- Lieder und Hymnen zu grossen Turnieren haben bereits eine Tradition.
- Die meisten Songs fallen allerdings durch.
- Doch vor allem ein Lied zeigt, was einen Fussball-Song ausmacht.
Die Zahl der Gescheiterten ist riesig. Fast so gross wie die Zahl derjenigen, die sich daran versucht haben, einen erfolgreichen Fussball-Song zu schreiben beziehungsweise eine offizielle Turnier-"Hymne" zu komponieren. Das Problem dabei: Fussball-Lieder sind eine ganz spezielle Kunst für sich. Eine Kunst, die ganz offensichtlich nur die wenigsten beherrschen, denn in vielen Fällen sind diese Möchtegern-Hits eine akustische Belästigung oder Beleidigung.
Vor grossen Fussball-Turnieren herrscht zwar traditionell musikalische Hochkonjunktur, doch an der richtigen Mischung scheitern fast alle. Denn die ist knifflig. Das Geheimrezept ist etwas zwischen eingängig, melodisch, aber auch fussballtauglich. Also etwas zum Mitgrölen, ohne dabei ins Ballermann-Niveau abzudriften. Die Fanseele mag in Sachen Party relativ einfach gestrickt sein, von der Musikindustrie aufgezwungene Lieder stehen aber per se zunächst vor einer grossen Hürde.
25 Jahre auf dem Buckel
Deshalb die Frage: Können Sie sich an einen Fussball-Hit erinnern, der Generationen überlebt hat? Wir helfen gerne nach: Ja, es gibt ihn tatsächlich. Und er hat inzwischen immerhin 25 Jahre auf dem Buckel und schallt immer noch durch die Stadien, auch bei der aktuellen Europameisterschaft.
Vornehmlich dann, wenn England spielt. Denn das bekannte "Football’s coming Home" aus dem Song "Three Lions" von den "Lightning Seeds" von der EM 1996 ist so etwas wie nationales Kulturgut. Der perfekte Mix, der mit schmerzhaften Sehnsüchten, lange zurückliegenden Erfolgen und Zukunftshoffnungen spielt und sich dabei selbst nicht zu ernst nimmt. Der eingängige Refrain ist das Sahnehäubchen.
Perfekte Kult-Komposition
Der Song benötigte nicht einmal sportlichen Erfolg – wie zum Beispiel bei der WM 2006 "Dieser Weg" von
Three Lions (Football's Coming Home)
Und damit eine echte Kostbarkeit. Denn phonetische "Perlen" gibt es seit Jahren zwar zuhauf pünktlich zu jedem grossen Turnier, wie auch jetzt zur EM. Doch aus Erfahrung weiss man schon jetzt – die vier Turnier-Wochen überleben wird kaum ein Song, egal ob nun offizielle EM-Hymne oder inoffizieller Angriff auf die Fan-Gunst.
Auch U2 garantiert keinen Hit
Ganz offiziell ist das Lied der UEFA, die keine Mühen gescheut hat, um von den Namen her echte Prominenz aufzufahren. So sind der niederländische Star-DJ Martin Garrix sowie Bono und The Edge von "U2" für "We are The People" verantwortlich. Platz auf dem Sampler für die besten Fussball-Songs ist für Bono und Co. aber nicht – selbst eine Band wie U2 ist in dem schwierigen Umfeld also kein Garant für einen Fussball-Hit.
Auch die ARD hat einen eigenen Song, der die Übertragungen untermalt. "Die guten Zeiten" stammt von Wincent Weiss und Johannes Oerding. Könnte mit ein wenig Glück mit einem Erfolg der deutschen Nationalmannschaft durchaus wachsen, da die Fernsehzuschauer an dem Lied vier Wochen lang nicht vorbeikommen. Langfristiges Potenzial? Eher nein.
Auch die Telekom lässt sich nicht lumpen und hat für die Übertragungen bei "MagentaTV" einen Song produzieren lassen: "On the Field of Dreams" von Daniel Hall. Leider ebenfalls austauschbar und blass.
Auch Spieler machen mit
Sogar Spieler lassen sich etwas einfallen. Der bisherige Gladbach-Leihspieler Valentino Lazaro hat seinen persönlichen EM-Song mit dem Titel "Immer wieder" gemeinsam mit dem in Wien lebenden Musiker Meydo veröffentlicht. Ist aber eher für die Charts als für das Stadion gedacht.
Auch die Teilnehmer selbst haben ihre Songs. Nordmazedonien wird durch rockige Klänge der Gruppe "Vis Risovi" unterstützt, Goran Pandev und Co. schauen in dem Video dann auch recht entschlossen in die Kamera. Ein internationaler Durchbruch ist aber nicht zu erwarten.
Die Schotten haben es so gemacht, wie man es eigentlich machen sollte: Sie feierten die gelungene Quali, die erste für ein grosses Turnier seit 1998, in der Kabine mit dem Klassiker "Yes Sir, I can Boogie" des spanischen Duos Baccara.
Schottland kann Boogie
Und natürlich ist der Song nun auch die offizielle Team-Hymne für die EM, kam bereits beim ersten Gruppenspiel gegen Tschechien zum Einsatz, brachte beim 0:2 aber kein Glück.
Alte Hits umzufunktionieren, ist sowieso ein beliebtes und probates Mittel. Die Slowaken bekommen daher eine EM-Version des Partisanen-Lieds "Bella Ciao" ("Daj gola, daj") vorgeträllert.
Die Tschechen bekommen von der Punk-Rock-Band "Tri Sestry" natürlich einen Punk-Song serviert, der von einem Video begleitet wird, das mit dem Kneipenbesuch eines Mannes in Corona-Zeiten zwar irritiert, dank des Nebendarstellers Nedved (eine Schildkröte) aber auch amüsiert. Wird aber auch nur eine geringe Halbwertszeit haben.
Komplett gaga?
Genial? Oder gaga? Die Belgier lassen sich von "Deviltime" pushen, eine, sagen wir, eigenwillige Cover-Version des Hits "U Can’t Touch This" von MC Hammer. Bleibt aber durchaus im Ohr hängen.
Deviltime
Fun Fact: Auch die Engländer haben einen eigenen, offiziellen Song. Krept und Konan performen ihn, eine BBC-Doku zeigt sogar die Entstehung, denn er beschäftigt sich mit einem wichtigen Thema, mit Rassismus.
Das Problem dabei: Als Rap-Song ist er nur bedingt mitgrölfähig. Gut, dass die Engländer seit einem Vierteljahrhundert das perfekte Lied bereits haben.
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