• Die deutsche Nationalmannschaft hat sich durch die Gruppenphase gequält.
  • Dabei hat sich die eine oder andere individuelle Problemstelle offenbart - aber eben auch ein paar Lichtblicke.
Eine Analyse

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London, das Wembley-Stadion, ein K.o.-Spiel gegen England vor 40.000 Fans der Gastgeber: Was sich wie das Endspiel der Europameisterschaft anfühlt, ist "nur" die Runde der letzten 16 Mannschaften. England gegen Deutschland dürfte auf dem Papier neben Belgien gegen Portugal die reizvollste Paarung im Achtelfinale sein - für die deutsche Mannschaft nach Frankreich und Portugal aber ganz sicher der dritte hochklassige Gegner im vierten Turnierspiel.

Die Engländer haben sich bisher wie eine Art Turniermannschaft gezeigt, effizient, kühl, pragmatisch. Deutschland dagegen hat bereits die komplette Bandbreite an Emotionen erlebt, inklusive hitziger Taktik- und Personaldebatten. Die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw bleibt ein grosses Rätsel und mit ihr der eine oder andere Spieler, der bisher unter seinen Möglichkeiten blieb. Während andere dagegen positiv überraschen konnten. Ein Zwischenfazit.

Die bisherigen EM-Gewinner: Matthias Ginter

Matthias Ginter hat sich in der Dreierkette der deutschen Mannschaft festgespielt. Natürlich kommt dem Gladbacher dabei Löws Wahl mit drei gelernten Innenverteidigern zugute, die Ginter auch aus dem Klub kennt. Aber ebenso wäre der 27-Jährige auch als rechter Verteidiger in der Viererkette eine Option.

Ginter spielt solide gegen den Ball und erledigt seine Aufgaben stoisch und abgeklärt. Offensiv darf dabei noch ein bisschen mehr kommen, etwa bei seinen Flanken aus dem Halbfeld. Aber Ginter hat - anders als bei früheren Turnieren - diesmal seinen Platz in der ersten Elf sicher.

Die bisherigen EM-Gewinner: Robin Gosens

Robin Gosens hat eine regelrechte Euphorie um seine Person entfacht - durch ein einziges überragendes Spiel. Das ist selbst dem Profi von Atalante nicht ganz geheuer und schiesst auch übers Ziel hinaus.

Trotzdem ist Gosens nicht nur mit seiner Dynamik und seinem Einsatzwillen auf dem Platz ein wichtiger Faktor, sondern auch als Integrationsfigur für die Fans. Längst ist der 26-Jährige auf seiner Position alternativlos geworden.

Die bisherigen EM-Gewinner: Thomas Müller

Thomas Müller spielt immer. Was bei Louis van Gaal zum geflügelten Wort wurde, gilt auch in Müllers zweitem Anlauf unter Joachim Löw. Zwar wartet der Bayern-Star immer noch auf das erste EM-Tor seiner Karriere, aber wie wichtig der Rückkehrer für diese Mannschaft ist, hat nicht zuletzt die erste Stunde gegen Ungarn gezeigt.

Da sass Müller leicht angeschlagen auf der Bank und Deutschland fehlte jegliche Kreativität im letzten Drittel und dieses Unkonventionelle, das eben nur Müllers Spiel mitbringt. Müller wird auch gegen England spielen und im besten Fall noch ein paar Spiele mehr bei diesem Turnier.

Die bisherigen EM-Gewinner: Leon Goretzka

Leon Goretzka verpasste das Frankreich-Spiel nach fast vier Wochen ohne Mannschaftstraining, meldete sich dann gegen Portugal zurück und ebnete Deutschland mit seinem Tor gegen die Ungarn erst den Weg in die K.o.-Runde. Goretzka wird als Box-to-Box-Spieler und mit seiner physischen Präsenz im Zentrum des Spiels gebraucht, ist dazu als nachrückender Mittelfeldspieler stets torgefährlich und auch für die vielen Flanken als zusätzlicher Zielspieler nötig. Goretzka hat seine Chance ohne grosse Anlaufzeit genutzt und könnte im weiteren Turnierverlauf noch zum entscheidenden Puzzleteil werden.

Die bisherigen EM-Gewinner: Kai Havertz

Kai Havertz‘ Rolle und seine Form sind im Vorfeld der EM viel diskutiert worden. Sein Siegtreffer im Champions-League-Finale hat dem 22-Jährigen nach einer schwierigen ersten Saison beim FC Chelsea aber sichtlich Rückenwind verliehen, Havertz ist mit zwei eigenen und zwei beim Gegner "erzwungenen" Eigentoren Deutschlands gefährlichster Angreifer. Zwar ist auch bei Havertz noch Luft nach oben, sein Startplatz im Angriffszentrum sollte aber gesichert sein.

