Die "Three Lions" stehen zum zweiten Mal in Folge in einem EM-Finale, nun soll endlich der erste Titel seit 58 Jahren her. Oranje trägt dagegen Trauer.

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Nach dem erlösenden Schlusspfiff sprintete Starstürmer Harry Kane zurück auf den Platz und sprang Matchwinner Ollie Watkins als Erster in die Arme. Auf den Rängen rasteten die englischen Fans nach dem spektakulären Happy End im Halbfinal-Krimi gegen die Niederlande vor Glück aus - und bei den Klängen von "Sweet Caroline" träumten die endlich gierigen Three Lions vom EM-Titel. Denn: England greift wieder nach der Krone.

"Wir werden alles tun, was nötig ist."

Harry Kane

"Wir haben Geschichte geschrieben!", jubelte Kane: "Ich bin so stolz auf alle, auf die Spieler, auf die ganze Gruppe. Es war bisher so ein schwieriges Turnier für uns." Im Finale "werden wir alles tun, was nötig ist. 90 Minuten, 120 Minuten, Elfmeterschiessen - wir wollen den Weg zu Ende gehen."

Dank Partycrasher und Kane-Ersatz Ollie Watkins hofft ganz England nun auf den ersten grossen Triumph seit 58 Jahren. Die Comeback-Könige von Trainer Gareth Southgate, der vor den Fans immer wieder die Fäuste hochriss, haben sich auch von den Niederlanden nicht aufhalten lassen und sind durch das spektakuläre 2:1 (1:1) zum zweiten Mal in Folge ins EM-Finale marschiert, für die Elftal und ihre traurigen Fans endete ihr Sommermärchen in einem Drama.

Kapitän Kane traf per Foulelfmeter (18.) zum Ausgleich und Watkins (90.) sicherte den "Three Lions" mit seinem Last-Minute-Treffer aus der Drehung den Sieg. Sie führten England so in das erste Finale bei einem grossen Turnier ausserhalb des eigenen Landes.

Watkins beschwört "Comeback-Faktor" der Engländer

Am Sonntag im Endspiel von Berlin ist die Startruppe mit einem Marktwert von insgesamt knapp 1,5 Milliarden Euro gegen Deutschland-Schreck Spanien (21:00 Uhr/ARD und MagentaTV und live bei uns im Ticker) alles andere als Aussenseiter - schliesslich drehen Kane und seine Männer pünktlich zum Showdown plötzlich mächtig auf.

"Es gab viel Kritik, aber wir stehen im Finale, und das ist alles, was zählt", sagte Watkins: "Wir haben diesen Comeback-Faktor. Wenn wir in Rückstand geraten, scheint uns das einen Schub zu geben."

Der 28-Jährige hatte bislang keine grosse Rolle im Team von Trainer Gareth Southgate gespielt. Watkins war beim 2:1 gegen die Niederlande erst zum zweiten Mal bei dieser EM eingewechselt worden.

Zuvor hatte sein Umfeld ihm Mut gemacht. "Ich habe Nachrichten von meinen Freunden bekommen, die gesagt haben: 'Hey, du wirst deine Chance bekommen'", sagte er. "Ich habe gesagt, ich kann den Unterschied machen und muss aufs Feld. Ich habe meine Chance genutzt und das Tor gemacht."

Für Watkins war der Treffer in der ersten Minute der Nachspielzeit das vierte Tor im 14. Länderspiel. Es war mit Abstand das wichtigste. "Wenn man dieses Tor schiesst, sind die Emotionen unfassbar. Ich wollte am Ende gar nicht vom Feld gehen. Ich wollte die Emotionen einfach aufsaugen", sagte Watkins, der von seinen Mitspielern um Kapitän Harry Kane nach dem Schlusspfiff euphorisch gefeiert wurde.

Tränen bei Oranje

Bei den Niederländern flossen nach der zuvor so euphorischen EM-Party dagegen Tränen. Rund 100.000 Fans hatten Dortmund vor dem Spiel in Oranje getaucht, die Anhänger hofften auf ein Märchen wie 1988 - damals hatte der jetzige Bondscoach Ronald Koeman die Niederländer in Deutschland als Abwehrchef zum Titel geführt.

Und nach dem prächtigen Führungstreffer vom ehemaligen Leipziger Xavi Simons (7.) sah es zunächst auch gut aus, doch am Ende reichte die Kraft nicht mehr gegen die erstmals im Turnier überzeugenden Engländer. Auch Joker Wout Weghorst stach diesmal nicht. Und so muss Oranje weiter auf den zweiten grossen Titel warten.

Southgate: "Jetzt ist die Chance, Geschichte zu schreiben"

Ganz anders England. "Jetzt ist die Chance, Geschichte zu schreiben", hatte Southgate vor der Partie gesagt. Während die Fans wegen des zuvor gezeigten minimalistischen Ergebnis-Fussballs schon murrten, glaubte der Nationaltrainer immer an sein Team.

Nach dem Elfmeter-Drama von London, als die Mannschaft Ihrer Majestät vor drei Jahren Italien am Ende den EM-Pokal überlassen musste, soll diesmal alles anders werden. Die 58 Jahre voller Schmerz und grosser Tragödien nach dem WM-Titel von 1966 müssen am Sonntag gegen Spanien endlich zu Ende gehen, so die Hoffnung im Mutterland des Fussballs.

Und pünktlich zur Crunchtime des Turniers dreht England mächtig auf. Wie schon im Achtelfinale gegen die Slowakei und im Viertelfinale gegen die Schweiz gerieten die "Three Lions" in Rückstand, doch von Panik keine Spur. Stattdessen zeigten sie ihre beste Turnierleistung.

Dabei konnte Jude Bellingham bei seiner Rückkehr nach Dortmund und seinem pikanten Wiedersehen mit dem deutschen Schiedsrichter Felix Zwayer nur wenige Akzente setzen - stattdessen sorgten etwa Phil Foden und Bukayo Saka immer wieder für Gefahr. Zudem ist Kane mit nun sechs Treffern der beste Torschütze der EM-Geschichte in K.o.-Spielen, ausserdem konnte England sich auf Keeper Jordan Pickford verlassen.

Nach dem frühen Gegentreffer übernahmen die Engländer das Kommando, sie erhöhten den Druck, sie blieben geduldig im orangen Abwehr-Dickicht, lauerten auf ihre Chance. Und Watkins, kurz zuvor für Kane eingewechselt, liess England am Ende jubeln.

Im Finale wartet die bisher überzeugendste Mannschaft der EM

Erstmals spielen die Engländer nun ausserhalb des eigenen Landes um einen Titel. Und das ausgerechnet gegen Spanien - die bisher überzeugendste Mannschaft der EM.

"Sie haben erstaunlich ausgesehen, sie haben wirklich gut ausgesehen", sagte Jude Bellingham. "Sie sind eine grossartige Mannschaft mit ganz eigenen Waffen, es wird interessant sein, sich mit ihnen zu messen." (SID/dpa/ank)

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