber ein paar Probleme hat die Mannschaft offenbar einfach mit rüber genommen ins Trainingslager nach Österreich. Daran konnte auch Müller in seinem ersten Spiel nach 926 Tagen der Abstinenz noch nichts ändern.

Ein Abbild der letzten Jahre in 90 Minuten

Im Prinzip hat die Mannschaft von Joachim Löw die Erkenntnisse der letzten zwei Jahre noch einmal schön kompakt in 90 Minuten gestopft. Einige Dinge funktionierten, andere wiederum nicht und beide Seiten der Medaille kannte man vor dem Spiel schon ganz gut. Weil man sie schon oft genug gesehen hat. "Licht und Schatten" habe man gesehen, sagte der Bundestrainer nach dem Spiel bei RTL. "Wir haben lange gut verteidigt, aber machen uns natürlich das Leben selber schwer, indem wir nicht das 2:0 machen."

Löw sprach die Chancenverwertung an, ein dauerhaftes Ärgernis in den letzten Spielen. Deutschland hatte nun keine Vielzahl an besten Gelegenheiten, aber immerhin vier, fünf ganz grosse Chancen. Zweimal stand das Lattenkreuz der Dänen im Weg, es war also auch eine gute Portion Pech dabei.

Aber das allein war es nicht. Nachdem Florian Neuhaus kurz nach der Pause einen Ball zur deutschen Führung ins Tor geschoben hatte, brach mal wieder jene Phase einer Partie an, in der die Mannschaft das Spiel von vorne weg diktieren und irgendwann dem Gegner den Todesstoss versetzen kann.

Diese Konstellation gab es nun schon oft genug in den letzten beiden Jahren - und oft genug endeten Spiele dann ähnlich unbefriedigend wie nun gegen die Dänen.

Wo ist die Gewinnermentalität?

In den Tagen von Seefeld wurde der Begriff der "Gewinnermentalität" schon inflationär gebraucht, vom Bundestrainer, seinem Co-Trainer Marcus Sorg, von Müller, von Mats Hummels. Diese müsse man entwickeln, sonst wird es bei der EM schnell finster. Offenbar steht die Mannschaft wenige Tage vor dem Turnierstart aber noch am Anfang des Entwicklungsprozesses.

Für das allgemeine Wohlbefinden wäre so ein Sieg - und wenn am Ende auch nur irgendwie über die Zeit gerettet - doch eine schöne Sache gewesen. Aber mal wieder stand sich die Mannschaft eher selbst im Weg, als dass der Gegner ihr sein Spiel aufdrängen konnte.

Den Dänen genügte ein einziger Schuss aufs Tor, um ein Remis zu ergaunern – nach der einzigen echten Unachtsamkeit in einer ansonsten recht gut funktionierenden Defensive der deutschen Mannschaft.

Etwas kompaktere, tiefere Defensivstrategie

Löw liess sein Team ohne die immer noch verhinderten Toni Kroos, Leon Goretzka und Antonio Rüdiger, sowie die noch nicht im Trainingslager angekommenen restlichen England-Legionäre in einem 5-2-3 gegen den Ball proben mit drei gelernten Innenverteidigern im Abwehrzentrum.

Der Bundestrainer Löw plant ja speziell für die Spiele gegen die starken Gruppengegner Frankreich und Portugal eine etwas defensivere und dafür kompaktere Herangehensweise. Deshalb auch der klare Fokus auf die Sicherung des Zentrums gegen die Dänen.

Deutschland verteidigte aus einer etwas tieferen Position und phasenweise sogar in Manndeckung, hielt die Mitte geschlossen und gewährte dem Gegner so im Prinzip keine Chancen aus dem freien Spiel. Und weil auch das Gegenpressing und die Konterabsicherung dahinter deutlich besser funktionierte als in den letzten Partien, hatte Deutschland den Gegner im Prinzip jederzeit fest im Griff. Bis auf diese eine Szene, als mehrere Spieler im Gegenpressing durchfielen, Niklas Süle die Gefahr nicht erkannte und der Gegner ausgerechnet durchs Zentrum zum Torerfolg kam.

Auch so eine Sache, die sich offenbar nicht so leicht abschütteln lässt: Die Mannschaft bekommt es nicht hin, über 90 Minuten als Kollektiv geschlossen zu verteidigen. Und wenn sich dann der Einzelne auch eine kurze Schlafphase gönnt, wird es eben brenzlig.

"Das war so eine halbe Kontersituation, das wollten wir eigentlich schon vermeiden", sagte Müller nach dem Spiel. "Es ist immer ein schmaler Grat zwischen Abwarten und Nach-Vorne-Stossen. Stück für Stück müssen wir diese Geduld noch lernen, aber man hat schon gesehen, nicht nur, dass wir wollen, sondern auch, dass wir Dinge sehr gut umsetzen können. Das war aber vielleicht eine gute Schulung, auf solche Situationen aufmerksam zu machen."

Löw kündigt "intensive Einheiten" an

In der Offensive konnte man ganz gute Ansätze sehen, "wir waren in unseren Aktionen recht klar", befand Müller. Das konnte man tatsächlich so einschätzen, allerdings blieb auch da der Optimismus noch ein wenig getrübt. Serge Gnabry und Leroy Sane hatten nicht den Einfluss, den sie haben könnten. Gerade mit einer Führung im Rücken muss man von den flinken Angreifern eine Spur mehr Eigeninitiative und Nachdruck erwarten, um vielleicht auf ein zweites, entscheidendes Tor zu gehen.

Der Bundestrainer muss nun aufpassen, dass sich die negativen Dinge in der Summe nicht zu einem Leitmotiv entwickeln. Dass die Mannschaft den Glauben an sich und daran, dass sie ein enges Spiel auch mal gewinnen kann, nicht verliert. Deshalb will er die Zügel in den letzten Tagen vor dem ersten Spiel gegen Weltmeister Frankreich noch einmal deutlich anziehen.

"Dass manche Dinge in der Vorbereitung nicht so perfekt laufen, war aber klar. Ab Freitag sind wir wieder vollzählig im Training und haben dann über eine Woche Zeit, an den richtigen Schrauben zu drehen", sagte Löw und deutete einige arbeitsreiche Tage an.

"Wir müssen jetzt vor dem Lettland-Spiel ein paar intensive Einheiten einstreuen, vor allem im taktischen Bereich. Die Standardsituationen sind ausbaufähig, defensiv und offensiv müssen wir noch ein paar Abläufe einüben. Einige Laufwege haben nicht gestimmt und die Positionen waren noch nicht optimal besetzt." Es ist noch eine Menge zu tun. Aber das war ja eigentlich schon vor dem Dänemark-Spiel klar.

Verwendete Quelle:

  • sport1.de: Müller mit Fauxpas nach Remis
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