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Die bisherigen EM-Gewinner: Jamal Musiala

Jamal Musiala ist die Geheimwaffe von der Bank. Zwar durfte der jüngste Spieler im Kader erst ein paar Minuten ran - die nutzte Musiala aber geradezu vorzüglich. In Spielen gegen tiefstehende Gegner oder bei einem deutschen Rückstand sind die schnellen Wendungen des Bayern-Spielers ein Segen, ist seine Unbekümmertheit in Eins-gegen-Eins-Duellen eine stete Gefahr für den Gegner. Musialas Fähigkeiten könnten noch enorm wichtig werden, die Aussicht auf weitere Einsatzminuten hat sich der 18-Jährige jedenfalls verdient.

Die bisherigen EM-Verlierer: Emre Can

Emre Can gilt als Allzweckwaffe, könnte in der Abwehr und im Mittelfeld im Prinzip alle Positionen bekleiden und durfte auch schon einige Minuten ran. Der grosse Can-Effekt blieb bisher aus, im Gegenteil hatte er gegen Portugal ein paar leichtsinnige Aktionen zu viel in seinem Spiel.

Durch die Versetzung von Joshua Kimmich war auch die Planstelle auf der rechten Aussenbahn bisher vergeben, im defensiven Mittelfeld dürfte ab sofort Goretzka die nötige Körperlichkeit einbringen. Für Can ist da derzeit offenbar kein Platz mehr.

Die bisherigen EM-Verlierer: Ilkay Gündogan

Ilkay Gündogan kam mit der Empfehlung der besten Spielzeit seiner Laufbahn zum DFB-Team, in Manchester spielte der 30-Jährige in einer deutlich offensiveren Rolle eine überragende Saison. Und doch läuft die EM bisher fast komplett an Gündogan vorbei.

Vielleicht liegt das an der etwas komplizierten Aufgabenverteilung mit Toni Kroos, vielleicht an der Grundordnung, vielleicht an den grösstenteils sehr defensiv agierenden Gegnern. Gündogans Leichtigkeit ist aber weg und in der Form der ersten drei Spiele ist er nicht mehr als ein Mitläufer.

Die bisherigen EM-Verlierer: Leroy Sané

Leroy Sané wurde nach dem Ungarn-Spiel in Grund und Boden kritisiert. Zurecht, weil der Münchener immer noch fahrig und übermotiviert wirkt, gegen die Ungarn nie in die Tiefe kam und seine Schnelligkeit ausspielen konnte und sich zudem unerklärlich viele technische Fehler leistete.

Aber auch zu Unrecht, weil gegen die Ungarn keine Tiefe im Spiel darstellbar war, weil auf Sané immer drei Gegenspieler hintereinander lauerten und weil er etwa nach einem Ballverlust einer der emsigsten deutschen Spieler bei dessen Rückeroberung war. Ohne Zweifel muss man aber konstatieren, dass Sané der Mannschaft bisher kaum helfen konnte und sein unbestritten grosses Potenzial (noch) nicht ausschöpft.

Die bisherigen EM-Verlierer: Timo Werner

Timo Werner galt in Joachim Löws Überlegungen zusammen mit Serge Gnabry und Sané als Eckpfeiler des neuen Umschalt-Konter-Fussballs. Aber die Beziehung zwischen Werner und der Nationalmannschaft bleibt kompliziert.

Bisher gab es für den Chelsea-Star nur ein paar Minuten Einsatzzeit, Werner ist allenfalls die Nummer vier im deutschen Angriff, womöglich ist sogar Kevin Volland im internen Ranking an Werner vorbeigezogen. Aber: Sollte Deutschland tatsächlich einmal selbst in Führung gehen und seinerseits tiefer verteidigen können, dann wäre Werner im Handumdrehen die fast perfekte Wahl ...

Die bisherigen EM-Verlierer: Manuel Neuer

Manuel Neuer ist kein "echter" Verlierer der ersten drei Spiele. Aber Neuer ist bisher auch noch nicht der Rückhalt, den die Mannschaft bräuchte. Ein Keeper, der auch mal einen sogenannten "Unhaltbaren" fischt, der seiner Mannschaft einen oder drei Punkte festhält.

Neuers Fehler bei den Gegentoren gegen Ungarn waren offenkundig, fünf Gegentreffer bei nur acht Schüssen auf das deutsche Tor sind eine für Neuer nicht akzeptable Quote. Und auch sehr weit weg von Neuers eigenem Anspruch der absoluten Weltklasse.

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