Frankreich? Klar. Deutschland? Ganz sicher. Spanien? Wieder hungrig. Die Topfavoriten auf den EM-Titel sind leicht zu identifizieren. Aber es gibt auch noch andere: Die starken Belgier, die runderneuerten Engländer und ein paar Geheimtipps, die wohl kaum einer auf dem Zettel hat.

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552 Namen sind der UEFA in den letzten Tagen ins Postfach geflattert, so viele Spieler werden ab 10. Juni - auf 24 Mannschaften aufgeteilt - bei der EM 2016 in Frankreich um die Krone Europas kämpfen.

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Nach der finalen Bekanntgabe aller Kader gibt es nun - abgesehen von schwerwiegenden Verletzungs- oder Krankheitsmiseren, keine Chance mehr auf eine Nachnominierung.

Nun ist klar, wer es mit wem zu tun bekommt. Welcher Kader wie stark einzuschätzen ist und wer sich demnach die grössten Hoffnungen auf den Titel machen darf. Aber neben den üblichen Verdächtigen unter den Favoriten gesellen sich beim aufgeblähten Turnier auch noch einige Geheimtipps, die man unbedingt im Auge behalten sollte.

Gastgeber Frankreich greift an

Als Gastgeber und grosse Fussball-Nation mit einer wieder erstarkten Jugendausbildung zählt Frankreich zum engen Kreis der absoluten Topfavoriten. Die Grande Nation hat ein dermassen grosses Überangebot an Spielern, dass selbst Weltklasse-Akteure wie Karim Benzema oder Franck Ribéry keinen Platz mehr fanden. Allerdings spielten bei beiden auch nicht-sportliche Gründe eine Rolle.

Nationalcoach Didier Deschamps verfügt besonders in der Offensive über eine brillante Mischung aus erfahrenen Spielern und jungen, hungrigen Emporkömmlingen und hat mit Paul Pogba und Antoine Griezmann zwei überragende Figuren ihrer Vereinsteam Juventus und Atlético im Kader.

Bei den letzten beiden Grossereignissen im eigenen Land nutzte Frankreich den Vorteil der Gastgeberrolle perfekt aus, wurde 1984 Euro- und 1998 Weltmeister. Deschamps' Truppe darf sich nur nicht wieder selbst im Weg stehen, dann ist mit den Franzosen auf jeden Fall zu rechnen.

Deutschland will den nächsten Titel

Deutschland muss als Weltmeister im Prinzip im selben Atemzug genannt werden. Zwar wiegen die Ausfälle von Marco Reus, Ilkay Gündogan und Holger Badstuber schwer, und auch die Rücktritte von Philipp Lahm, Per Mertesacker und Miro Klose wurden in den zwei Jahren nach dem WM-Triumph noch nicht zufriedenstellend kompensiert. Trotzdem ist Joachim Löws Kader sauber ausbalanciert und zählt qualitativ immer noch zu den besten des Turniers.

DFB-Kader der EM 2016 im Überblick

Deutschlands Fähigkeit, sich in den wenigen Wochen vor einem Wettbewerb den nötigen Feinschliff zu holen und auf den Punkt voll da zu sein sowie die spielerische Überlegenheit gegenüber den meisten Kontrahenten macht die DFB-Auswahl so gefährlich.

Die 14 Weltmeister im Kader wissen zudem, wie man einen grossen Titel gewinnt. Diese Gewissheit könnte in den entscheidenden Phasen noch nützlich sein.

Spanien ist wieder hungrig

Ähnlich verhält es sich mit den Spaniern. Die ehemaligen Allesgewinner sind nach dem blamablen Abschneiden vor zwei Jahren mit einer etwas erneuerten Mannschaft wieder hungrig.

Der Stamm mit Iker Casillas, Sergio Ramos, Sergi Busquets, Andres Iniesta, Cesc Fabregas und David Silva ist geblieben, dazu sind mit Koke, Lucas Vasquez oder Alvaro Morata Spieler dabei, die ein fulminantes Jahr hinter sich haben. Gerade Morata gilt derzeit als einer der besten Angreifer der Welt.

