Angsthasen-Fussball dominiert: Portugal zieht mit fünf Unentschieden ins Endspiel der EM 2016 ein. Frankreich folgt, nachdem es sich gegen das DFB-Team 80 Minuten hinten reinstellt. Warum am Ende das Finale dieser spielerisch schwachen EM nur logisch ist.
Der Frust sass tief beim Bundestrainer nach dem Halbfinal-Aus gegen Gastgeber Frankreich. Er beschwerte sich über den Turniermodus. Er wetterte gegen Portugal. Er stellte die Qualität des Fussballs bei der EM 2016 infrage.
Dominanz, die nicht ausreichte
Doch diese Eigenschaften reichten nicht gegen Franzosen, die durch die hohen Erwartungen in der "Grande Nation" sichtlich gehemmt waren. Sie reagierten, agierten nicht. Sie brauchten einen Blackout des DFB-Kapitäns, um den Spielverlauf ad absurdum zu führen.
Gut gespielt haben die Franzosen trotz des Sieges nicht. Nur "eiskalt", wie es Torwart
Der Weltmeister hatte 68 Prozent Ballbesitz und eine Passquote von 88 Prozent. Zum Vergleich: Die Franzosen kamen auf 78 Prozent.
Deutschland spielte mehr als doppelt so viele Pässe (641:301), 566 davon kamen beim Mitspieler an – eine hervorragende Quote.
Die Franzosen foulten indes zwölf Mal, Deutschland nur sieben Mal. Und auch die Zweikampfquote sprach für die Mannschaft von Löw (53:47 Prozent), der nach der Pleite seine Zukunft als Bundestrainer offen liess.
Nun steht aber Frankreich im Finale und droht in Person des Doppel-Torschützen
Eine taffe Ansage, mag man meinen. Blickt man auf den Gegner, ist sie schlicht realistisch. Portugal perfektionierte den zerstörerischen Fussball bei diesem Turnier. Mehr nicht. "24 Mannschaften finde ich zu viel. Die EM wurde immer grösser, auch die WM wird aufgestockt. Hier hat es Portugal ins Finale geschafft mit fünf Unentschieden", meinte Löw über den Final-Teilnehmer.
Kaum überzeugender Fussball
"Wenn das so weitergeht, ist es für den Fussball nicht gut. Am Ende leidet auch die Qualität darunter." Recht hat er. Selbst gegen das fussballerisch limitierte Wales überzeugte die Mannschaft um Superstar
Die Portugiesen hatten die schlechtere Passquote (83:86-Prozent), weniger Ballbesitz (44 Prozent) und spielten deutlich weniger Pässe (392:510).
Initiative? Fehlanzeige! Fünf Mal stand es bei dieser EM nach der regulären Spielzeit tatsächlich unentschieden – gegen Island (1:1), gegen Österreich (0:0), gegen die mutigen Ungarn (3:3), gegen Kroatien im Achtelfinale (0:0/1:0 n.V.) und gegen Polen im Viertelfinale (0:0/5:3 i.E.). Alleine der Genialität eines Ronaldo hatten sie letztlich das Finale zu verdanken.
Vor diesem fragt man sich, welche der beiden Mannschaften überhaupt das Spiel gestalten soll. Es würde zum Trend passen, wenn sich die Kontrahenten jeweils hinten reinstellen, abwarten, zaudern, und den Zuschauer damit langweilen. Alle Teams, die wirklich mutig gespielt haben, sind raus – Belgien, Ungarn, Wales und nun auch Weltmeister Deutschland.
Steigerung im Finale eher unwahrscheinlich
Frankreich stellt mit Griezmann (sechs Tore) zwar den treffsichersten Spieler und die mutmasslich beste Offensive des Turniers (13:4-Tore). Doch betrachtet man die Gegner (Rumänien, Albanien, Schweiz, Irland, Island) mit Ausnahme des DFB-Teams relativiert sich die entfachte Euphorie über "Les Bleus". Im Finale auf eine fussballerische Steigerung zu hoffen, wäre wohl naiv.
Der Druck auf das französische Team ist mit dem Erreichen des Finales ins Unermessliche gestiegen. Wer bei Anpfiff des Halbfinales auf einen sorgenvoll dreinschauenden Staatspräsident Francois Hollande geblickt hat, begreift, worum es den von Terror, hoher Arbeitslosigkeit und kollektiver Melancholie gebeutelten Franzosen in diesem Spiel geht.
Die Spieler dürfte diese Erwartungshaltung noch mehr hemmen. Portugal wiederum hat gar nicht die Mittel, das Spiel zu machen. Sie werden wieder einzig auf CR7 setzen.
In Deutschland wiederum soll es am Sonntag bis zu 30 Grad warm werden. Ein lauer Sommerabend steht bevor. Die Fussball-Fans hierzulande sollten ihn nutzen. Denn dieses Finale der EM 2016 können wir uns getrost sparen.
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