Spanien bringt nicht nur die fussballerische Qualität eines Champions mit, sondern auch die entsprechende Mentalität. Nicht umsonst gingen in den letzten drei Jahren alle sechs europäischen Vereinstitel an Klubs aus der Priméra Division. Spanien dominiert den Vereinsfussball - und so soll es nun auch wieder auf Verbandseben werden.

Italien ist halt Italien

Italien dagegen befindet sich immer noch im Umbruch. Natürlich muss die Squadra Azzurra genannt werden, wenn es um Kandidaten für den Titel geht.

Gerade dann, wenn das Team eher unscheinbar daherkommt und auf dem Papier gar nicht so furchteinflössend wirkt. Dass die Italiener trotzdem noch eine ganze Menge hochtalentierter Spieler mitbringen werden, ist klar.

Und in der Rolle des Underdogs hat sich die Mannschaft von Coach Antonio Conte bei den letzten grossen Triumphen am wohlsten gefühlt. Und dass das Team ungeschlagen durch die Qualifikation marschiert ist, liess aufhorchen.

Belgien: Von wegen Geheimtipp!

Selbstverständlich darf auch der Weltranglistenerste nicht fehlen. Belgien ist dem Status des Geheimtipps längst entwachsen. Das kleine Fussballland profitiert nun voll von seiner fantastischen Nachwuchsarbeit, das Reservoir an erstklassigen Spielern ist beinahe unerschöpflich. Coach Marc Wilmots hat den besten Kader aller Zeiten zusammen.

Vor zwei Jahren in Brasilien waren seine jungen Wilden noch eine Spur zu unbekümmert und naiv. Jetzt ist die Mannschaft gereift und dürfte ihr volles Potenzial zur Geltung bringen. Belgien ist ein ganz heisser Tipp.

Dauerversager England will's allen zeigen

Es mag komisch klingen, aber in diesem Sommer ist auch mit den Dauerversagern aus England zu rechnen. Ein halbes Jahrhundert lang musste sich das Mutterland des Fussballs bei grossen Turnieren demütigen lassen, in Brasilien folgte dann vor zwei Jahren der letzte schmerzhafte Tiefpunkt.

Danach hat endlich ein Umdenken beim Verband eingesetzt, die "Three Lions" haben den Neustart gewagt, mit einer jungen, entschlossenen Truppe, die als echte Einheit funktioniert - und nicht mehr fremdgesteuert ist durch persönliche Eitelkeiten.

England hat in der Qualifikation alles in Grund und Boden gespielt und alle zehn Spiele gewonnen. Der Sieg im Testspiel gegen Deutschland vor einigen Wochen tut sein Übriges dazu: England hat das beste Team seit Jahrzehnten am Start.

Portugal. Kroatien. Österreich?

Ein paar Aussenseiterchancen dürften sich auch Portugal, Kroatien und sogar Österreich ausrechnen. Die Portugiesen stehen eigentlich vor jedem Turnier auf dem Zettel, nur allzu oft kam die Mannschaft dann aber mit dem Druck nicht klar.

Das Team ist natürlich ungeheuer abhängig von Cristiano Ronaldo. Erwischt der Superstar aber einen guten Start, kann das auch das zu Phlegma neigende Team mitreissen.

Kroatien hat sich nach der Demission von Trainer Niko Kovac wieder gefangen und eine gute Qualifikation gespielt. Die Kroaten haben jede Menge hervorragende Einzelspieler, eine gute Mentalität - um aber ganz weit zu kommen, müsste auch alles perfekt zusammenpassen. Möglich ist das allemal.

Und dann noch Österreich: Kein anderes Team hat sich in den letzten drei, vier Jahren so explosiv entwickelt wie die Alpenländer unter Trainer Marcel Koller.

Von Österreich wird niemand den Titel erwarten können. Aber dass das Team mittlerweile auch mit den ganz Grossen mithalten kann, ist unbestritten. Die Euphorie im Land ist jedenfalls riesig. Und die Mannschaft so gut wie seit gefühlten Ewigkeiten nicht mehr.

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